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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band.

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Vilegio. sondern vielmehr auf einem jetzt grade zweihundertjährigen Schlendrian.
Die Geschichte ist bezeichnend für das meerumschlungene Eldorado "berechtigter"
Eigenthümlichkeiten und so mag sie hier erzählt werden. Bekanntlich wurden die
Herzogthümer 1S44 unter die Söhne Friedrichs des Ersten getheilt, und diese Thei¬
lung wurde die Grundlage der dauernden Trennung zwischen dem königlichen
und dem fürstlichen oder gottorfischen Antheile. Neben diesen beiden stand
der sog. gemeinschaftliche Theil, aus den adligen Gütern und Klöstern gebildet,
unter der Negierung beider Landesherren, des Königs und des Herzogs von
Holstein-.Gottorf. Die Stempelpapierabgabe ward nun im fürstlichen Antheile
durch Verordnung vom 26. November 1657 und im königlichen Antheile drei
Jahre nachher eingeführt. Hierbei aber blieb es; eine gemeinschaftliche Verord¬
nung erging nicht, sondern nur die beiden privativen Verfügungen jedes Landes¬
herren für seinen Theil. Daher kommt es denn, daß die Einwohner der adligen
Güter und Klosterbezirke von dem Gebrauche des Stempelpapiers befreit sind
und zwar vermöge gleichsam dinglicher Befreiung dieser Gebiete, da ebenfalls
Nichtprivilegirte bei den klösterlichen und adligen Gerichten vom Stempelpapier
völlig frei sind. Prälaten und Ritterschaft ist diese Freiheit durch denselben
Umstand, daß sie als solche unter der gemeinschaftlichen Negierung standen.
Zugleich als Vorrecht ihrer Personen verblieben. Es ergiebt sich hieraus sofort,
daß von einer Enischädigung der Betheiligten für den Wegfall einer blos
factischen Begünstigung keine Rede sein kann, wie auch als 1726 das Stempel-
Papier auf die Grafschaft Ranzau ausgedehnt wurde, an eine Entschädigung
der ranzauer Eingesessenen nicht gedacht worden ist. Ebensowenig hat die
Ritterschaft für ihre persönliche Befreiung Anspruch auf Entschädigung, da die¬
selbe aus gleicher Veranlassung wie die der adligen Untergehörigen entspringt;
es ist ihr nur vermöge des permanenten Marasmus der Negierung glücklich
gelungen. 200 Jahre lang die Stempelsteuer lediglich von sich abzuwehren;
eine ausdrückliche specielle Pnvilegirung derselben auf Freiheit vom Stempel
fehlt, und die jetzt geltende Stempelverordnung von 1804 spricht blos vom
Hergebrachten, wobei es sein Bewenden behalten möge bis auf weitere Ver¬
fügung.

Da wir einmal bei den Finanzen sind, so möge der Leser noch einmal die
Klosterfrage zu berühren uns gestatten. Einen erheblichen Einnahmeposten
des Budgets der Herzogthümer bilden die sogenannten "stehenden Gefälle" mit
796.979 Thlr. Pr. Es sind dies Abgaben, welche von der verschiedensten Be-
Zeichnung und Art aus alter und ältester Zeit stammen, ein Theil deiselben
^"ge mit Rechten der Grundherrlichkeit zusammen und trägt daher einen doma-
malm Charakter, theils aber sind in diesen alten Abgaben auch eigentliche
Steuern enthalten. Die officielle Denkschrift, welche die Einführung der preu-
Väschen directen Steuern in den Herzogthümer" begleitete, nimmt an. daß jene


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Vilegio. sondern vielmehr auf einem jetzt grade zweihundertjährigen Schlendrian.
Die Geschichte ist bezeichnend für das meerumschlungene Eldorado „berechtigter"
Eigenthümlichkeiten und so mag sie hier erzählt werden. Bekanntlich wurden die
Herzogthümer 1S44 unter die Söhne Friedrichs des Ersten getheilt, und diese Thei¬
lung wurde die Grundlage der dauernden Trennung zwischen dem königlichen
und dem fürstlichen oder gottorfischen Antheile. Neben diesen beiden stand
der sog. gemeinschaftliche Theil, aus den adligen Gütern und Klöstern gebildet,
unter der Negierung beider Landesherren, des Königs und des Herzogs von
Holstein-.Gottorf. Die Stempelpapierabgabe ward nun im fürstlichen Antheile
durch Verordnung vom 26. November 1657 und im königlichen Antheile drei
Jahre nachher eingeführt. Hierbei aber blieb es; eine gemeinschaftliche Verord¬
nung erging nicht, sondern nur die beiden privativen Verfügungen jedes Landes¬
herren für seinen Theil. Daher kommt es denn, daß die Einwohner der adligen
Güter und Klosterbezirke von dem Gebrauche des Stempelpapiers befreit sind
und zwar vermöge gleichsam dinglicher Befreiung dieser Gebiete, da ebenfalls
Nichtprivilegirte bei den klösterlichen und adligen Gerichten vom Stempelpapier
völlig frei sind. Prälaten und Ritterschaft ist diese Freiheit durch denselben
Umstand, daß sie als solche unter der gemeinschaftlichen Negierung standen.
Zugleich als Vorrecht ihrer Personen verblieben. Es ergiebt sich hieraus sofort,
daß von einer Enischädigung der Betheiligten für den Wegfall einer blos
factischen Begünstigung keine Rede sein kann, wie auch als 1726 das Stempel-
Papier auf die Grafschaft Ranzau ausgedehnt wurde, an eine Entschädigung
der ranzauer Eingesessenen nicht gedacht worden ist. Ebensowenig hat die
Ritterschaft für ihre persönliche Befreiung Anspruch auf Entschädigung, da die¬
selbe aus gleicher Veranlassung wie die der adligen Untergehörigen entspringt;
es ist ihr nur vermöge des permanenten Marasmus der Negierung glücklich
gelungen. 200 Jahre lang die Stempelsteuer lediglich von sich abzuwehren;
eine ausdrückliche specielle Pnvilegirung derselben auf Freiheit vom Stempel
fehlt, und die jetzt geltende Stempelverordnung von 1804 spricht blos vom
Hergebrachten, wobei es sein Bewenden behalten möge bis auf weitere Ver¬
fügung.

Da wir einmal bei den Finanzen sind, so möge der Leser noch einmal die
Klosterfrage zu berühren uns gestatten. Einen erheblichen Einnahmeposten
des Budgets der Herzogthümer bilden die sogenannten „stehenden Gefälle" mit
796.979 Thlr. Pr. Es sind dies Abgaben, welche von der verschiedensten Be-
Zeichnung und Art aus alter und ältester Zeit stammen, ein Theil deiselben
^"ge mit Rechten der Grundherrlichkeit zusammen und trägt daher einen doma-
malm Charakter, theils aber sind in diesen alten Abgaben auch eigentliche
Steuern enthalten. Die officielle Denkschrift, welche die Einführung der preu-
Väschen directen Steuern in den Herzogthümer» begleitete, nimmt an. daß jene


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[0435] Vilegio. sondern vielmehr auf einem jetzt grade zweihundertjährigen Schlendrian. Die Geschichte ist bezeichnend für das meerumschlungene Eldorado „berechtigter" Eigenthümlichkeiten und so mag sie hier erzählt werden. Bekanntlich wurden die Herzogthümer 1S44 unter die Söhne Friedrichs des Ersten getheilt, und diese Thei¬ lung wurde die Grundlage der dauernden Trennung zwischen dem königlichen und dem fürstlichen oder gottorfischen Antheile. Neben diesen beiden stand der sog. gemeinschaftliche Theil, aus den adligen Gütern und Klöstern gebildet, unter der Negierung beider Landesherren, des Königs und des Herzogs von Holstein-.Gottorf. Die Stempelpapierabgabe ward nun im fürstlichen Antheile durch Verordnung vom 26. November 1657 und im königlichen Antheile drei Jahre nachher eingeführt. Hierbei aber blieb es; eine gemeinschaftliche Verord¬ nung erging nicht, sondern nur die beiden privativen Verfügungen jedes Landes¬ herren für seinen Theil. Daher kommt es denn, daß die Einwohner der adligen Güter und Klosterbezirke von dem Gebrauche des Stempelpapiers befreit sind und zwar vermöge gleichsam dinglicher Befreiung dieser Gebiete, da ebenfalls Nichtprivilegirte bei den klösterlichen und adligen Gerichten vom Stempelpapier völlig frei sind. Prälaten und Ritterschaft ist diese Freiheit durch denselben Umstand, daß sie als solche unter der gemeinschaftlichen Negierung standen. Zugleich als Vorrecht ihrer Personen verblieben. Es ergiebt sich hieraus sofort, daß von einer Enischädigung der Betheiligten für den Wegfall einer blos factischen Begünstigung keine Rede sein kann, wie auch als 1726 das Stempel- Papier auf die Grafschaft Ranzau ausgedehnt wurde, an eine Entschädigung der ranzauer Eingesessenen nicht gedacht worden ist. Ebensowenig hat die Ritterschaft für ihre persönliche Befreiung Anspruch auf Entschädigung, da die¬ selbe aus gleicher Veranlassung wie die der adligen Untergehörigen entspringt; es ist ihr nur vermöge des permanenten Marasmus der Negierung glücklich gelungen. 200 Jahre lang die Stempelsteuer lediglich von sich abzuwehren; eine ausdrückliche specielle Pnvilegirung derselben auf Freiheit vom Stempel fehlt, und die jetzt geltende Stempelverordnung von 1804 spricht blos vom Hergebrachten, wobei es sein Bewenden behalten möge bis auf weitere Ver¬ fügung. Da wir einmal bei den Finanzen sind, so möge der Leser noch einmal die Klosterfrage zu berühren uns gestatten. Einen erheblichen Einnahmeposten des Budgets der Herzogthümer bilden die sogenannten „stehenden Gefälle" mit 796.979 Thlr. Pr. Es sind dies Abgaben, welche von der verschiedensten Be- Zeichnung und Art aus alter und ältester Zeit stammen, ein Theil deiselben ^"ge mit Rechten der Grundherrlichkeit zusammen und trägt daher einen doma- malm Charakter, theils aber sind in diesen alten Abgaben auch eigentliche Steuern enthalten. Die officielle Denkschrift, welche die Einführung der preu- Väschen directen Steuern in den Herzogthümer» begleitete, nimmt an. daß jene 58*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349917/435>, abgerufen am 24.08.2024.