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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band.

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Die Privilegien der Schleswig-holsteinischen Ritterschaft.

Seit wir vor vierzehn Tagen in diesen Blättern das Klosterrecht der
Schleswig-holsteinischen Ritterschaft einer Besprechung unterzogen, ist die Frage
der Klöster bereits zu einer brennenden geworden. Wie wir aus Kiel erfahren,
sind von Seiten der Prälaten und Ritterschaft Schritte geschehen, um die
bei einem Thronwechsel erforderliche Konfirmation der ritterschaftlichen Privi¬
legien durch den neuen Landesherrn auszuwirken. Von einer Bestätigung dieser
Privilegien in Bausch und Bogen, welche die frühern dänischen Könige we¬
nigstens in der Regel zu ertheilen pflegten, kann selbstverständlich diesmal keine
Rete sein, sie wird vielmehr nur mit Ausnahmen und bedingt ertheilt werden
können, wie das schon früher zu Zeiten nothwendig gewesen lst. Prälaten und
Ritterschaft erfreuen sich im Herzogthum Holstein z. B. noch immer des exi-
mirten Gerichtsstandes vor dem adligen Landgerichte, obgleich in Schleswig der
privilegirte Gerichtsstand der Ritter schon seit 1854 beseitigt ist. Das holstei¬
nische adlige Landgericht besteht aus einer adligen und einer gelehrten Bank,
jene mit vier aus der Zahl der Ritterschaft gewählten Personen, diese mit vier
Obergerichtsräthen besetzt, unter dem Vorsitze des Directors des Obergerichts;
das Landgericht versammelt sich aber nur vierteljährlich. Von dem adligen
Landgerichte nehmen natürlich auch die adligen Klosterjungfrauen Recht; diese
aber erst in zweiter Instanz, denn in erster stehen sie unter dem Cönobialgerichte
ihres Klosters, welches von den 12 ältesten adligen Klosterjungfrauen, dem Pröpste
und der Priorin gebildet wird. Glücklicherweise erkennen d>e Cönobialgerichte vor¬
nämlich nur in Civilsachen der Conventualinnen, mit der Criminaljustiz und
der peinlichen Halsgerichtsordnung, die ja noch immer in Holstein gilt, haben
die würdigen Damen gottlob nichts zu schaffen; jedoch Vergehen gegen die
Klostcrordnung ahnden sie streng, oder wenn "die Jungfrawen alles Gezänkes,
schmähens, schimpfsierens, bespottens, bereimens, Oeckelnahmengebens" oder gar
der "Thadligkeiten" sich nicht enthalten sollten. Landgericht und Cönobial¬
gerichte und ähnlicher mittelalterlicher Trödel finden aber keinen Raum in dem
Gebäude der jetzigen preußischen Justizverfassung, deren Ausdehnung auf
SchleswigHolst-in bekanntlich nahe bevorsteht, und so dürften unsere Prälaten
und Ritterschaft auf Conservirung wenigstens dieser Eigenthümlichkeiten schwerlich
bestehen.

Wichtiger als der eximirte Gerichtsstand werden aber unsern Rittern das
Klosterrecht, ferner ihre bis jetzt glücklich gerettete Freiheit vom Gebrauche des


Die Privilegien der Schleswig-holsteinischen Ritterschaft.

Seit wir vor vierzehn Tagen in diesen Blättern das Klosterrecht der
Schleswig-holsteinischen Ritterschaft einer Besprechung unterzogen, ist die Frage
der Klöster bereits zu einer brennenden geworden. Wie wir aus Kiel erfahren,
sind von Seiten der Prälaten und Ritterschaft Schritte geschehen, um die
bei einem Thronwechsel erforderliche Konfirmation der ritterschaftlichen Privi¬
legien durch den neuen Landesherrn auszuwirken. Von einer Bestätigung dieser
Privilegien in Bausch und Bogen, welche die frühern dänischen Könige we¬
nigstens in der Regel zu ertheilen pflegten, kann selbstverständlich diesmal keine
Rete sein, sie wird vielmehr nur mit Ausnahmen und bedingt ertheilt werden
können, wie das schon früher zu Zeiten nothwendig gewesen lst. Prälaten und
Ritterschaft erfreuen sich im Herzogthum Holstein z. B. noch immer des exi-
mirten Gerichtsstandes vor dem adligen Landgerichte, obgleich in Schleswig der
privilegirte Gerichtsstand der Ritter schon seit 1854 beseitigt ist. Das holstei¬
nische adlige Landgericht besteht aus einer adligen und einer gelehrten Bank,
jene mit vier aus der Zahl der Ritterschaft gewählten Personen, diese mit vier
Obergerichtsräthen besetzt, unter dem Vorsitze des Directors des Obergerichts;
das Landgericht versammelt sich aber nur vierteljährlich. Von dem adligen
Landgerichte nehmen natürlich auch die adligen Klosterjungfrauen Recht; diese
aber erst in zweiter Instanz, denn in erster stehen sie unter dem Cönobialgerichte
ihres Klosters, welches von den 12 ältesten adligen Klosterjungfrauen, dem Pröpste
und der Priorin gebildet wird. Glücklicherweise erkennen d>e Cönobialgerichte vor¬
nämlich nur in Civilsachen der Conventualinnen, mit der Criminaljustiz und
der peinlichen Halsgerichtsordnung, die ja noch immer in Holstein gilt, haben
die würdigen Damen gottlob nichts zu schaffen; jedoch Vergehen gegen die
Klostcrordnung ahnden sie streng, oder wenn „die Jungfrawen alles Gezänkes,
schmähens, schimpfsierens, bespottens, bereimens, Oeckelnahmengebens" oder gar
der „Thadligkeiten" sich nicht enthalten sollten. Landgericht und Cönobial¬
gerichte und ähnlicher mittelalterlicher Trödel finden aber keinen Raum in dem
Gebäude der jetzigen preußischen Justizverfassung, deren Ausdehnung auf
SchleswigHolst-in bekanntlich nahe bevorsteht, und so dürften unsere Prälaten
und Ritterschaft auf Conservirung wenigstens dieser Eigenthümlichkeiten schwerlich
bestehen.

Wichtiger als der eximirte Gerichtsstand werden aber unsern Rittern das
Klosterrecht, ferner ihre bis jetzt glücklich gerettete Freiheit vom Gebrauche des


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[0432] Die Privilegien der Schleswig-holsteinischen Ritterschaft. Seit wir vor vierzehn Tagen in diesen Blättern das Klosterrecht der Schleswig-holsteinischen Ritterschaft einer Besprechung unterzogen, ist die Frage der Klöster bereits zu einer brennenden geworden. Wie wir aus Kiel erfahren, sind von Seiten der Prälaten und Ritterschaft Schritte geschehen, um die bei einem Thronwechsel erforderliche Konfirmation der ritterschaftlichen Privi¬ legien durch den neuen Landesherrn auszuwirken. Von einer Bestätigung dieser Privilegien in Bausch und Bogen, welche die frühern dänischen Könige we¬ nigstens in der Regel zu ertheilen pflegten, kann selbstverständlich diesmal keine Rete sein, sie wird vielmehr nur mit Ausnahmen und bedingt ertheilt werden können, wie das schon früher zu Zeiten nothwendig gewesen lst. Prälaten und Ritterschaft erfreuen sich im Herzogthum Holstein z. B. noch immer des exi- mirten Gerichtsstandes vor dem adligen Landgerichte, obgleich in Schleswig der privilegirte Gerichtsstand der Ritter schon seit 1854 beseitigt ist. Das holstei¬ nische adlige Landgericht besteht aus einer adligen und einer gelehrten Bank, jene mit vier aus der Zahl der Ritterschaft gewählten Personen, diese mit vier Obergerichtsräthen besetzt, unter dem Vorsitze des Directors des Obergerichts; das Landgericht versammelt sich aber nur vierteljährlich. Von dem adligen Landgerichte nehmen natürlich auch die adligen Klosterjungfrauen Recht; diese aber erst in zweiter Instanz, denn in erster stehen sie unter dem Cönobialgerichte ihres Klosters, welches von den 12 ältesten adligen Klosterjungfrauen, dem Pröpste und der Priorin gebildet wird. Glücklicherweise erkennen d>e Cönobialgerichte vor¬ nämlich nur in Civilsachen der Conventualinnen, mit der Criminaljustiz und der peinlichen Halsgerichtsordnung, die ja noch immer in Holstein gilt, haben die würdigen Damen gottlob nichts zu schaffen; jedoch Vergehen gegen die Klostcrordnung ahnden sie streng, oder wenn „die Jungfrawen alles Gezänkes, schmähens, schimpfsierens, bespottens, bereimens, Oeckelnahmengebens" oder gar der „Thadligkeiten" sich nicht enthalten sollten. Landgericht und Cönobial¬ gerichte und ähnlicher mittelalterlicher Trödel finden aber keinen Raum in dem Gebäude der jetzigen preußischen Justizverfassung, deren Ausdehnung auf SchleswigHolst-in bekanntlich nahe bevorsteht, und so dürften unsere Prälaten und Ritterschaft auf Conservirung wenigstens dieser Eigenthümlichkeiten schwerlich bestehen. Wichtiger als der eximirte Gerichtsstand werden aber unsern Rittern das Klosterrecht, ferner ihre bis jetzt glücklich gerettete Freiheit vom Gebrauche des

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349917/432>, abgerufen am 28.09.2024.