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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band.

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würden. Es soll also mit einem Wort alle Concurrenz unter den Arbeitern
abgeschafft werden, fleißige und geschickte Gesellen sollen nicht mehr verdienen
dürfen, als schwerfällige und träge. Schwerlich kann man einen verderblicheren
Grundsatz in wirthschaftlichen Dingen aufstellen; es heißt das Princip des
Maximums an die Stelle des Grundgesetzes von Angebot und Nachfrage stellen,
die directe Folge ist, daß jedes Interesse des Arbeiters an der Güte seiner Ar-
beit schwindet, jede besondere Geschicklichkeit werthlos wird und aller Ehrgeiz,
vorwärts zu kommen, aufhört. Niemanden fällt in England ein, den Preis des
Brodes zu fixiren, aber der der Arbeit soll dem Steigen oder Fallen durch eine
willkürliche Festsetzung entrückt werden. Wie wäre es, wenn man dies auf andre
höhere Gewerbtreibende anwenden wollte, wie Aerzte, Advocaten, Künstler?
Auch sie haben ein Gewohnheitsrecht, manet'es dürfen sie nicht thun, wofern
sie sich nicht der Gefahr aussetzen wollen, beiß College" sich weigern mit ihnen
zu arbeiten, aber kein Mensch denkt daran, einen Rechtsanwalt zu hindern,
16 Stunden zu arbeiten, wenn seine Gesundheit es aushält oder einen doppelt
so hohe" Preis für seine Vertretung zu fordern als sein Concurrent, wenn er
ihn bekommen kann. Und was würde gar ein Künstler sagen, wenn man ihm
zumuthete. sich sein Bild nach dem Durchschnitt seiner mittelmäßigen Genossen
bezahlen zu lassen? Kein begabter Mann würde seine Kräfte an solche gemaß-
regelte Berufsarten mehr wegwerfen und dasselbe Princip gilt auch für die
mechanischeren Gewerbe; in jeder Lebenssphäre ist Wetteifer, das Streben, was
man zu thun hat, so gut als möglich zu thun und aus diese Weise vorwärts zu
kommen, das Salz des Lebens. Ein Mensch, dem seine Arbeit gleichgiltig ist.
und der nicht wünscht seine Stellung in der Welt zu verbessern, spielt eine
traurige N"lie; die erwähnten Vorschriften der Steinmetzengesellschaft wollen
diesen Grundzug der menschlichen Entwicklung auslöschen, um der Mittelmäßig¬
keit den höchstmöglichen Lohn zu sichern, welcher den Meistern abgepreßt werden
kann und diese antisocialen Lehren sollen durch die Veden der Gesellschaft durch¬
gesetzt werden.

Die Vertreter der Innungen haben allerdings ihr Verfahren zu vertheidigen
gesucht, sie sagen, jene Regeln seien nicht für die Meister, sondern für die Ar¬
beiter gemacht, erstere wollten den größten Gewinn aus ihrem Capital ziehen,
letztere aus ihrer Arbeit, sie fordern daher kurze Stunden, einen festen Lohn,
dauernde Beschäftigung für die größtmögliche Zahl und den höchsten Antheil
vom Gewinn, den sie bekommen können und hierfür ist die Genossenschaft das
geeignetste Mittel. Der geschickte Arbeiter, welcher sich den obenerwähnten
Vorschriften unterwerfe und mit Mittellohn begnüge, zeige, daß er seine persön¬
lichen Interessen denen seines Standes unterordne, beweise also eine Selbstver-
laugnung, die des höchsten Lobes werth und der des Patriotismus ebenbürtig
sei. Der Maurer, der, während er täglich 200 Steine legen könnte, sich mit


würden. Es soll also mit einem Wort alle Concurrenz unter den Arbeitern
abgeschafft werden, fleißige und geschickte Gesellen sollen nicht mehr verdienen
dürfen, als schwerfällige und träge. Schwerlich kann man einen verderblicheren
Grundsatz in wirthschaftlichen Dingen aufstellen; es heißt das Princip des
Maximums an die Stelle des Grundgesetzes von Angebot und Nachfrage stellen,
die directe Folge ist, daß jedes Interesse des Arbeiters an der Güte seiner Ar-
beit schwindet, jede besondere Geschicklichkeit werthlos wird und aller Ehrgeiz,
vorwärts zu kommen, aufhört. Niemanden fällt in England ein, den Preis des
Brodes zu fixiren, aber der der Arbeit soll dem Steigen oder Fallen durch eine
willkürliche Festsetzung entrückt werden. Wie wäre es, wenn man dies auf andre
höhere Gewerbtreibende anwenden wollte, wie Aerzte, Advocaten, Künstler?
Auch sie haben ein Gewohnheitsrecht, manet'es dürfen sie nicht thun, wofern
sie sich nicht der Gefahr aussetzen wollen, beiß College» sich weigern mit ihnen
zu arbeiten, aber kein Mensch denkt daran, einen Rechtsanwalt zu hindern,
16 Stunden zu arbeiten, wenn seine Gesundheit es aushält oder einen doppelt
so hohe« Preis für seine Vertretung zu fordern als sein Concurrent, wenn er
ihn bekommen kann. Und was würde gar ein Künstler sagen, wenn man ihm
zumuthete. sich sein Bild nach dem Durchschnitt seiner mittelmäßigen Genossen
bezahlen zu lassen? Kein begabter Mann würde seine Kräfte an solche gemaß-
regelte Berufsarten mehr wegwerfen und dasselbe Princip gilt auch für die
mechanischeren Gewerbe; in jeder Lebenssphäre ist Wetteifer, das Streben, was
man zu thun hat, so gut als möglich zu thun und aus diese Weise vorwärts zu
kommen, das Salz des Lebens. Ein Mensch, dem seine Arbeit gleichgiltig ist.
und der nicht wünscht seine Stellung in der Welt zu verbessern, spielt eine
traurige N«lie; die erwähnten Vorschriften der Steinmetzengesellschaft wollen
diesen Grundzug der menschlichen Entwicklung auslöschen, um der Mittelmäßig¬
keit den höchstmöglichen Lohn zu sichern, welcher den Meistern abgepreßt werden
kann und diese antisocialen Lehren sollen durch die Veden der Gesellschaft durch¬
gesetzt werden.

Die Vertreter der Innungen haben allerdings ihr Verfahren zu vertheidigen
gesucht, sie sagen, jene Regeln seien nicht für die Meister, sondern für die Ar¬
beiter gemacht, erstere wollten den größten Gewinn aus ihrem Capital ziehen,
letztere aus ihrer Arbeit, sie fordern daher kurze Stunden, einen festen Lohn,
dauernde Beschäftigung für die größtmögliche Zahl und den höchsten Antheil
vom Gewinn, den sie bekommen können und hierfür ist die Genossenschaft das
geeignetste Mittel. Der geschickte Arbeiter, welcher sich den obenerwähnten
Vorschriften unterwerfe und mit Mittellohn begnüge, zeige, daß er seine persön¬
lichen Interessen denen seines Standes unterordne, beweise also eine Selbstver-
laugnung, die des höchsten Lobes werth und der des Patriotismus ebenbürtig
sei. Der Maurer, der, während er täglich 200 Steine legen könnte, sich mit


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349917/428>, abgerufen am 24.08.2024.