Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band.unionisten von entscheidenden Einfluß werden; da die Macht der Union also Das leitende Princip für diese Gesellschaften nämlich ist jetzt, daß alle 54*
unionisten von entscheidenden Einfluß werden; da die Macht der Union also Das leitende Princip für diese Gesellschaften nämlich ist jetzt, daß alle 54*
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0427" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/191121"/> <p xml:id="ID_1424" prev="#ID_1423"> unionisten von entscheidenden Einfluß werden; da die Macht der Union also<lb/> wesentlich auf ihrer Ausdehnung beruht, erklärt es sich, weshalb ihre Mitglieder<lb/> die Draußenstehenden mit sehr ungünstigem Auge betrachten, und durch alle Mittel<lb/> jun Beitritt zu nöthigen suchen, eventuell aber verfolgen. Letzteres verbietet nun<lb/> zwar das Gesetz, welches mit drei Monaten Gefängniß den Arbeiter bedroht, „der sich<lb/> gegen Meister oder Mitarbeiter einer Gewaltsamkeit, betreffe sie Personen oder<lb/> Eigenthum, oder der Drohung, Einschüchterung, Beschwerung oder Hinderung<lb/> schuldig macht." Aber es giebt begreiflich viele Mittel, welche nicht direct<lb/> gegen diese gesetzlichen Verbote verstoßen und sich doch sehr wirksam erweisen<lb/> Arbeiter wie Meister einzuschüchtern. Erstere werden, wenn sie widerstehen, in<lb/> Bann gethan, wenn sie in ein Wirthshaus eintreten, erheben sich die anwesen¬<lb/> den Unionisten, speien aus und verlassen das Local oder die Wirthe verweigern<lb/> ihnen Getränke zu verabreichen u. s. w. An die Meister oder noch öfter an<lb/> ihre Frauen werden anonyme Briefe gerichtet, die geheimnißvoll drohen, mehre<lb/> solcher sind kürzlich veröffentlicht. Dies ist offenbar ein Mißbrauch der Ver-<lb/> einsfrcihcit, die nicht dahin ausarten darf, andern ihre Freiheit zu verkümmern,<lb/> aber die gegenwärtigen Untersuchungen der Commission haben andere und<lb/> schwerere Mißbräuche der Genossenschaften ans Licht gebracht, denen der Staat<lb/> kaum ruhig zusehen können wird, weil sie ebenso gegen Grundgesetze der National,<lb/> ökonomie verstoßen, als den Interessen der intelligenten Arbeiter zuwiderlaufen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1425" next="#ID_1426"> Das leitende Princip für diese Gesellschaften nämlich ist jetzt, daß alle<lb/> Arbeiter gleich bezahlt werden sollen und keiner mehr arbeiten darf, als was „der<lb/> Durchschnitt" (avergM) genannt wird. Dieser Durchschnitt ist ein Minimum<lb/> von Arbeit, das willkürlich durch die Genossenschaft als das. was ein gewöhn-<lb/> licher Arbeiter ohne Anstrengung fertig bringen kann, sixirt wird. Der Secretär<lb/> der Steinmetzengesellschaft antwortete auf die Frage Noebucks „Sie würden<lb/> also den bessern Arbeiter bestrafen, wenn er mehr oder dasselbe in kürzerer Zeit<lb/> vollendet, als ein anderer?" bejahend und fügte hinzu, daß wenn ein solcher<lb/> seine Strafe nicht bezahlen wolle, er von der Innung ausgeschlossen werde und<lb/> Mitglieder derselben nicht mehr mit ihm arbeiten würden. Auf die Frage eines<lb/> andern Mitgliedes der Commission „Wenn nun der Meister sagte, dies ist ein<lb/> besonders brauchbarer und guter Arbeiter, deshalb werde ich ihn beschäftigen,<lb/> obwohl er von der Innung ausgeschlossen ist, würden dann die Unionisten die<lb/> Arbeit niederlegen, bis jener Mann entlassen wäre?" war die Antwort. „Ja,<lb/> das würden sie thun, soweit der Mann im Spiele ist." Die Gesetze der Union schrei¬<lb/> ben vor „nicht weniger Zeit zu brauchen, als ein mittelguter Steinmetz in der Aus¬<lb/> führung der betreffenden Arbeit nöthig hat." Ein Mann wird also nicht blos verhin¬<lb/> dertmehr zu thun als Andre, sondern darf auch nicht das, was er thut, schneller fertig<lb/> dringen. Aus demselben Gesichtspunkt ist auch alle Stückarbeit untersagt, da dabei<lb/> die weniger geschickten Leute gegen ihnen überlegene Arbeiter zu kurz kommen</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> 54*</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0427]
unionisten von entscheidenden Einfluß werden; da die Macht der Union also
wesentlich auf ihrer Ausdehnung beruht, erklärt es sich, weshalb ihre Mitglieder
die Draußenstehenden mit sehr ungünstigem Auge betrachten, und durch alle Mittel
jun Beitritt zu nöthigen suchen, eventuell aber verfolgen. Letzteres verbietet nun
zwar das Gesetz, welches mit drei Monaten Gefängniß den Arbeiter bedroht, „der sich
gegen Meister oder Mitarbeiter einer Gewaltsamkeit, betreffe sie Personen oder
Eigenthum, oder der Drohung, Einschüchterung, Beschwerung oder Hinderung
schuldig macht." Aber es giebt begreiflich viele Mittel, welche nicht direct
gegen diese gesetzlichen Verbote verstoßen und sich doch sehr wirksam erweisen
Arbeiter wie Meister einzuschüchtern. Erstere werden, wenn sie widerstehen, in
Bann gethan, wenn sie in ein Wirthshaus eintreten, erheben sich die anwesen¬
den Unionisten, speien aus und verlassen das Local oder die Wirthe verweigern
ihnen Getränke zu verabreichen u. s. w. An die Meister oder noch öfter an
ihre Frauen werden anonyme Briefe gerichtet, die geheimnißvoll drohen, mehre
solcher sind kürzlich veröffentlicht. Dies ist offenbar ein Mißbrauch der Ver-
einsfrcihcit, die nicht dahin ausarten darf, andern ihre Freiheit zu verkümmern,
aber die gegenwärtigen Untersuchungen der Commission haben andere und
schwerere Mißbräuche der Genossenschaften ans Licht gebracht, denen der Staat
kaum ruhig zusehen können wird, weil sie ebenso gegen Grundgesetze der National,
ökonomie verstoßen, als den Interessen der intelligenten Arbeiter zuwiderlaufen.
Das leitende Princip für diese Gesellschaften nämlich ist jetzt, daß alle
Arbeiter gleich bezahlt werden sollen und keiner mehr arbeiten darf, als was „der
Durchschnitt" (avergM) genannt wird. Dieser Durchschnitt ist ein Minimum
von Arbeit, das willkürlich durch die Genossenschaft als das. was ein gewöhn-
licher Arbeiter ohne Anstrengung fertig bringen kann, sixirt wird. Der Secretär
der Steinmetzengesellschaft antwortete auf die Frage Noebucks „Sie würden
also den bessern Arbeiter bestrafen, wenn er mehr oder dasselbe in kürzerer Zeit
vollendet, als ein anderer?" bejahend und fügte hinzu, daß wenn ein solcher
seine Strafe nicht bezahlen wolle, er von der Innung ausgeschlossen werde und
Mitglieder derselben nicht mehr mit ihm arbeiten würden. Auf die Frage eines
andern Mitgliedes der Commission „Wenn nun der Meister sagte, dies ist ein
besonders brauchbarer und guter Arbeiter, deshalb werde ich ihn beschäftigen,
obwohl er von der Innung ausgeschlossen ist, würden dann die Unionisten die
Arbeit niederlegen, bis jener Mann entlassen wäre?" war die Antwort. „Ja,
das würden sie thun, soweit der Mann im Spiele ist." Die Gesetze der Union schrei¬
ben vor „nicht weniger Zeit zu brauchen, als ein mittelguter Steinmetz in der Aus¬
führung der betreffenden Arbeit nöthig hat." Ein Mann wird also nicht blos verhin¬
dertmehr zu thun als Andre, sondern darf auch nicht das, was er thut, schneller fertig
dringen. Aus demselben Gesichtspunkt ist auch alle Stückarbeit untersagt, da dabei
die weniger geschickten Leute gegen ihnen überlegene Arbeiter zu kurz kommen
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