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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band.

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Paris und der Main.

IHM Reize froh bewußt, empfängt Aspasia-Paris strahlend den Besuch der
Fürsten und Völker Europas, und Perikles-Napoleon ist beflissen, als Hausherr
de" gekrönten Häuptern die Schönheit seiner Freundin werth zu machen. --
Wir wollen uns hüten, die Bedeutung dieser vornehmen Besuche in der Haupt¬
stadt Frankreichs zu unterschätzen. Noch immer wird bei uns die Politik weit
mehr, als das Volk meint, durch die persönlichen Stimmungen geformt, welche
die Herrscher gegen einander hegen. Unter den fein ausgebildeten Formen höfi¬
scher Artigkeit gestaltet sich häufig auch ein näheres menschliches Verhältniß.
Verständniß des Andern. Vertrauen zu Tüchtigkeit und Charakter; freilich wird
zuweilen auch der innere Gegensatz schärfer trop gegenseitiger Liebenswürdigkeit
im Verkehr, welche aus langjähriger Uebung und lebhaftem Bedürfniß zu ge¬
fallen hervorgeht. Wenn eine Artigkeit, Brief oder Geschenk, welche ein Sou¬
verän dem andern sendet, immerhin durch einige Wochen freundlich gesteigerte
Temperatur unterhält, und ein wohlthuender Besuch durch einige Monate den
Politischen Beziehungen eine milde Wärme zutheilt, warum soll nicht so gro߬
artiges Frühlingsfest im friedliebenden Frankreich bis über den nächsten Winter
seine besänftigender Nachwirkungen üben? Es ist ohne Zweifel für den Kaiser
von Frankreich ein wirklicher Vortheil, als Wirth die großen Fürsten unseres
Continents zuvorkommend aufzunehmen, und wenn ihm die Last dieser Besuche
einmal allzuschwer wird, er weiß, daß sie ein kluges Mittel sind, sein Regiment
in Frankreich zu befestigen und für seine politischen Auffassungen bei den leiten¬
den Politikern Europas eine gewisse Propaganda zu machen.

Als der Erste unter den Großmächten des Auslandes nahm der Kaiser von
Rußland die ganze Fülle von Aufmerksamkeit in Anspruch, welche ein glänzender
Hofhalt zu gewähren vermag. Als der Zweite folgt König Wilhelm von Preußen.
Man wird ohne Zweifel beflissen sein, ihm nicht weniger officielle Ehren zu
erweisen und Licht und Sonne zwischen den beiden großen Fürsten der euro-


Grenjbottn U. 1LV7. ö2
Paris und der Main.

IHM Reize froh bewußt, empfängt Aspasia-Paris strahlend den Besuch der
Fürsten und Völker Europas, und Perikles-Napoleon ist beflissen, als Hausherr
de» gekrönten Häuptern die Schönheit seiner Freundin werth zu machen. —
Wir wollen uns hüten, die Bedeutung dieser vornehmen Besuche in der Haupt¬
stadt Frankreichs zu unterschätzen. Noch immer wird bei uns die Politik weit
mehr, als das Volk meint, durch die persönlichen Stimmungen geformt, welche
die Herrscher gegen einander hegen. Unter den fein ausgebildeten Formen höfi¬
scher Artigkeit gestaltet sich häufig auch ein näheres menschliches Verhältniß.
Verständniß des Andern. Vertrauen zu Tüchtigkeit und Charakter; freilich wird
zuweilen auch der innere Gegensatz schärfer trop gegenseitiger Liebenswürdigkeit
im Verkehr, welche aus langjähriger Uebung und lebhaftem Bedürfniß zu ge¬
fallen hervorgeht. Wenn eine Artigkeit, Brief oder Geschenk, welche ein Sou¬
verän dem andern sendet, immerhin durch einige Wochen freundlich gesteigerte
Temperatur unterhält, und ein wohlthuender Besuch durch einige Monate den
Politischen Beziehungen eine milde Wärme zutheilt, warum soll nicht so gro߬
artiges Frühlingsfest im friedliebenden Frankreich bis über den nächsten Winter
seine besänftigender Nachwirkungen üben? Es ist ohne Zweifel für den Kaiser
von Frankreich ein wirklicher Vortheil, als Wirth die großen Fürsten unseres
Continents zuvorkommend aufzunehmen, und wenn ihm die Last dieser Besuche
einmal allzuschwer wird, er weiß, daß sie ein kluges Mittel sind, sein Regiment
in Frankreich zu befestigen und für seine politischen Auffassungen bei den leiten¬
den Politikern Europas eine gewisse Propaganda zu machen.

Als der Erste unter den Großmächten des Auslandes nahm der Kaiser von
Rußland die ganze Fülle von Aufmerksamkeit in Anspruch, welche ein glänzender
Hofhalt zu gewähren vermag. Als der Zweite folgt König Wilhelm von Preußen.
Man wird ohne Zweifel beflissen sein, ihm nicht weniger officielle Ehren zu
erweisen und Licht und Sonne zwischen den beiden großen Fürsten der euro-


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[0409] Paris und der Main. IHM Reize froh bewußt, empfängt Aspasia-Paris strahlend den Besuch der Fürsten und Völker Europas, und Perikles-Napoleon ist beflissen, als Hausherr de» gekrönten Häuptern die Schönheit seiner Freundin werth zu machen. — Wir wollen uns hüten, die Bedeutung dieser vornehmen Besuche in der Haupt¬ stadt Frankreichs zu unterschätzen. Noch immer wird bei uns die Politik weit mehr, als das Volk meint, durch die persönlichen Stimmungen geformt, welche die Herrscher gegen einander hegen. Unter den fein ausgebildeten Formen höfi¬ scher Artigkeit gestaltet sich häufig auch ein näheres menschliches Verhältniß. Verständniß des Andern. Vertrauen zu Tüchtigkeit und Charakter; freilich wird zuweilen auch der innere Gegensatz schärfer trop gegenseitiger Liebenswürdigkeit im Verkehr, welche aus langjähriger Uebung und lebhaftem Bedürfniß zu ge¬ fallen hervorgeht. Wenn eine Artigkeit, Brief oder Geschenk, welche ein Sou¬ verän dem andern sendet, immerhin durch einige Wochen freundlich gesteigerte Temperatur unterhält, und ein wohlthuender Besuch durch einige Monate den Politischen Beziehungen eine milde Wärme zutheilt, warum soll nicht so gro߬ artiges Frühlingsfest im friedliebenden Frankreich bis über den nächsten Winter seine besänftigender Nachwirkungen üben? Es ist ohne Zweifel für den Kaiser von Frankreich ein wirklicher Vortheil, als Wirth die großen Fürsten unseres Continents zuvorkommend aufzunehmen, und wenn ihm die Last dieser Besuche einmal allzuschwer wird, er weiß, daß sie ein kluges Mittel sind, sein Regiment in Frankreich zu befestigen und für seine politischen Auffassungen bei den leiten¬ den Politikern Europas eine gewisse Propaganda zu machen. Als der Erste unter den Großmächten des Auslandes nahm der Kaiser von Rußland die ganze Fülle von Aufmerksamkeit in Anspruch, welche ein glänzender Hofhalt zu gewähren vermag. Als der Zweite folgt König Wilhelm von Preußen. Man wird ohne Zweifel beflissen sein, ihm nicht weniger officielle Ehren zu erweisen und Licht und Sonne zwischen den beiden großen Fürsten der euro- Grenjbottn U. 1LV7. ö2

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349917/409>, abgerufen am 22.07.2024.