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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band.

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netswechfel im preußischen Sinne sein, zum Eintritt bereit war; ein Mann der
vollendeten Thatsachen, der sich in die veränderten Umstände zu schicken weiß
und bei der Annäherung der Ministerkrisis sich rasch dadurch möglich zu machen
wußte, daß er die conservative Partei der Residenzstadt, die seinen Winken ge¬
horcht, zu einer Demonstration für den Anschluß an Preußen veranlaßte.

Gleich bedeutsam wie der Rücktritt des Hrn. v. Neurath war der des
Kriegsministers v. Hardegg. Ihm mußte man in erster Linie die militärischen
Versäumnisse zuschreiben. Aus seinem Cabinet war noch vor kurzem der Ent¬
wurf einer Heeresverfassung nach schweizerischem Muster, mit viermonatlicher
Präsenz, hervorgegangen; er hatte die Schwärmerei des Herrn v. Golther für
das Jugendwehrwesen unterstützt. Nach den gründlichsten Schießversuchen hatte
er immer noch nicht die der schwäbischen Stammeseigenthümlichkeit völlig ent¬
sprechende Schießwaffe auffinden können. Er hatte früher geäußert, er werde,
wenn der Anschluß an das preußische System durchgeführt würde, nicht auf
seinem Posten bleiben. Nun wartete er aber doch, bis der König, den die
unerwartete Schilderung der wirklichen Lage plötzlich entrüstete, ihm die Ent¬
lassung in auffallend ungnädiger Weise ertheilte. An seine Stelle trat der
Oberst Wagner, bisher wenig genannt, doch im Rufe, einer unserer tüchtigsten
Generalstabsosfiziere und dem preußischen Wehrsystem zugeneigt zu sein. Und
wirklich kam nun ein frischerer Zug in das Hotel am Charlottenplatz. Eben
in letzter Stunde hatte man sich noch wenigstens für irgendeinen Hinterlader
entschieden und nach allen Seiten Aufträge zu schleunigster Ausführung ertheilt.
Allein die Umwandlung belief sich unerwartet hoch, ohne doch zur gewünschten
Zeit fertig werden zu können. Das Publikum war überzeugt, daß man mit
dem Gewehr Albini-Bramble eine ganz vortreffliche Wahl getroffen habe,
schüttelte aber gleichwohl den Kopf dazu, daß unser Contingent mit einer abson¬
derlichen Waffe (wie trefflich immer) versehen werden sollte und solche Erwägung
blieb auch dem neuen Kriegsminister nicht fremd. Man entschloß sich zu
dem großen Opfer, doch zu der unvermeidlichen preußischen Zündnadel sich zu
bequemen, nur sollte wenigstens das bisherige Kaliber beibehalten und so noch
ein Stück Eigenthümlichkeit gerettet werden. Und selbst dieses letzte Opfer war
man nach kurzer Zeit zu bringen bereit, ja man resignirte sich endlich so ver¬
nünftig zu sein, wie man in Baden gleich anfangs gewesen war, und sich von
Preußen eine hinreichende Anzahl Zündnadelgewehre auszubitten und mit ihnen
die Mannschaften einzuüben, so lange die eigenen Gewehre nicht umgewandelt.
In der Formation waren schon früher Annäherungen an das preußische System
erfolgt. Das preußische Dienst- und Exercierreglement sollte wenigstens durch
eine Commission geprüft, und wie man sich ausdrückte, den würtembergischen
Verhältnissen angepaßt werden. Die Sendung der preußischen Generale an die
südlichen Höfe, die in diesen Tagen erfolgte, dürste man als eine Gewähr be-


netswechfel im preußischen Sinne sein, zum Eintritt bereit war; ein Mann der
vollendeten Thatsachen, der sich in die veränderten Umstände zu schicken weiß
und bei der Annäherung der Ministerkrisis sich rasch dadurch möglich zu machen
wußte, daß er die conservative Partei der Residenzstadt, die seinen Winken ge¬
horcht, zu einer Demonstration für den Anschluß an Preußen veranlaßte.

Gleich bedeutsam wie der Rücktritt des Hrn. v. Neurath war der des
Kriegsministers v. Hardegg. Ihm mußte man in erster Linie die militärischen
Versäumnisse zuschreiben. Aus seinem Cabinet war noch vor kurzem der Ent¬
wurf einer Heeresverfassung nach schweizerischem Muster, mit viermonatlicher
Präsenz, hervorgegangen; er hatte die Schwärmerei des Herrn v. Golther für
das Jugendwehrwesen unterstützt. Nach den gründlichsten Schießversuchen hatte
er immer noch nicht die der schwäbischen Stammeseigenthümlichkeit völlig ent¬
sprechende Schießwaffe auffinden können. Er hatte früher geäußert, er werde,
wenn der Anschluß an das preußische System durchgeführt würde, nicht auf
seinem Posten bleiben. Nun wartete er aber doch, bis der König, den die
unerwartete Schilderung der wirklichen Lage plötzlich entrüstete, ihm die Ent¬
lassung in auffallend ungnädiger Weise ertheilte. An seine Stelle trat der
Oberst Wagner, bisher wenig genannt, doch im Rufe, einer unserer tüchtigsten
Generalstabsosfiziere und dem preußischen Wehrsystem zugeneigt zu sein. Und
wirklich kam nun ein frischerer Zug in das Hotel am Charlottenplatz. Eben
in letzter Stunde hatte man sich noch wenigstens für irgendeinen Hinterlader
entschieden und nach allen Seiten Aufträge zu schleunigster Ausführung ertheilt.
Allein die Umwandlung belief sich unerwartet hoch, ohne doch zur gewünschten
Zeit fertig werden zu können. Das Publikum war überzeugt, daß man mit
dem Gewehr Albini-Bramble eine ganz vortreffliche Wahl getroffen habe,
schüttelte aber gleichwohl den Kopf dazu, daß unser Contingent mit einer abson¬
derlichen Waffe (wie trefflich immer) versehen werden sollte und solche Erwägung
blieb auch dem neuen Kriegsminister nicht fremd. Man entschloß sich zu
dem großen Opfer, doch zu der unvermeidlichen preußischen Zündnadel sich zu
bequemen, nur sollte wenigstens das bisherige Kaliber beibehalten und so noch
ein Stück Eigenthümlichkeit gerettet werden. Und selbst dieses letzte Opfer war
man nach kurzer Zeit zu bringen bereit, ja man resignirte sich endlich so ver¬
nünftig zu sein, wie man in Baden gleich anfangs gewesen war, und sich von
Preußen eine hinreichende Anzahl Zündnadelgewehre auszubitten und mit ihnen
die Mannschaften einzuüben, so lange die eigenen Gewehre nicht umgewandelt.
In der Formation waren schon früher Annäherungen an das preußische System
erfolgt. Das preußische Dienst- und Exercierreglement sollte wenigstens durch
eine Commission geprüft, und wie man sich ausdrückte, den würtembergischen
Verhältnissen angepaßt werden. Die Sendung der preußischen Generale an die
südlichen Höfe, die in diesen Tagen erfolgte, dürste man als eine Gewähr be-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349917/402>, abgerufen am 24.08.2024.