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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band.

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"Ich bleibe beim herzoglich." meint die Mutter, "dann brauche ich nicht wieder
umzulernen. Man merkt, daß Du lieber Romane liest, als Zeitungen. Wenn
Du meinem Beispiele folgen und jeden Abend die "Neue Mittelrheinische
Zeitung" lesen wolltest, dann wüßtest Du, was in der Welt vorgeht. Sie ist
in ihrer Art noch schöner als die "herzoglich nassauische Landcszeitung", die
doch etwas zu plump war. Sie ist ebenso loyal, wie jene war, und dabei
Viel feiner!"

"Loyal?" flötet die Tochter, "sie kokettirt ja mit den Republikanern und
lobt zuweilen sogar den preußischen Regierungspräsidenten oder Civilcommissär
-- ich weiß nicht, wie man ihn nennt -- mit einer wahrhaft speichelleckerischen
Devotion."

"Flausen, mein Kind, nichts als Flausen," tröstet die Mutter, "die Republi-
kaner sind im Augenblick unsere besten Freunde; sie hassen den Preuß' bis auf
das Blut, wie wir. Haben wir aber mit ihrer und der rothen Hosen Hilfe
den Preuß' geworfen, dann wollen wir mit den tölpelhaften zudringlichen Schwär¬
mern schon fertig werden. Dann heißt es: Vogel friß oder stirb. Entweder
nimm eine Stelle und duck' Dich, oder Du wirst eingesteckt, wenn Du Dich
mucksest. Ja. es ist wahr, mir thut es auch weh, die Neue Mittelrheinische
Zeitung, die so wacker gegen den Preuß' und für die herzoglichen Hosjagden
und die Domänen, für die Staaisdicner und deren Neunten. für den Dienstadel
und den Klerus ficht, zuweilen den Menschen, den sogenannten Civilcommissär
da, loben zu hören; allein was ist da zu wollen? Ich denke mir, dadurch er¬
kauft sie sich die Freiheit, im Uebrigen desto tüchtiger drauf los zu schlagen.
Die preußischen Behörden und Beamten darf sie nicht schimpfen. Sonst giebt's
gefährliche Preßprocesse. Statt dessen sucht sie sich dann einen solchen National-
Vcreins- oder Parlameyts-Helden, wie den B., dieses Ungeheuer, das Gott ver¬
damme, heraus und verarbeitet ihn tagtäglich aus dem ff. Wir verstehen ja
doch, wie's gemeint ist; -- auf den Sack schlägt man, und der Esel ist ge¬
meint; und damit's dem gemeinen Manne schmeckt, muß ein Bischen demo¬
kratische Sauce dran. Wie dürfen aber wir daran Anstoß nehmen, wenn unser
allergnädigster Herr es nicht thut und sich das Blatt ein so schönes Stück Geld
kosten läßt. Es ist sein einziger Trost im Exil, das gewiß bald endigt. Aber
an Geld fehlt's nicht. Denn noch kürzlich hat der Herzog seinen deutschen Be¬
reiter fortgeschickt und sich dafür einen englischen genommen, der grade noch
einmal so viel kostet; und den hat er nach England geschickt, um ihm ein
Dutzend der feinsten englischen Na^epferde zu kaufen, die bei allen Rennen
concurriren sollen. Einen andern Bereiter hat er nach Ungarn geschickt, um
einen ganzen Stall voll Junker zu kaufen. Das freilich gefällt mir, als einer
Posthalterstochter, gar nicht. In meiner Jugend sagte man: "Wie das Ge-
scherr (Geschirr), so ist der Herr", und die Junker, diese kleinen ungarischen


„Ich bleibe beim herzoglich." meint die Mutter, „dann brauche ich nicht wieder
umzulernen. Man merkt, daß Du lieber Romane liest, als Zeitungen. Wenn
Du meinem Beispiele folgen und jeden Abend die „Neue Mittelrheinische
Zeitung" lesen wolltest, dann wüßtest Du, was in der Welt vorgeht. Sie ist
in ihrer Art noch schöner als die „herzoglich nassauische Landcszeitung", die
doch etwas zu plump war. Sie ist ebenso loyal, wie jene war, und dabei
Viel feiner!"

„Loyal?" flötet die Tochter, „sie kokettirt ja mit den Republikanern und
lobt zuweilen sogar den preußischen Regierungspräsidenten oder Civilcommissär
— ich weiß nicht, wie man ihn nennt — mit einer wahrhaft speichelleckerischen
Devotion."

„Flausen, mein Kind, nichts als Flausen," tröstet die Mutter, „die Republi-
kaner sind im Augenblick unsere besten Freunde; sie hassen den Preuß' bis auf
das Blut, wie wir. Haben wir aber mit ihrer und der rothen Hosen Hilfe
den Preuß' geworfen, dann wollen wir mit den tölpelhaften zudringlichen Schwär¬
mern schon fertig werden. Dann heißt es: Vogel friß oder stirb. Entweder
nimm eine Stelle und duck' Dich, oder Du wirst eingesteckt, wenn Du Dich
mucksest. Ja. es ist wahr, mir thut es auch weh, die Neue Mittelrheinische
Zeitung, die so wacker gegen den Preuß' und für die herzoglichen Hosjagden
und die Domänen, für die Staaisdicner und deren Neunten. für den Dienstadel
und den Klerus ficht, zuweilen den Menschen, den sogenannten Civilcommissär
da, loben zu hören; allein was ist da zu wollen? Ich denke mir, dadurch er¬
kauft sie sich die Freiheit, im Uebrigen desto tüchtiger drauf los zu schlagen.
Die preußischen Behörden und Beamten darf sie nicht schimpfen. Sonst giebt's
gefährliche Preßprocesse. Statt dessen sucht sie sich dann einen solchen National-
Vcreins- oder Parlameyts-Helden, wie den B., dieses Ungeheuer, das Gott ver¬
damme, heraus und verarbeitet ihn tagtäglich aus dem ff. Wir verstehen ja
doch, wie's gemeint ist; — auf den Sack schlägt man, und der Esel ist ge¬
meint; und damit's dem gemeinen Manne schmeckt, muß ein Bischen demo¬
kratische Sauce dran. Wie dürfen aber wir daran Anstoß nehmen, wenn unser
allergnädigster Herr es nicht thut und sich das Blatt ein so schönes Stück Geld
kosten läßt. Es ist sein einziger Trost im Exil, das gewiß bald endigt. Aber
an Geld fehlt's nicht. Denn noch kürzlich hat der Herzog seinen deutschen Be¬
reiter fortgeschickt und sich dafür einen englischen genommen, der grade noch
einmal so viel kostet; und den hat er nach England geschickt, um ihm ein
Dutzend der feinsten englischen Na^epferde zu kaufen, die bei allen Rennen
concurriren sollen. Einen andern Bereiter hat er nach Ungarn geschickt, um
einen ganzen Stall voll Junker zu kaufen. Das freilich gefällt mir, als einer
Posthalterstochter, gar nicht. In meiner Jugend sagte man: „Wie das Ge-
scherr (Geschirr), so ist der Herr", und die Junker, diese kleinen ungarischen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349917/398>, abgerufen am 22.07.2024.