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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band.

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auch noch nicht so alt, daß ich schon ans Sterben denken sollte; ich will viel¬
mehr dem Preuß' zum Trotz noch recht lange leben, daß mir der Hungerleider
zu seinem Aerger noch recht oft meine nassauische Pension auszahlen muß.
Aber was sag' ich da? Wie lang wird's denn mit dem Preuß' überhaupt noch
dauern? Die Gräfin Bella -- und die weiß alles ganz genau, denn sie hat
drei Brüder, alle drei in östreichischen Diensten, der eine ist k. k. Major, der
andere ist k. k. Kämmerer und der dritte ist k. k. Gesandter und hat im vorigen
Jahr dem Preuß' eine siegreiche Schlacht geliefert -- die gnädig' Comteß also
-- Du weißt, sie kann reiten wie ein Stallmeister und fluchen wie ein Postillon
-- die hat kürzlich zu Nittersheim zu der Frau Amtmann gesagt: "Donnerwetter,
sagte sie, jetzt ist's aber aus, sagt' sie, mit dem.....-Preuß'; der Franzos
und der Oestreicher, und der Spanier und der Italiener, und der Holländer
und der Schweizer, alle mit einander sind sie einig; mit dem Luxemburg, das
ist nur der Vorwand; wenn man an den Hund will, dann hat er Leder ge¬
fressen; Nein gemacht wird der Preuß', seinen Raub muß er wieder herausgeben
und noch die Hälfte von dem, was sein ist. dazu; und der Franzos setzt den
Herzog wieder aus seinen angestammten Thron und macht ihn zum König, wie
er ja auch Anno sechs seinen Vorfahren, der früher nur ein Graf war wie wir
auch, nur ärmer (versteh' mich recht, Minchen, so sagt die Gräfin Bella, nicht ich,
denn Gott soll mich behüten, daß ich unseres allerdurchlauchtigsten angestammten
Landesvaters Vorfahren nachsage, sie seien arm gewesen) -- zum Herzog gemacht
hat. und giebt ihm noch viel mehr Land, als er hatte, Kreuznach und Koblenz
und Neuwied und Linz, was er all dem Preuß' abnimmt, wie ja der Franzos
auch Anno sechs dem Nassauer noch einmal so viel Domänen und Land gegeben
hat, als er hatte; das ist all verbrieft und versiegelt; und der Herzog hat nach
Berlin geschrieben, er lasse sich jetzt mit dem Preuß' auf gar nichts mehr ein,
und wenn er ihm die ganze Domäne des Landes auf dem Präsentirteller
entgegentrüge, und seinen Bruder, den Prinzen Nikolaus, der sich mit dem Preuß'
zu tief eingelassen und sogar seine biebericher Garde-Schützen-Uniform mit einer
preußischen Generalsuniform vertauscht hat, -- ich hab' ihm niemals getraut,
daß er gut östreichisch wäre, sagt sie, nämlich die Gräfin Bella -- den will er
von Berlin abberufen, sagt' sie, und er soll östreichischer General werden, wie
unser Zimitski, sagt' sie, und wenn unser all ergnädigster Herr wiederkommt,
Hurrah! dann geht's los, seine Getreuen wird er belohnen" -- und dazu ge¬
hören wir zwei doch auch. Minchen, denn wir haben ja ein jedes beigesteuert
für das Weihegeschenk, für die zwei und ein halb Fuß große Göttin Nassovia,
wo die Frau Regierungsdirector Schepp mit einem Fußfall der allergnädigsten
Frau Herzogin Adelheid -- Gott segne sie -- als ein Angedenken an die treu¬
gesinnten Nassauerinnen in Rumpenheim überreicht hat; heb' mir nur die Quittung
gut auf, ich habe sie in die oberste Schieblade zu den Spielactien gelegt, sag'


auch noch nicht so alt, daß ich schon ans Sterben denken sollte; ich will viel¬
mehr dem Preuß' zum Trotz noch recht lange leben, daß mir der Hungerleider
zu seinem Aerger noch recht oft meine nassauische Pension auszahlen muß.
Aber was sag' ich da? Wie lang wird's denn mit dem Preuß' überhaupt noch
dauern? Die Gräfin Bella — und die weiß alles ganz genau, denn sie hat
drei Brüder, alle drei in östreichischen Diensten, der eine ist k. k. Major, der
andere ist k. k. Kämmerer und der dritte ist k. k. Gesandter und hat im vorigen
Jahr dem Preuß' eine siegreiche Schlacht geliefert — die gnädig' Comteß also
— Du weißt, sie kann reiten wie ein Stallmeister und fluchen wie ein Postillon
— die hat kürzlich zu Nittersheim zu der Frau Amtmann gesagt: „Donnerwetter,
sagte sie, jetzt ist's aber aus, sagt' sie, mit dem.....-Preuß'; der Franzos
und der Oestreicher, und der Spanier und der Italiener, und der Holländer
und der Schweizer, alle mit einander sind sie einig; mit dem Luxemburg, das
ist nur der Vorwand; wenn man an den Hund will, dann hat er Leder ge¬
fressen; Nein gemacht wird der Preuß', seinen Raub muß er wieder herausgeben
und noch die Hälfte von dem, was sein ist. dazu; und der Franzos setzt den
Herzog wieder aus seinen angestammten Thron und macht ihn zum König, wie
er ja auch Anno sechs seinen Vorfahren, der früher nur ein Graf war wie wir
auch, nur ärmer (versteh' mich recht, Minchen, so sagt die Gräfin Bella, nicht ich,
denn Gott soll mich behüten, daß ich unseres allerdurchlauchtigsten angestammten
Landesvaters Vorfahren nachsage, sie seien arm gewesen) — zum Herzog gemacht
hat. und giebt ihm noch viel mehr Land, als er hatte, Kreuznach und Koblenz
und Neuwied und Linz, was er all dem Preuß' abnimmt, wie ja der Franzos
auch Anno sechs dem Nassauer noch einmal so viel Domänen und Land gegeben
hat, als er hatte; das ist all verbrieft und versiegelt; und der Herzog hat nach
Berlin geschrieben, er lasse sich jetzt mit dem Preuß' auf gar nichts mehr ein,
und wenn er ihm die ganze Domäne des Landes auf dem Präsentirteller
entgegentrüge, und seinen Bruder, den Prinzen Nikolaus, der sich mit dem Preuß'
zu tief eingelassen und sogar seine biebericher Garde-Schützen-Uniform mit einer
preußischen Generalsuniform vertauscht hat, — ich hab' ihm niemals getraut,
daß er gut östreichisch wäre, sagt sie, nämlich die Gräfin Bella — den will er
von Berlin abberufen, sagt' sie, und er soll östreichischer General werden, wie
unser Zimitski, sagt' sie, und wenn unser all ergnädigster Herr wiederkommt,
Hurrah! dann geht's los, seine Getreuen wird er belohnen" — und dazu ge¬
hören wir zwei doch auch. Minchen, denn wir haben ja ein jedes beigesteuert
für das Weihegeschenk, für die zwei und ein halb Fuß große Göttin Nassovia,
wo die Frau Regierungsdirector Schepp mit einem Fußfall der allergnädigsten
Frau Herzogin Adelheid — Gott segne sie — als ein Angedenken an die treu¬
gesinnten Nassauerinnen in Rumpenheim überreicht hat; heb' mir nur die Quittung
gut auf, ich habe sie in die oberste Schieblade zu den Spielactien gelegt, sag'


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349917/394>, abgerufen am 24.08.2024.