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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band.

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vornehmlich der Betrachtung des kirchlichen und religiösen Lebens in Frankreich
gewidmet hat. Wir Heden aus seinen verschiedenen UrMtations über Christen¬
thum und Kirche hervor die kürzlich erschienenen


U6an,g.lion8 sur l'etat aetuöl ac ig, religion cor6tierms. (?g.ris, ^vzs;
I^öiML, LroelcKaus.)

Er bespricht hier, wie in den Memoiren zumeist die Zustände Frankreichs,
wie sie sich unter seinem Ministerium entwickelt, und giebt damit indirect eine
Lobrede auf sich selbst, indem er als "Krönung des Gebäudes" die Freiheit
des Unterrichts aufweist, die allerdings Frankreich wesentlich ihm zu danken
hat. Am besten gelungen erscheint uns die erste Partie des Buches, in der
Guizot mit der Überlegenheit eines über den Parteien stehenden Staatsmannes
die neue Blüthe des Katholicismus, wie sie nach mancherlei Schwankungen und
Kämpfen in Frankreich sich entfaltet, zu schildern weiß. In dem folgenden
Abschnitt, der die Neubelebung des französischen Protestantismus darstellt, sind
wir öfter an Rankes französische Geschichte gemahnt worden, die uns freilich
immer eine wohlgerundete Darstellung der Regicrungssysteme und Organisationen,
nicht aber das Volksleben in seinem inneren Getriebe, namentlich nicht in seinen
physischen und moralischen Nothständen zu zeichnen vermag. So sind auch von
Guizot über die äußerliche Blüthe, welche er den Zuständen des Protestantismus
besonders in der Schweiz nachrühmt, vielfach die Schattenseiten vergessen worden,
jedoch die Gewaltacte, die man zur Aufrechterhaltung einer äußeren kirchlichen
Einigung aufgeboten, die Palliative, zu denen man gegriffen, um dem Vor¬
dringen der neueren Kritik Schranken zu setzen, erscheinen bereits in Guizots
Buche als unzulänglich und hinfällig, und wenn wir Döllinger. der uns bereits
vor einigen Jahren die Nachtseiten des französischen Protestantismus grell
markirt hat, nicht in vollem Umfange glauben möchten, so zeigt doch der
Martin-Paschoudsche Handel (vgl. Augsb. Mg. Ztg. Ur. 38. Beilage) wie wenig
der von Guizot gerühmte Geist der Mäßigung und Harmonie im Schoße der
französischen reformirten Kirche waltet. -- Im zweiten Theil des Buches hat
Guizot unternommen, die Hauptrichtungen der französischen Denkweise in ihrem
Verhältniß zum Christenthum zu charakterisiren, respective zu bekämpfen. Seine
hier entfalteten Kenntnisse sind weder tief noch ausgedehnt; seine Bemerkungen
sind eben das Urtheil eines edel geschulten bon Seps; aber als solches durch
und durch gesund und werden in der geistreichen und würdigen Form, in der
sie hier auftreten, in der großen Gesellschaft mehr Wirten als Katbedcrvortrcige
d, und Predigten.




vornehmlich der Betrachtung des kirchlichen und religiösen Lebens in Frankreich
gewidmet hat. Wir Heden aus seinen verschiedenen UrMtations über Christen¬
thum und Kirche hervor die kürzlich erschienenen


U6an,g.lion8 sur l'etat aetuöl ac ig, religion cor6tierms. (?g.ris, ^vzs;
I^öiML, LroelcKaus.)

Er bespricht hier, wie in den Memoiren zumeist die Zustände Frankreichs,
wie sie sich unter seinem Ministerium entwickelt, und giebt damit indirect eine
Lobrede auf sich selbst, indem er als „Krönung des Gebäudes" die Freiheit
des Unterrichts aufweist, die allerdings Frankreich wesentlich ihm zu danken
hat. Am besten gelungen erscheint uns die erste Partie des Buches, in der
Guizot mit der Überlegenheit eines über den Parteien stehenden Staatsmannes
die neue Blüthe des Katholicismus, wie sie nach mancherlei Schwankungen und
Kämpfen in Frankreich sich entfaltet, zu schildern weiß. In dem folgenden
Abschnitt, der die Neubelebung des französischen Protestantismus darstellt, sind
wir öfter an Rankes französische Geschichte gemahnt worden, die uns freilich
immer eine wohlgerundete Darstellung der Regicrungssysteme und Organisationen,
nicht aber das Volksleben in seinem inneren Getriebe, namentlich nicht in seinen
physischen und moralischen Nothständen zu zeichnen vermag. So sind auch von
Guizot über die äußerliche Blüthe, welche er den Zuständen des Protestantismus
besonders in der Schweiz nachrühmt, vielfach die Schattenseiten vergessen worden,
jedoch die Gewaltacte, die man zur Aufrechterhaltung einer äußeren kirchlichen
Einigung aufgeboten, die Palliative, zu denen man gegriffen, um dem Vor¬
dringen der neueren Kritik Schranken zu setzen, erscheinen bereits in Guizots
Buche als unzulänglich und hinfällig, und wenn wir Döllinger. der uns bereits
vor einigen Jahren die Nachtseiten des französischen Protestantismus grell
markirt hat, nicht in vollem Umfange glauben möchten, so zeigt doch der
Martin-Paschoudsche Handel (vgl. Augsb. Mg. Ztg. Ur. 38. Beilage) wie wenig
der von Guizot gerühmte Geist der Mäßigung und Harmonie im Schoße der
französischen reformirten Kirche waltet. — Im zweiten Theil des Buches hat
Guizot unternommen, die Hauptrichtungen der französischen Denkweise in ihrem
Verhältniß zum Christenthum zu charakterisiren, respective zu bekämpfen. Seine
hier entfalteten Kenntnisse sind weder tief noch ausgedehnt; seine Bemerkungen
sind eben das Urtheil eines edel geschulten bon Seps; aber als solches durch
und durch gesund und werden in der geistreichen und würdigen Form, in der
sie hier auftreten, in der großen Gesellschaft mehr Wirten als Katbedcrvortrcige
d, und Predigten.




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[0358] vornehmlich der Betrachtung des kirchlichen und religiösen Lebens in Frankreich gewidmet hat. Wir Heden aus seinen verschiedenen UrMtations über Christen¬ thum und Kirche hervor die kürzlich erschienenen U6an,g.lion8 sur l'etat aetuöl ac ig, religion cor6tierms. (?g.ris, ^vzs; I^öiML, LroelcKaus.) Er bespricht hier, wie in den Memoiren zumeist die Zustände Frankreichs, wie sie sich unter seinem Ministerium entwickelt, und giebt damit indirect eine Lobrede auf sich selbst, indem er als „Krönung des Gebäudes" die Freiheit des Unterrichts aufweist, die allerdings Frankreich wesentlich ihm zu danken hat. Am besten gelungen erscheint uns die erste Partie des Buches, in der Guizot mit der Überlegenheit eines über den Parteien stehenden Staatsmannes die neue Blüthe des Katholicismus, wie sie nach mancherlei Schwankungen und Kämpfen in Frankreich sich entfaltet, zu schildern weiß. In dem folgenden Abschnitt, der die Neubelebung des französischen Protestantismus darstellt, sind wir öfter an Rankes französische Geschichte gemahnt worden, die uns freilich immer eine wohlgerundete Darstellung der Regicrungssysteme und Organisationen, nicht aber das Volksleben in seinem inneren Getriebe, namentlich nicht in seinen physischen und moralischen Nothständen zu zeichnen vermag. So sind auch von Guizot über die äußerliche Blüthe, welche er den Zuständen des Protestantismus besonders in der Schweiz nachrühmt, vielfach die Schattenseiten vergessen worden, jedoch die Gewaltacte, die man zur Aufrechterhaltung einer äußeren kirchlichen Einigung aufgeboten, die Palliative, zu denen man gegriffen, um dem Vor¬ dringen der neueren Kritik Schranken zu setzen, erscheinen bereits in Guizots Buche als unzulänglich und hinfällig, und wenn wir Döllinger. der uns bereits vor einigen Jahren die Nachtseiten des französischen Protestantismus grell markirt hat, nicht in vollem Umfange glauben möchten, so zeigt doch der Martin-Paschoudsche Handel (vgl. Augsb. Mg. Ztg. Ur. 38. Beilage) wie wenig der von Guizot gerühmte Geist der Mäßigung und Harmonie im Schoße der französischen reformirten Kirche waltet. — Im zweiten Theil des Buches hat Guizot unternommen, die Hauptrichtungen der französischen Denkweise in ihrem Verhältniß zum Christenthum zu charakterisiren, respective zu bekämpfen. Seine hier entfalteten Kenntnisse sind weder tief noch ausgedehnt; seine Bemerkungen sind eben das Urtheil eines edel geschulten bon Seps; aber als solches durch und durch gesund und werden in der geistreichen und würdigen Form, in der sie hier auftreten, in der großen Gesellschaft mehr Wirten als Katbedcrvortrcige d, und Predigten.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349917/358>, abgerufen am 24.08.2024.