Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

muthigt. die mit so vielem Eclat verheißene ungarische Volksbewaffnung kam
nicht zu Stande und von der Militärgrenze konnte und durfte man keine wei¬
teren Opfer verlangen. Nur das deutsche Element hatte sich auch dieses Mal
bewährt. Die Anführer, welche sich ausgezeichnet hatten, waren fast durch-
gehends der Abkunft und Erziehung nach Deutsche, die deutschen Regimenter
hatten mit Tapferkeit und Ausdauer gekämpft. Und grade in der letzten Zeit
hatte man gegen das deutsche Element schwer gesündigt. J>i der Ratlosigkeit,
welche damals unter den Machthabern herrschte, griff man zu jedem Mittel und
man schien, um die Gemüther wieder aufzurichten, zu allem bereit, selbst wenn
man, um Vertrauen zu erwecken, einen gänzlichen Bruch mit dem bisherigen
System -- versprechen müßte.

Vor allem sollten die Zündnadelgewehre eingeführt werden und zwar mit
solcher Raschheit, daß, wenn man den Regierungsorganen geglaubt hätte, die
östreichischen Truppen schon in dem nächsten Treffen mit Zündnadelgcwehren
austreten würden. Ferner wurde Benedek seiner Machtvollkommenheit, wenn
auch noch nicht seiner Bcfehlshaberstelle entkleidet und Erzherzog Albrecht zum Ge¬
neralissimus ernannt, und schon am zweiten Tage wurde ein Befehl publicirt,
daß die durch ihre Unwissenheit, Fahrlässigkeit und Feigheit zumeist gravirten
Generale vor ein Kriegsgericht gestellt werden sollten. In eingeweihten Kreisen
sprach man bereits von Cassation, Festungshaft und Füfilade. Für die sub¬
alternen Offiziere, Unteroffiziere und Gemeinen aber wurde durch einen Tags-
befehl des Erzherzogs Standrecht und Declination für den Fall abermaliger
Fcldflüchtigkeit oder Jndisciplm verkündigt. Unfähige Offiziere jeden Grades
wurden mit augenblicklicher Entlassung bedroht und es sollte das Avancement
fernerhin einzig von der Tüchtigkeit und Intelligenz des betreffenden Bewerbers
abhängen. Es sollten wissenschaftliche Vereine, Journale und Bibliotheken ge¬
gründet, Prämien für hervorragende literarische Arbeiten gestiftet, die Militär¬
akademien und Schulen vermehrt und verbessert, die studirende Jugend durch
die Einführung der allgemeinen Wehrpflicht in das Heer gezogen und durch
verschiedene Begünstigungen zum freiwilligen Verbleiben bewogen und endlich
den Offizieren der technischen Truppen der Vorrang vor allen übrigen einge¬
räumt werden. Ebenso war die Einführung der allgemeinen Wehrpflicht ganz
nach preußischem Muster eine feststehende Sache; es sollten außerdem Milizen
und Nationalgarten errichtet und alle Truppen während des Friedens in ihren
Ergänzungsbezirken -- d. i. in der Heimath belassen werden. Daß durch die
sofortige Erfüllung der Wünsche aller Völker Oestreichs die allgemeine Zufrie¬
denheit erreicht und dadurch die Opferfreudigkeit und Vaterlandsliebe wieder
auf die erforderliche Höhe gebracht werden sollten, erschien als eine selbstver¬
ständliche Sache, sowie die durchgreifendsten Reformen in allen hier nicht ge¬
nannten Zweigen des Heereswesens.


muthigt. die mit so vielem Eclat verheißene ungarische Volksbewaffnung kam
nicht zu Stande und von der Militärgrenze konnte und durfte man keine wei¬
teren Opfer verlangen. Nur das deutsche Element hatte sich auch dieses Mal
bewährt. Die Anführer, welche sich ausgezeichnet hatten, waren fast durch-
gehends der Abkunft und Erziehung nach Deutsche, die deutschen Regimenter
hatten mit Tapferkeit und Ausdauer gekämpft. Und grade in der letzten Zeit
hatte man gegen das deutsche Element schwer gesündigt. J>i der Ratlosigkeit,
welche damals unter den Machthabern herrschte, griff man zu jedem Mittel und
man schien, um die Gemüther wieder aufzurichten, zu allem bereit, selbst wenn
man, um Vertrauen zu erwecken, einen gänzlichen Bruch mit dem bisherigen
System — versprechen müßte.

Vor allem sollten die Zündnadelgewehre eingeführt werden und zwar mit
solcher Raschheit, daß, wenn man den Regierungsorganen geglaubt hätte, die
östreichischen Truppen schon in dem nächsten Treffen mit Zündnadelgcwehren
austreten würden. Ferner wurde Benedek seiner Machtvollkommenheit, wenn
auch noch nicht seiner Bcfehlshaberstelle entkleidet und Erzherzog Albrecht zum Ge¬
neralissimus ernannt, und schon am zweiten Tage wurde ein Befehl publicirt,
daß die durch ihre Unwissenheit, Fahrlässigkeit und Feigheit zumeist gravirten
Generale vor ein Kriegsgericht gestellt werden sollten. In eingeweihten Kreisen
sprach man bereits von Cassation, Festungshaft und Füfilade. Für die sub¬
alternen Offiziere, Unteroffiziere und Gemeinen aber wurde durch einen Tags-
befehl des Erzherzogs Standrecht und Declination für den Fall abermaliger
Fcldflüchtigkeit oder Jndisciplm verkündigt. Unfähige Offiziere jeden Grades
wurden mit augenblicklicher Entlassung bedroht und es sollte das Avancement
fernerhin einzig von der Tüchtigkeit und Intelligenz des betreffenden Bewerbers
abhängen. Es sollten wissenschaftliche Vereine, Journale und Bibliotheken ge¬
gründet, Prämien für hervorragende literarische Arbeiten gestiftet, die Militär¬
akademien und Schulen vermehrt und verbessert, die studirende Jugend durch
die Einführung der allgemeinen Wehrpflicht in das Heer gezogen und durch
verschiedene Begünstigungen zum freiwilligen Verbleiben bewogen und endlich
den Offizieren der technischen Truppen der Vorrang vor allen übrigen einge¬
räumt werden. Ebenso war die Einführung der allgemeinen Wehrpflicht ganz
nach preußischem Muster eine feststehende Sache; es sollten außerdem Milizen
und Nationalgarten errichtet und alle Truppen während des Friedens in ihren
Ergänzungsbezirken — d. i. in der Heimath belassen werden. Daß durch die
sofortige Erfüllung der Wünsche aller Völker Oestreichs die allgemeine Zufrie¬
denheit erreicht und dadurch die Opferfreudigkeit und Vaterlandsliebe wieder
auf die erforderliche Höhe gebracht werden sollten, erschien als eine selbstver¬
ständliche Sache, sowie die durchgreifendsten Reformen in allen hier nicht ge¬
nannten Zweigen des Heereswesens.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0336" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/191030"/>
          <p xml:id="ID_1162" prev="#ID_1161"> muthigt. die mit so vielem Eclat verheißene ungarische Volksbewaffnung kam<lb/>
nicht zu Stande und von der Militärgrenze konnte und durfte man keine wei¬<lb/>
teren Opfer verlangen. Nur das deutsche Element hatte sich auch dieses Mal<lb/>
bewährt. Die Anführer, welche sich ausgezeichnet hatten, waren fast durch-<lb/>
gehends der Abkunft und Erziehung nach Deutsche, die deutschen Regimenter<lb/>
hatten mit Tapferkeit und Ausdauer gekämpft. Und grade in der letzten Zeit<lb/>
hatte man gegen das deutsche Element schwer gesündigt. J&gt;i der Ratlosigkeit,<lb/>
welche damals unter den Machthabern herrschte, griff man zu jedem Mittel und<lb/>
man schien, um die Gemüther wieder aufzurichten, zu allem bereit, selbst wenn<lb/>
man, um Vertrauen zu erwecken, einen gänzlichen Bruch mit dem bisherigen<lb/>
System &#x2014; versprechen müßte.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1163"> Vor allem sollten die Zündnadelgewehre eingeführt werden und zwar mit<lb/>
solcher Raschheit, daß, wenn man den Regierungsorganen geglaubt hätte, die<lb/>
östreichischen Truppen schon in dem nächsten Treffen mit Zündnadelgcwehren<lb/>
austreten würden. Ferner wurde Benedek seiner Machtvollkommenheit, wenn<lb/>
auch noch nicht seiner Bcfehlshaberstelle entkleidet und Erzherzog Albrecht zum Ge¬<lb/>
neralissimus ernannt, und schon am zweiten Tage wurde ein Befehl publicirt,<lb/>
daß die durch ihre Unwissenheit, Fahrlässigkeit und Feigheit zumeist gravirten<lb/>
Generale vor ein Kriegsgericht gestellt werden sollten. In eingeweihten Kreisen<lb/>
sprach man bereits von Cassation, Festungshaft und Füfilade. Für die sub¬<lb/>
alternen Offiziere, Unteroffiziere und Gemeinen aber wurde durch einen Tags-<lb/>
befehl des Erzherzogs Standrecht und Declination für den Fall abermaliger<lb/>
Fcldflüchtigkeit oder Jndisciplm verkündigt. Unfähige Offiziere jeden Grades<lb/>
wurden mit augenblicklicher Entlassung bedroht und es sollte das Avancement<lb/>
fernerhin einzig von der Tüchtigkeit und Intelligenz des betreffenden Bewerbers<lb/>
abhängen. Es sollten wissenschaftliche Vereine, Journale und Bibliotheken ge¬<lb/>
gründet, Prämien für hervorragende literarische Arbeiten gestiftet, die Militär¬<lb/>
akademien und Schulen vermehrt und verbessert, die studirende Jugend durch<lb/>
die Einführung der allgemeinen Wehrpflicht in das Heer gezogen und durch<lb/>
verschiedene Begünstigungen zum freiwilligen Verbleiben bewogen und endlich<lb/>
den Offizieren der technischen Truppen der Vorrang vor allen übrigen einge¬<lb/>
räumt werden. Ebenso war die Einführung der allgemeinen Wehrpflicht ganz<lb/>
nach preußischem Muster eine feststehende Sache; es sollten außerdem Milizen<lb/>
und Nationalgarten errichtet und alle Truppen während des Friedens in ihren<lb/>
Ergänzungsbezirken &#x2014; d. i. in der Heimath belassen werden. Daß durch die<lb/>
sofortige Erfüllung der Wünsche aller Völker Oestreichs die allgemeine Zufrie¬<lb/>
denheit erreicht und dadurch die Opferfreudigkeit und Vaterlandsliebe wieder<lb/>
auf die erforderliche Höhe gebracht werden sollten, erschien als eine selbstver¬<lb/>
ständliche Sache, sowie die durchgreifendsten Reformen in allen hier nicht ge¬<lb/>
nannten Zweigen des Heereswesens.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0336] muthigt. die mit so vielem Eclat verheißene ungarische Volksbewaffnung kam nicht zu Stande und von der Militärgrenze konnte und durfte man keine wei¬ teren Opfer verlangen. Nur das deutsche Element hatte sich auch dieses Mal bewährt. Die Anführer, welche sich ausgezeichnet hatten, waren fast durch- gehends der Abkunft und Erziehung nach Deutsche, die deutschen Regimenter hatten mit Tapferkeit und Ausdauer gekämpft. Und grade in der letzten Zeit hatte man gegen das deutsche Element schwer gesündigt. J>i der Ratlosigkeit, welche damals unter den Machthabern herrschte, griff man zu jedem Mittel und man schien, um die Gemüther wieder aufzurichten, zu allem bereit, selbst wenn man, um Vertrauen zu erwecken, einen gänzlichen Bruch mit dem bisherigen System — versprechen müßte. Vor allem sollten die Zündnadelgewehre eingeführt werden und zwar mit solcher Raschheit, daß, wenn man den Regierungsorganen geglaubt hätte, die östreichischen Truppen schon in dem nächsten Treffen mit Zündnadelgcwehren austreten würden. Ferner wurde Benedek seiner Machtvollkommenheit, wenn auch noch nicht seiner Bcfehlshaberstelle entkleidet und Erzherzog Albrecht zum Ge¬ neralissimus ernannt, und schon am zweiten Tage wurde ein Befehl publicirt, daß die durch ihre Unwissenheit, Fahrlässigkeit und Feigheit zumeist gravirten Generale vor ein Kriegsgericht gestellt werden sollten. In eingeweihten Kreisen sprach man bereits von Cassation, Festungshaft und Füfilade. Für die sub¬ alternen Offiziere, Unteroffiziere und Gemeinen aber wurde durch einen Tags- befehl des Erzherzogs Standrecht und Declination für den Fall abermaliger Fcldflüchtigkeit oder Jndisciplm verkündigt. Unfähige Offiziere jeden Grades wurden mit augenblicklicher Entlassung bedroht und es sollte das Avancement fernerhin einzig von der Tüchtigkeit und Intelligenz des betreffenden Bewerbers abhängen. Es sollten wissenschaftliche Vereine, Journale und Bibliotheken ge¬ gründet, Prämien für hervorragende literarische Arbeiten gestiftet, die Militär¬ akademien und Schulen vermehrt und verbessert, die studirende Jugend durch die Einführung der allgemeinen Wehrpflicht in das Heer gezogen und durch verschiedene Begünstigungen zum freiwilligen Verbleiben bewogen und endlich den Offizieren der technischen Truppen der Vorrang vor allen übrigen einge¬ räumt werden. Ebenso war die Einführung der allgemeinen Wehrpflicht ganz nach preußischem Muster eine feststehende Sache; es sollten außerdem Milizen und Nationalgarten errichtet und alle Truppen während des Friedens in ihren Ergänzungsbezirken — d. i. in der Heimath belassen werden. Daß durch die sofortige Erfüllung der Wünsche aller Völker Oestreichs die allgemeine Zufrie¬ denheit erreicht und dadurch die Opferfreudigkeit und Vaterlandsliebe wieder auf die erforderliche Höhe gebracht werden sollten, erschien als eine selbstver¬ ständliche Sache, sowie die durchgreifendsten Reformen in allen hier nicht ge¬ nannten Zweigen des Heereswesens.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349917
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349917/336
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349917/336>, abgerufen am 22.07.2024.