Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band.Beide Einrichtungen scheinen uns so unzweckmäßig wie möglich. Jene Grup- Ein fernerer Gegensatz zwischen unsern und englischen Gebräuchen besteht Beide Einrichtungen scheinen uns so unzweckmäßig wie möglich. Jene Grup- Ein fernerer Gegensatz zwischen unsern und englischen Gebräuchen besteht <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0328" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/191022"/> <p xml:id="ID_1134"> Beide Einrichtungen scheinen uns so unzweckmäßig wie möglich. Jene Grup-<lb/> pirung thut der schädlichen Spaltung in Fractionen und Zwischcnpartcien den<lb/> möglichsten Vorschul', sie fordert sogar gewissermaßen auf, die Schattirung recht<lb/> ins Feine zu treiben und damit werden die beiden großen gesunden Gegensätze<lb/> der Regierungspartei und der Opposition, welche d'as parlamentarische Leben<lb/> regeln sollen, vermischt. In England giebt es nur eine Zweitheilung, die<lb/> Bänke rechts vom Sprecher nimmt die ministerielle Partei, die links die Oppo¬<lb/> sition ein, denn mo'^er sich auch einzelne Unterabtheilungen, wie Jrländer,<lb/> Katholiken ze. gebildet haben, so weiß man doch immer im Großen und Ganzen,<lb/> wie sie zur Regierung stehen. Die Minister aber bleiben, indem sie auch räum¬<lb/> lich nicht abgesondert von den Mitgliedern, sondern mitten in ihrer Partei<lb/> sitzen, im Zusammenhang und der Fühlung des Hauses. Demgemäß sprechen<lb/> in England die Redner von ihren Plätzen und da sie sich in dem langen Saale<lb/> unwillkürlich nach dem Sprecher hinwenden, ist es auch natürlich, daß sie, wie<lb/> es wenigstens im Unterhause geschieht, denselben und nicht immer die ganze<lb/> Versammlung anreden. Wir wünschen auf das dringendste, d.iß diese Sitte<lb/> auch bei uns Geltung erlange, dagegen die Tribüne abgeschafft werde, welche das<lb/> oratorische Pathos begünstigt und die sachliche Beredsamkeit hemmt, mancher,<lb/> der von seinem Platze aus redend einige kurze, aber nützliche Bemerkungen<lb/> machen würde, will nicht erst auf die Tribüne steigen, von wo aus man eine<lb/> große Rede erwartet und schweigt, während eine Anzahl von oratorisch begabten,<lb/> aber vielleicht sachlich weniger unterrichteten Mitgliedern die Tribüne mono-<lb/> polisiren.</p><lb/> <p xml:id="ID_1135" next="#ID_1136"> Ein fernerer Gegensatz zwischen unsern und englischen Gebräuchen besteht<lb/> in der Reihenfolge der Redner. In England melden sich die Redner erst bei<lb/> der Debatte, indem sie sich erheben und, wie der technische Ausdruck lautet,<lb/> suchen „to catelr tlro spcmkor's v^o", dieser ertheilt demjenigen das Wort, von<lb/> dem er die für den Gang der Discussion zweckmäßigste Mittheilung erwartet,<lb/> in der Regel also abwechselnd den Anhängen und den Gegnern eines Antrages,<lb/> die einfache Gruppirung der Parteien erleichtert diese Entscheidung, welche<lb/> eventuell das Haus übernimmt, wenn der Sprecher zweifelhaft ist, wen von<lb/> zweien er berufen soll, wenn sich e>n Minister zugleich mit einem Abgeordneten<lb/> erhebt, so wird der erstere in der Regel zunächst gehört. Dagegen hat man in<lb/> Preußen die französische Art eingeführt, wo sämmtliche Redner für und gegen<lb/> sich vorgängig melden und ihre Reihenfolge dann zunächst nach der Meldung<lb/> und schließlich durch das Loos entschieden wird. Auf diese Weise antworten<lb/> die Gegner, welche mit ihren vorbereiteten Reden die Tribüne besteigen, sich<lb/> nur zu häufig gar nicht, sondern reden neben einander her. oft kommen durch<lb/> das Loos vorwiegend nur unbedeutende Mitglieder zum Worte und das Haus<lb/> nimmt den Schluß der Debatte an, weil es nicht den Muth hat, noch eine</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0328]
Beide Einrichtungen scheinen uns so unzweckmäßig wie möglich. Jene Grup-
pirung thut der schädlichen Spaltung in Fractionen und Zwischcnpartcien den
möglichsten Vorschul', sie fordert sogar gewissermaßen auf, die Schattirung recht
ins Feine zu treiben und damit werden die beiden großen gesunden Gegensätze
der Regierungspartei und der Opposition, welche d'as parlamentarische Leben
regeln sollen, vermischt. In England giebt es nur eine Zweitheilung, die
Bänke rechts vom Sprecher nimmt die ministerielle Partei, die links die Oppo¬
sition ein, denn mo'^er sich auch einzelne Unterabtheilungen, wie Jrländer,
Katholiken ze. gebildet haben, so weiß man doch immer im Großen und Ganzen,
wie sie zur Regierung stehen. Die Minister aber bleiben, indem sie auch räum¬
lich nicht abgesondert von den Mitgliedern, sondern mitten in ihrer Partei
sitzen, im Zusammenhang und der Fühlung des Hauses. Demgemäß sprechen
in England die Redner von ihren Plätzen und da sie sich in dem langen Saale
unwillkürlich nach dem Sprecher hinwenden, ist es auch natürlich, daß sie, wie
es wenigstens im Unterhause geschieht, denselben und nicht immer die ganze
Versammlung anreden. Wir wünschen auf das dringendste, d.iß diese Sitte
auch bei uns Geltung erlange, dagegen die Tribüne abgeschafft werde, welche das
oratorische Pathos begünstigt und die sachliche Beredsamkeit hemmt, mancher,
der von seinem Platze aus redend einige kurze, aber nützliche Bemerkungen
machen würde, will nicht erst auf die Tribüne steigen, von wo aus man eine
große Rede erwartet und schweigt, während eine Anzahl von oratorisch begabten,
aber vielleicht sachlich weniger unterrichteten Mitgliedern die Tribüne mono-
polisiren.
Ein fernerer Gegensatz zwischen unsern und englischen Gebräuchen besteht
in der Reihenfolge der Redner. In England melden sich die Redner erst bei
der Debatte, indem sie sich erheben und, wie der technische Ausdruck lautet,
suchen „to catelr tlro spcmkor's v^o", dieser ertheilt demjenigen das Wort, von
dem er die für den Gang der Discussion zweckmäßigste Mittheilung erwartet,
in der Regel also abwechselnd den Anhängen und den Gegnern eines Antrages,
die einfache Gruppirung der Parteien erleichtert diese Entscheidung, welche
eventuell das Haus übernimmt, wenn der Sprecher zweifelhaft ist, wen von
zweien er berufen soll, wenn sich e>n Minister zugleich mit einem Abgeordneten
erhebt, so wird der erstere in der Regel zunächst gehört. Dagegen hat man in
Preußen die französische Art eingeführt, wo sämmtliche Redner für und gegen
sich vorgängig melden und ihre Reihenfolge dann zunächst nach der Meldung
und schließlich durch das Loos entschieden wird. Auf diese Weise antworten
die Gegner, welche mit ihren vorbereiteten Reden die Tribüne besteigen, sich
nur zu häufig gar nicht, sondern reden neben einander her. oft kommen durch
das Loos vorwiegend nur unbedeutende Mitglieder zum Worte und das Haus
nimmt den Schluß der Debatte an, weil es nicht den Muth hat, noch eine
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