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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band.

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(Riga bei F. W. Hacker, 1807) athmeten den leidenschaftlichsten Haß gegen den.
corsischen "Kakodämon" und thaten das Mögliche, "in die unter der Asche
glühende Frcnizosenfcindschaft der preußischen Patrioten, >nit denen Merkel in
Beziehung stand, zu hellen Flammen aufzublasen. Besonders bemerkenswerth
ist es, daß diese Blätter mit einer damals unerhörten Kühnheit zum Aufstande
gegen die in das französische Netz gezogenen Nheinbundfürsten aufforderten und
den Sah aufstellten "von jedem Fürsten, der in die Dienste des corsischen Abcn-
thcurers trete, sei anzunehmen, er habe auf seinen vorigen Stand Verzicht
geleistet." Der tilsitcr Frieden und das durch diesen begründete französisch¬
russische Bündnis; fehlen dem Erscheinen dieser Flugblätter bald ein Ziel. Aber
schon im Jahre 1811, als die Beziehungen Alexanders zu Napoleon zu erkalten
begannen, machte Merkel sich an die Fortsetzung seines Werth; er begründete
zu Riga eine politische Zeitung, welche er den "Zuschauer" nannte und der er
durch die franzosenfeindlichc Richtung, die sie verfolgte, längs der ganzen Ostsee-
küste Verbreitung zu verschaffen wußte. Wiederholt vor dem Haß und der Rache
der französischen Machthaber gewarnt mußte Merkel, als Macdoncilds Schaaren
in Kurland einfielen und Riga zu belagern Miene machte", "ach Dorpat fliehen;
sein bei Riga belegenes kleines Landgut wurde wiederholt von französischen und
preußischen Streifcorps, die nach dem kecken Journalisten zu fahnden beauftragt
waren, durchsucht. >

Noch während des Herbstes 1812 kehrte Merkel nach Riga zurück, um auf
Wunsch des damaligen Generalgouverncurs Marquis Paulucci, der bereits mit
Uork in heimlicher Verbindung stand, seine journalistische Thätigkeit wieder
aufzunehmen und zu Gunsten eines Anschlusses der preußischen Hilfstruppen
an die russische Armee wirksam zu sein. Durch heimliche Boten wurden Nachen
zahlreiche Exemplare des "Zuschauers" nach Mitau und in die übrigen preußischen
Quartiere getragen; aus ihnen erfuhren Uork und dessen Offiziere die ersten
Nachrichten von der großen Armee und deren allmciligcr Auflösung, die ihnen
von Mcicdomild lange verheimlicht worden waren. Diese von Merkel übcr-
arbcitcten russischen Bulletins waren nach Form und Inhalt auf preußische Leser
berechnet, sie suchten den Haß gegen den Zertrümmcrcr der Monarchie Friedrichs
des Großen zu wecken, das Selbstvertrauen der Preußen zu heben und die Noth¬
wendigkeit eines Anschlusses der preußischen Armee an die Sache Rußlands nach¬
zuweisen.

Nach Beschluß des Befreiungskrieges versuchte es Merkel, den die Sehn¬
sucht "ach Deutschland nicht ruhen ließ, zum zweiten Mal mit der Schrift¬
stellern in Berlin. Er begann in Gemeinschaft mit Gubitz den alten, ein
Jahrzehnt lang unterbrochner Freimüthigen fortzuseheu, überzeugte sich aber
bald davon. daß dieser Versuch ein vergeblicher, seine Zeit überhaupt vorüber
sei. Die Freunde und Gönner seiner Jugend waren todt, die von ihm ver-


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(Riga bei F. W. Hacker, 1807) athmeten den leidenschaftlichsten Haß gegen den.
corsischen „Kakodämon" und thaten das Mögliche, »in die unter der Asche
glühende Frcnizosenfcindschaft der preußischen Patrioten, >nit denen Merkel in
Beziehung stand, zu hellen Flammen aufzublasen. Besonders bemerkenswerth
ist es, daß diese Blätter mit einer damals unerhörten Kühnheit zum Aufstande
gegen die in das französische Netz gezogenen Nheinbundfürsten aufforderten und
den Sah aufstellten „von jedem Fürsten, der in die Dienste des corsischen Abcn-
thcurers trete, sei anzunehmen, er habe auf seinen vorigen Stand Verzicht
geleistet." Der tilsitcr Frieden und das durch diesen begründete französisch¬
russische Bündnis; fehlen dem Erscheinen dieser Flugblätter bald ein Ziel. Aber
schon im Jahre 1811, als die Beziehungen Alexanders zu Napoleon zu erkalten
begannen, machte Merkel sich an die Fortsetzung seines Werth; er begründete
zu Riga eine politische Zeitung, welche er den „Zuschauer" nannte und der er
durch die franzosenfeindlichc Richtung, die sie verfolgte, längs der ganzen Ostsee-
küste Verbreitung zu verschaffen wußte. Wiederholt vor dem Haß und der Rache
der französischen Machthaber gewarnt mußte Merkel, als Macdoncilds Schaaren
in Kurland einfielen und Riga zu belagern Miene machte», »ach Dorpat fliehen;
sein bei Riga belegenes kleines Landgut wurde wiederholt von französischen und
preußischen Streifcorps, die nach dem kecken Journalisten zu fahnden beauftragt
waren, durchsucht. >

Noch während des Herbstes 1812 kehrte Merkel nach Riga zurück, um auf
Wunsch des damaligen Generalgouverncurs Marquis Paulucci, der bereits mit
Uork in heimlicher Verbindung stand, seine journalistische Thätigkeit wieder
aufzunehmen und zu Gunsten eines Anschlusses der preußischen Hilfstruppen
an die russische Armee wirksam zu sein. Durch heimliche Boten wurden Nachen
zahlreiche Exemplare des „Zuschauers" nach Mitau und in die übrigen preußischen
Quartiere getragen; aus ihnen erfuhren Uork und dessen Offiziere die ersten
Nachrichten von der großen Armee und deren allmciligcr Auflösung, die ihnen
von Mcicdomild lange verheimlicht worden waren. Diese von Merkel übcr-
arbcitcten russischen Bulletins waren nach Form und Inhalt auf preußische Leser
berechnet, sie suchten den Haß gegen den Zertrümmcrcr der Monarchie Friedrichs
des Großen zu wecken, das Selbstvertrauen der Preußen zu heben und die Noth¬
wendigkeit eines Anschlusses der preußischen Armee an die Sache Rußlands nach¬
zuweisen.

Nach Beschluß des Befreiungskrieges versuchte es Merkel, den die Sehn¬
sucht »ach Deutschland nicht ruhen ließ, zum zweiten Mal mit der Schrift¬
stellern in Berlin. Er begann in Gemeinschaft mit Gubitz den alten, ein
Jahrzehnt lang unterbrochner Freimüthigen fortzuseheu, überzeugte sich aber
bald davon. daß dieser Versuch ein vergeblicher, seine Zeit überhaupt vorüber
sei. Die Freunde und Gönner seiner Jugend waren todt, die von ihm ver-


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[0279] (Riga bei F. W. Hacker, 1807) athmeten den leidenschaftlichsten Haß gegen den. corsischen „Kakodämon" und thaten das Mögliche, »in die unter der Asche glühende Frcnizosenfcindschaft der preußischen Patrioten, >nit denen Merkel in Beziehung stand, zu hellen Flammen aufzublasen. Besonders bemerkenswerth ist es, daß diese Blätter mit einer damals unerhörten Kühnheit zum Aufstande gegen die in das französische Netz gezogenen Nheinbundfürsten aufforderten und den Sah aufstellten „von jedem Fürsten, der in die Dienste des corsischen Abcn- thcurers trete, sei anzunehmen, er habe auf seinen vorigen Stand Verzicht geleistet." Der tilsitcr Frieden und das durch diesen begründete französisch¬ russische Bündnis; fehlen dem Erscheinen dieser Flugblätter bald ein Ziel. Aber schon im Jahre 1811, als die Beziehungen Alexanders zu Napoleon zu erkalten begannen, machte Merkel sich an die Fortsetzung seines Werth; er begründete zu Riga eine politische Zeitung, welche er den „Zuschauer" nannte und der er durch die franzosenfeindlichc Richtung, die sie verfolgte, längs der ganzen Ostsee- küste Verbreitung zu verschaffen wußte. Wiederholt vor dem Haß und der Rache der französischen Machthaber gewarnt mußte Merkel, als Macdoncilds Schaaren in Kurland einfielen und Riga zu belagern Miene machte», »ach Dorpat fliehen; sein bei Riga belegenes kleines Landgut wurde wiederholt von französischen und preußischen Streifcorps, die nach dem kecken Journalisten zu fahnden beauftragt waren, durchsucht. > Noch während des Herbstes 1812 kehrte Merkel nach Riga zurück, um auf Wunsch des damaligen Generalgouverncurs Marquis Paulucci, der bereits mit Uork in heimlicher Verbindung stand, seine journalistische Thätigkeit wieder aufzunehmen und zu Gunsten eines Anschlusses der preußischen Hilfstruppen an die russische Armee wirksam zu sein. Durch heimliche Boten wurden Nachen zahlreiche Exemplare des „Zuschauers" nach Mitau und in die übrigen preußischen Quartiere getragen; aus ihnen erfuhren Uork und dessen Offiziere die ersten Nachrichten von der großen Armee und deren allmciligcr Auflösung, die ihnen von Mcicdomild lange verheimlicht worden waren. Diese von Merkel übcr- arbcitcten russischen Bulletins waren nach Form und Inhalt auf preußische Leser berechnet, sie suchten den Haß gegen den Zertrümmcrcr der Monarchie Friedrichs des Großen zu wecken, das Selbstvertrauen der Preußen zu heben und die Noth¬ wendigkeit eines Anschlusses der preußischen Armee an die Sache Rußlands nach¬ zuweisen. Nach Beschluß des Befreiungskrieges versuchte es Merkel, den die Sehn¬ sucht »ach Deutschland nicht ruhen ließ, zum zweiten Mal mit der Schrift¬ stellern in Berlin. Er begann in Gemeinschaft mit Gubitz den alten, ein Jahrzehnt lang unterbrochner Freimüthigen fortzuseheu, überzeugte sich aber bald davon. daß dieser Versuch ein vergeblicher, seine Zeit überhaupt vorüber sei. Die Freunde und Gönner seiner Jugend waren todt, die von ihm ver- 35*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349917/279>, abgerufen am 22.07.2024.