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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band.

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Anwendung fand, war die Construction der Raddenn Psschiffe (englisch
xaäälL-vKsel steamizi'Z, französisch V!rv0iir8 oder datimöuts K roues oder
a aublz, d. h. mit Schaufeln, Schaufelrädern), eine Construction, bei welcher
es unumgänglich war, die Achse der beiden Räder sehr hoch über Wasser zu
legen, fast ebenso viel Fuß als die Länge der Radspeichen betrug und damit
überhaupt die Maschine im Schiffe in unverhältnißmäßiger Höhe anzubringen.
Hierdurch bekam das Schiff ein bedeutendes Obergcwicht, es ward unfähig, eine
so hohe Bemastung zu tragen, wie alle Kriegsschiffe sie bis dahin gehabt hatten.
Die Folge war, daß alle Raddampfer eine niedrige, spärliche Takelage bekamen,
die den Namen durchaus nicht entsprach, welche die Schiffe ihrer Größe nach
erhielten. Man baute (Rad-) Dampfcorvettcn und (Rad-) Dampf-
fregatten, d. h. Schiffe etwa von der Größe der bisherigen Segelcorvettcn
und Segelfregatten, die aber keine Vollschifftakelage wie wirkliche Corvetten
oder Fregatten, sondern eine ganz schwache Schooner- oder Dreimastschooner-
takelage führten und außerdem weniger Geschütze als die Segelschiffe gleicher
Benennung trugen, weil die Radkasten in der Breitseite vielen Platz wegnahmen,
der sonst für die Aufstellung von Kanonen verfügbar gewesen wäre. ?Ah Unter¬
schied wurde ursprünglich, der Benennung der Segelschiffe gemäß, festgehalten,
daß die (!l!ad-) Dampscorvetten ihre sämmtlichen Geschütze auf dem Oberdeck,
die (Rad>) Dampffregatten aber zum größeren Theil in einer gedeckten, außen
weiß gestrichenen Batterie führten --> Haupttypus dieser Classe war zur Zeit
des Krimkriegs die englische Radfregatte "Retribution" von 28 Geschützen. --
Aber auch dieser Unterschied wurde bald nicht mehr festgehalten, jeder größere
Raddampfer wurde Dampfcorvette oder Dampffregatte genannt (nur (Rad-)
Linienschiffe hat es, hauptsächlich wegen der bei solchen Schiffen unvermeid¬
lichen Ueberlastung des Oberwcrks nie gegeben). Auch die größeren Dampfer
der ehemaligen deutschen Flotte waren sämmtlich Naddampfer.

Die Anwendung dieser Kriegsdampfer blieb übrigens auf ein geringes
Maß beschränkt, da bei ihnen bedeutende Uebelstände zu Tage traten. Denn
ihnen fehlte die Möglichkeit, sich ohne Hilfe der Maschine, blos durch die
Takelage genügend schnell fortzubewegen und Reisen ohne großen Kohlen¬
verbrauch zu machen; das große Obergewicht dieser Schiffe vertrug nur ungern
schwere Geschützausrüstung, während auch, wie erwähnt, der Raum längs der
Breitseite durch die voluminösen Radkasten sehr beschränkt war; das Aller¬
schlimmste aber war der Umstand, daß die Maschine, wenigstens theilweise über
Wasser gelegen, vor den feindlichen Kugeln nicht sicher war, auch durch die
Anbringung der Kohlenbehälter zwischen Maschine und Schiffswand sich nicht
genügend schützen ließ, während die Räder natürlich gar nicht gedeckt werden
konnten: durch einen einzigen glücklichen Schuß des Feindes konnte dem Schiff
die Manövrirfcihigkeit, ja selbst die Möglichkeit sich aus dem Gefecht zu retten,


Grenzboten II. 1867, 33 -

Anwendung fand, war die Construction der Raddenn Psschiffe (englisch
xaäälL-vKsel steamizi'Z, französisch V!rv0iir8 oder datimöuts K roues oder
a aublz, d. h. mit Schaufeln, Schaufelrädern), eine Construction, bei welcher
es unumgänglich war, die Achse der beiden Räder sehr hoch über Wasser zu
legen, fast ebenso viel Fuß als die Länge der Radspeichen betrug und damit
überhaupt die Maschine im Schiffe in unverhältnißmäßiger Höhe anzubringen.
Hierdurch bekam das Schiff ein bedeutendes Obergcwicht, es ward unfähig, eine
so hohe Bemastung zu tragen, wie alle Kriegsschiffe sie bis dahin gehabt hatten.
Die Folge war, daß alle Raddampfer eine niedrige, spärliche Takelage bekamen,
die den Namen durchaus nicht entsprach, welche die Schiffe ihrer Größe nach
erhielten. Man baute (Rad-) Dampfcorvettcn und (Rad-) Dampf-
fregatten, d. h. Schiffe etwa von der Größe der bisherigen Segelcorvettcn
und Segelfregatten, die aber keine Vollschifftakelage wie wirkliche Corvetten
oder Fregatten, sondern eine ganz schwache Schooner- oder Dreimastschooner-
takelage führten und außerdem weniger Geschütze als die Segelschiffe gleicher
Benennung trugen, weil die Radkasten in der Breitseite vielen Platz wegnahmen,
der sonst für die Aufstellung von Kanonen verfügbar gewesen wäre. ?Ah Unter¬
schied wurde ursprünglich, der Benennung der Segelschiffe gemäß, festgehalten,
daß die (!l!ad-) Dampscorvetten ihre sämmtlichen Geschütze auf dem Oberdeck,
die (Rad>) Dampffregatten aber zum größeren Theil in einer gedeckten, außen
weiß gestrichenen Batterie führten —> Haupttypus dieser Classe war zur Zeit
des Krimkriegs die englische Radfregatte „Retribution" von 28 Geschützen. —
Aber auch dieser Unterschied wurde bald nicht mehr festgehalten, jeder größere
Raddampfer wurde Dampfcorvette oder Dampffregatte genannt (nur (Rad-)
Linienschiffe hat es, hauptsächlich wegen der bei solchen Schiffen unvermeid¬
lichen Ueberlastung des Oberwcrks nie gegeben). Auch die größeren Dampfer
der ehemaligen deutschen Flotte waren sämmtlich Naddampfer.

Die Anwendung dieser Kriegsdampfer blieb übrigens auf ein geringes
Maß beschränkt, da bei ihnen bedeutende Uebelstände zu Tage traten. Denn
ihnen fehlte die Möglichkeit, sich ohne Hilfe der Maschine, blos durch die
Takelage genügend schnell fortzubewegen und Reisen ohne großen Kohlen¬
verbrauch zu machen; das große Obergewicht dieser Schiffe vertrug nur ungern
schwere Geschützausrüstung, während auch, wie erwähnt, der Raum längs der
Breitseite durch die voluminösen Radkasten sehr beschränkt war; das Aller¬
schlimmste aber war der Umstand, daß die Maschine, wenigstens theilweise über
Wasser gelegen, vor den feindlichen Kugeln nicht sicher war, auch durch die
Anbringung der Kohlenbehälter zwischen Maschine und Schiffswand sich nicht
genügend schützen ließ, während die Räder natürlich gar nicht gedeckt werden
konnten: durch einen einzigen glücklichen Schuß des Feindes konnte dem Schiff
die Manövrirfcihigkeit, ja selbst die Möglichkeit sich aus dem Gefecht zu retten,


Grenzboten II. 1867, 33 -
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349917/261>, abgerufen am 22.07.2024.