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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band.

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schlug sich endlich ein englischer Hofhcrr ins Mittel, indem er den Grafen
Solms ersuchte. ihm den strittigen Sitz abzutreten und gegenüber dem würten-
bergische" Gesandten an einer der Langseiten Platz zu nehme". Damit war
der Friede hergestellt und die sämmtliche Gefolgschaft beider Gesandten zechte
mit ihren Herren gemüthlich und vergnüglich an einer und derselben Tafel.
Brcuning, im Grunde doch ein gutmüthiger Mann, entschuldigte sich bei dem
Grafen, daß der Protest nicht ihm, den er selbstverständlich für vornehmer halte,
gelte, sondern seinem Herrn und der Graf war gleichfalls gutmüthig genug,
diese Entschuldigung gelten zu lassen. Was die zahlreichen Engländer vom
höchsten Nang von dieser peinlichen Scene gedacht habe", ist nicht schwer zu
errathen: die bornirte Naivetät des Schwaben ging so weit, büß er einige
ironische Redenearien, womit man ihm zu seinem muthigen Aufireten gratulirte,
für Ernst nahm und sorgfältig zu Buch brachte. Sein Herr fand das Be¬
nehmen seines Gesandten, wie sich leicht denken laßt, ganz vortrefflich: er h.ü
an den Rand der weitläufigen Relation des ganzen Borganges mit eigener
hochfürstlichcr Hand "ist recht gewesen" notirt. Hätte es damals schon Orden
unserer Art gegeben, so würde Breuning mindestens ein Comthurkreuz be¬
kommen haben.

Doch das war auch der letzte Triumph, den er in England feierte. Schon
drei Tage daraus ward er zu einer Privataudienz bei der Königin berufen, wo
er die definitive Antwort auf sein Gesuch erhalte" sollte. Es war schon von
böser Vorbedeutung, daß die Königin sich der lateinischen Sprache, der Sprache
der förmliche" Geschäfte, bediente und dadurch gleich jede vertraulichere Behand¬
lung der Sache symbolisch abschnitt. Sie bedeutete den Gesandten kurz und
bündig, daß er ganz umsousi gekommen. Natürlich deckte sie ihre Abweisung
durch die Staiuten des Ordens, dessen Mitgliederzahl voll sei und dessen Gesetze
auch für die Ertheilung von Exspcctanzen eine bestimmte Rücksicht auf die
Stufenfolge des Rangs unter den fürstliche" Candidatc" festsetzten. Daß den¬
noch von ihr selbst dem Herzog vor zwei Jahren ein förmliches Versprechen
seiner Berücksichtigung bei der nächsten Bacanz gegeben morden, stellte sie bei¬
nahe mit unhöflicher Schärfe in Abrede. Das könne nur auf einem Mißver¬
ständniß allgemeinfreundllcher Zusicherunge" beluden, die sie auch jetzt gerne
wiederhole, ohne dadurch etwas Anderes als ihm wohlgeneigte Gesinnung aus¬
drücken zu wollen.

Aber das Beste kam zum Schlüsse. Die Königin fuhr mit erhobener
Stimme, immer lateinisch, dessen sie ja wie'ihrer Muttersprache mächtig war,
redend for, was hier deutsch wiedergegeben sein mag, weil es außerordentlich
charakteristisch ist: "Ich wünsche, daß du deinem erlauchten Herrn folgende
Punkte, die ich ihm selbst vor drei Jahren ans Herz gelegt, immer wieder ins
Gedächtniß zurückrufest. Erstens, daß die kleinen deutschen Fürsten keine große


schlug sich endlich ein englischer Hofhcrr ins Mittel, indem er den Grafen
Solms ersuchte. ihm den strittigen Sitz abzutreten und gegenüber dem würten-
bergische» Gesandten an einer der Langseiten Platz zu nehme». Damit war
der Friede hergestellt und die sämmtliche Gefolgschaft beider Gesandten zechte
mit ihren Herren gemüthlich und vergnüglich an einer und derselben Tafel.
Brcuning, im Grunde doch ein gutmüthiger Mann, entschuldigte sich bei dem
Grafen, daß der Protest nicht ihm, den er selbstverständlich für vornehmer halte,
gelte, sondern seinem Herrn und der Graf war gleichfalls gutmüthig genug,
diese Entschuldigung gelten zu lassen. Was die zahlreichen Engländer vom
höchsten Nang von dieser peinlichen Scene gedacht habe», ist nicht schwer zu
errathen: die bornirte Naivetät des Schwaben ging so weit, büß er einige
ironische Redenearien, womit man ihm zu seinem muthigen Aufireten gratulirte,
für Ernst nahm und sorgfältig zu Buch brachte. Sein Herr fand das Be¬
nehmen seines Gesandten, wie sich leicht denken laßt, ganz vortrefflich: er h.ü
an den Rand der weitläufigen Relation des ganzen Borganges mit eigener
hochfürstlichcr Hand „ist recht gewesen" notirt. Hätte es damals schon Orden
unserer Art gegeben, so würde Breuning mindestens ein Comthurkreuz be¬
kommen haben.

Doch das war auch der letzte Triumph, den er in England feierte. Schon
drei Tage daraus ward er zu einer Privataudienz bei der Königin berufen, wo
er die definitive Antwort auf sein Gesuch erhalte» sollte. Es war schon von
böser Vorbedeutung, daß die Königin sich der lateinischen Sprache, der Sprache
der förmliche» Geschäfte, bediente und dadurch gleich jede vertraulichere Behand¬
lung der Sache symbolisch abschnitt. Sie bedeutete den Gesandten kurz und
bündig, daß er ganz umsousi gekommen. Natürlich deckte sie ihre Abweisung
durch die Staiuten des Ordens, dessen Mitgliederzahl voll sei und dessen Gesetze
auch für die Ertheilung von Exspcctanzen eine bestimmte Rücksicht auf die
Stufenfolge des Rangs unter den fürstliche» Candidatc» festsetzten. Daß den¬
noch von ihr selbst dem Herzog vor zwei Jahren ein förmliches Versprechen
seiner Berücksichtigung bei der nächsten Bacanz gegeben morden, stellte sie bei¬
nahe mit unhöflicher Schärfe in Abrede. Das könne nur auf einem Mißver¬
ständniß allgemeinfreundllcher Zusicherunge» beluden, die sie auch jetzt gerne
wiederhole, ohne dadurch etwas Anderes als ihm wohlgeneigte Gesinnung aus¬
drücken zu wollen.

Aber das Beste kam zum Schlüsse. Die Königin fuhr mit erhobener
Stimme, immer lateinisch, dessen sie ja wie'ihrer Muttersprache mächtig war,
redend for, was hier deutsch wiedergegeben sein mag, weil es außerordentlich
charakteristisch ist: „Ich wünsche, daß du deinem erlauchten Herrn folgende
Punkte, die ich ihm selbst vor drei Jahren ans Herz gelegt, immer wieder ins
Gedächtniß zurückrufest. Erstens, daß die kleinen deutschen Fürsten keine große


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349917/26>, abgerufen am 22.07.2024.