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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band.

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und Nuderkanonenboote waren, also heute, auch wenn sic noch erhalten^wären,
ihrer veralteten Consiruction wegen fast unnütz sein würden.

Auch der Umstand, daß Süddeutschland vorläufig noch nicht deM deutschen
Bund beigetreten, ist in Wahrheit kein Hemmniß für die Bildung der deutschen
Flotte. Die Seestaaten, welche, abgesehen von den finanziellen Fragen, für
die Gründung der deutschen Marine fast allein von Wichtigkeit sind, befinden
sich sämmtlich bereits im norddeutschen Bund; die Marine, die Kriegsflotte
wie die Handelsflotte, ist eben specifisch norddeutsch, wie die östreichische
bis auf Aeußerlichkeiten und einen Theil des Offiziercorps ausschließlich
italienisch ist. Namentlich ist die deutsche Flotte specifisch plattdeutsch nach
Sprache und Charakter. Plattdeutsch ist die Mundart, welche der See¬
mann als Kind in der Familie ausschließlich gehört hat, plattdeutsch die
Schiffssprache auf den Fahrzeugen der ganzen Handelsmarine, echt nieder¬
deutsch das ganze Wesen des Seemanns, seine imponirende ruhige Kraft,
seine Bedächtigkeit, die scharfe, klare, nie sich übereilende stille Ueberlegung,
der die Ausführung des Entschlusses mit zweifelloser Sicherheit folgt; echt
niederdeutsch ist die beharrliche Zähigkeit, die unbeugsame Energie, die ohne
viel Redens zu machen mit unbedingter Entschiedenheit handelt, wo es gilt,
endlich eine Strenge der Pflichttreue, die vor keinem Act der Aufopferung
zurückschreckt, und deshalb so große Leistungen zu vollbringen im Stande
ist. Diese ruhige, zähe Entschiedenheit ist es, wodurch der deutsche See¬
mann den tüchtigsten anderen seefahrenden Nationen gleichkommt, und die
Strenge des Pflichtbegriffs ist es, worin er alle anderen Nationen überragt, wie
anch ähnliche Strenge der Pflichterfüllung der preußischen Armee ihre Über¬
legenheit über die östreichische Armee verschafft hat, und im gegebnen Fall hoffent¬
lich auch anderen Nationen gegenüber verschaffen wird.

Da sich die Kriegsmarine des neuen Deutschlands um die einzige bis jetzt
bestehende Seemacht eines deutschen Staates, um die preußische, gruppiren wird,
ist es von besonderem Interesse, die preußische Kriegsflotte in ihrem gegen¬
wärtigen Bestände mit kurzen Rückblicken auf die Art ihrer Entstehung kennen
zu lernen. Zu diesem Zweck betrachten wir die ganze Organisation, das Ma¬
terial an Schiffen, die Bemannung und die Häfen. Da indessen in einer
Beschreibung des Flottenmaterials, des Bestandes an Schiffen der Mehrzahl
unsrer Leser die technischen Ausdrücke nicht so geläufig sein werden, daß sich
mit den Namen gleich eine richtige Vorstellung oder gar eine genaue plastische
Anschauung verbände, so sehen wir uns genöthigt, zunächst weiter auszuholen
und die Classification und Benennung der Kriegsschiffe im Allgemeinen zu be¬
trachten, wobei wir zuweilen auf Beispiele aus anderen Kriegsflotten, die uns,
wie die preußische, aus persönlicher Anschauung bekannt sind, zurückgreifen
werden.


und Nuderkanonenboote waren, also heute, auch wenn sic noch erhalten^wären,
ihrer veralteten Consiruction wegen fast unnütz sein würden.

Auch der Umstand, daß Süddeutschland vorläufig noch nicht deM deutschen
Bund beigetreten, ist in Wahrheit kein Hemmniß für die Bildung der deutschen
Flotte. Die Seestaaten, welche, abgesehen von den finanziellen Fragen, für
die Gründung der deutschen Marine fast allein von Wichtigkeit sind, befinden
sich sämmtlich bereits im norddeutschen Bund; die Marine, die Kriegsflotte
wie die Handelsflotte, ist eben specifisch norddeutsch, wie die östreichische
bis auf Aeußerlichkeiten und einen Theil des Offiziercorps ausschließlich
italienisch ist. Namentlich ist die deutsche Flotte specifisch plattdeutsch nach
Sprache und Charakter. Plattdeutsch ist die Mundart, welche der See¬
mann als Kind in der Familie ausschließlich gehört hat, plattdeutsch die
Schiffssprache auf den Fahrzeugen der ganzen Handelsmarine, echt nieder¬
deutsch das ganze Wesen des Seemanns, seine imponirende ruhige Kraft,
seine Bedächtigkeit, die scharfe, klare, nie sich übereilende stille Ueberlegung,
der die Ausführung des Entschlusses mit zweifelloser Sicherheit folgt; echt
niederdeutsch ist die beharrliche Zähigkeit, die unbeugsame Energie, die ohne
viel Redens zu machen mit unbedingter Entschiedenheit handelt, wo es gilt,
endlich eine Strenge der Pflichttreue, die vor keinem Act der Aufopferung
zurückschreckt, und deshalb so große Leistungen zu vollbringen im Stande
ist. Diese ruhige, zähe Entschiedenheit ist es, wodurch der deutsche See¬
mann den tüchtigsten anderen seefahrenden Nationen gleichkommt, und die
Strenge des Pflichtbegriffs ist es, worin er alle anderen Nationen überragt, wie
anch ähnliche Strenge der Pflichterfüllung der preußischen Armee ihre Über¬
legenheit über die östreichische Armee verschafft hat, und im gegebnen Fall hoffent¬
lich auch anderen Nationen gegenüber verschaffen wird.

Da sich die Kriegsmarine des neuen Deutschlands um die einzige bis jetzt
bestehende Seemacht eines deutschen Staates, um die preußische, gruppiren wird,
ist es von besonderem Interesse, die preußische Kriegsflotte in ihrem gegen¬
wärtigen Bestände mit kurzen Rückblicken auf die Art ihrer Entstehung kennen
zu lernen. Zu diesem Zweck betrachten wir die ganze Organisation, das Ma¬
terial an Schiffen, die Bemannung und die Häfen. Da indessen in einer
Beschreibung des Flottenmaterials, des Bestandes an Schiffen der Mehrzahl
unsrer Leser die technischen Ausdrücke nicht so geläufig sein werden, daß sich
mit den Namen gleich eine richtige Vorstellung oder gar eine genaue plastische
Anschauung verbände, so sehen wir uns genöthigt, zunächst weiter auszuholen
und die Classification und Benennung der Kriegsschiffe im Allgemeinen zu be¬
trachten, wobei wir zuweilen auf Beispiele aus anderen Kriegsflotten, die uns,
wie die preußische, aus persönlicher Anschauung bekannt sind, zurückgreifen
werden.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349917/254>, abgerufen am 24.08.2024.