Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band.Die deutsche Shakespearegesellschaft hat in diesen Tagen in Berlin ihre Generalversammlung gehalten. Unter den Verantwortlicher Redacteur: Gustav Freytag. Verlag von F. L. Herbig. -- Druck von Hiithel ä- Segler in Leipzig. Die deutsche Shakespearegesellschaft hat in diesen Tagen in Berlin ihre Generalversammlung gehalten. Unter den Verantwortlicher Redacteur: Gustav Freytag. Verlag von F. L. Herbig. — Druck von Hiithel ä- Segler in Leipzig. <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0244" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/190938"/> </div> </div> <div n="1"> <head> Die deutsche Shakespearegesellschaft</head><lb/> <p xml:id="ID_802"> hat in diesen Tagen in Berlin ihre Generalversammlung gehalten. Unter den<lb/> geschäftlichen Mittheilungen war die erfreulichste, daß es der Gesellschaft ge¬<lb/> lungen ist, mit der reimerschen Verlagshandlung einen Contract über eine neue<lb/> verbesserte Ausgabe der Schlegel-tieckschen Uebersetzung abzuschließen. Es ist er¬<lb/> wünscht, daß der Verein sich in solcher Weise die Fürsorge für die Interessen<lb/> des großen genießenden Publikums zum Ziele setzt. Wollte er sich auf einen<lb/> exlusiven gelehrten Shakespearecultus beschränken, so würde er allen volksthüm-<lb/> lichen Boden verlieren. «In diesem Sinne möchten wir uns erlauben, die<lb/> Freunde der Gesellschaft auf eine weitere Aufgabe hinzuweisen, durch deren<lb/> Erfüllung sie sich „ein wahres Verdienst um Shakespeare in Deutschland" er¬<lb/> werben würde. Diese Aufgabe wäre die Veranstaltung einer besonders für<lb/> Deutschland berechneten englischen Ausgabe mit Kommentar. Keine der vor¬<lb/> handenen Ausgaben genügt dem Bedürfniß der vielen nicht Gelehrten, aber<lb/> Unterrichteten, die Shakespeare gern im Original lesen möchten. Von den eng¬<lb/> lischen Commentaren zu geschweige», so ist auch in Deutschland selbst jenes<lb/> Bedürfniß noch nicht befriedigt. Der sehr gründliche und scharfsinnige Delius<lb/> macht sich die Textkritik zur Hauptaufgabe, der Erläuterungen sind bei ihm<lb/> lange nicht genug. Was das Maß dieser letzteren betrifft, so könnten wohl<lb/> die Ausgaben, die Ulrici von einzelnen Stücken, z. B. Romeo, veröffentlicht hat,<lb/> als Muster dienen. Nur freilich müßte dem Commentator etwas mehr lebendige<lb/> Kenntniß des Englischen zu Gebote stehen, als Ulrici zu besitzen scheint.<lb/> Scherzes halber ein kleines Beispiel. Romeo (Act 1. Se> 2) sagt, ein Blatt<lb/> von Wegerich sei gut für a, brokerr slriri, d. h. für ein Schienbein, das man<lb/> sich aufgeschlagen, contusionirt hat. Ulrici pvlemisirt gegen die englischen Aus¬<lb/> leger, die Romeos Worte für Ernst nehmen, er nimmt sie für Ironie, weil er<lb/> an einen förmlichen Beinbruch denkt, für den doch der Wegerich unmöglich<lb/> helfen könne. Auch Schlegel übersetzt „für dein zerbrochnes Bein". Allein<lb/> -z, drolceir sriiu, a ti-oksir rohe u. s. w. ist gewöhnlich eine bloße Contusio».<lb/> Der Beweis ist sehr nahe zu finden, in der nächsten Scene, wo die Amme er¬<lb/> zählt, wie Julia als kleines Kind auf die Stirn fiel. Wie sagt sie da? 8Ks<lb/> droles Kör trop, d. h., wie sie gleich darauf selbst erläutert, sie siel sich eine<lb/> Beule.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <note type="byline"> Verantwortlicher Redacteur: Gustav Freytag.<lb/> Verlag von F. L. Herbig. — Druck von Hiithel ä- Segler in Leipzig.</note><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0244]
Die deutsche Shakespearegesellschaft
hat in diesen Tagen in Berlin ihre Generalversammlung gehalten. Unter den
geschäftlichen Mittheilungen war die erfreulichste, daß es der Gesellschaft ge¬
lungen ist, mit der reimerschen Verlagshandlung einen Contract über eine neue
verbesserte Ausgabe der Schlegel-tieckschen Uebersetzung abzuschließen. Es ist er¬
wünscht, daß der Verein sich in solcher Weise die Fürsorge für die Interessen
des großen genießenden Publikums zum Ziele setzt. Wollte er sich auf einen
exlusiven gelehrten Shakespearecultus beschränken, so würde er allen volksthüm-
lichen Boden verlieren. «In diesem Sinne möchten wir uns erlauben, die
Freunde der Gesellschaft auf eine weitere Aufgabe hinzuweisen, durch deren
Erfüllung sie sich „ein wahres Verdienst um Shakespeare in Deutschland" er¬
werben würde. Diese Aufgabe wäre die Veranstaltung einer besonders für
Deutschland berechneten englischen Ausgabe mit Kommentar. Keine der vor¬
handenen Ausgaben genügt dem Bedürfniß der vielen nicht Gelehrten, aber
Unterrichteten, die Shakespeare gern im Original lesen möchten. Von den eng¬
lischen Commentaren zu geschweige», so ist auch in Deutschland selbst jenes
Bedürfniß noch nicht befriedigt. Der sehr gründliche und scharfsinnige Delius
macht sich die Textkritik zur Hauptaufgabe, der Erläuterungen sind bei ihm
lange nicht genug. Was das Maß dieser letzteren betrifft, so könnten wohl
die Ausgaben, die Ulrici von einzelnen Stücken, z. B. Romeo, veröffentlicht hat,
als Muster dienen. Nur freilich müßte dem Commentator etwas mehr lebendige
Kenntniß des Englischen zu Gebote stehen, als Ulrici zu besitzen scheint.
Scherzes halber ein kleines Beispiel. Romeo (Act 1. Se> 2) sagt, ein Blatt
von Wegerich sei gut für a, brokerr slriri, d. h. für ein Schienbein, das man
sich aufgeschlagen, contusionirt hat. Ulrici pvlemisirt gegen die englischen Aus¬
leger, die Romeos Worte für Ernst nehmen, er nimmt sie für Ironie, weil er
an einen förmlichen Beinbruch denkt, für den doch der Wegerich unmöglich
helfen könne. Auch Schlegel übersetzt „für dein zerbrochnes Bein". Allein
-z, drolceir sriiu, a ti-oksir rohe u. s. w. ist gewöhnlich eine bloße Contusio».
Der Beweis ist sehr nahe zu finden, in der nächsten Scene, wo die Amme er¬
zählt, wie Julia als kleines Kind auf die Stirn fiel. Wie sagt sie da? 8Ks
droles Kör trop, d. h., wie sie gleich darauf selbst erläutert, sie siel sich eine
Beule.
Verantwortlicher Redacteur: Gustav Freytag.
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