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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band.

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benutzte, um auf eine gute Art des lästigen Sollicitanten los zu werden, indem
sie sich hinter seine Beschlüsse verschanzte.

So ließ er sich denn am gedachten Tage von einem hoben Englische" vom
Adel um 9 Uhr früh aus seinem Losament in zweien Gülschen abholen, un¬
geachtet er mehre Tage lang vom kalten Fieber weidlich geschüttelt worden
war. Da er aber inzwischen von allerlei gefährlichen Machinationen gehört
hatte, die wie gewöhnlich von Landsleuten ausgingen, so beschloß er, sich haupt¬
sächlich dagegen zu rüsten. Es hatte nämlich der Landgraf Moritz von Hessen
zu gleichem Zwecke, auch um den Se. Georg zu erbitten, einen Grafen v, Solms
an den englischen Hof gesandt, der sich c>is Graf und vielleicht euch aus andern
Gründen hoher Protection erfreute und jedenfalls ein sehr bedenklicher Con-
current war. Dieser sollte auch als Ehrengast der Königin, auf dem heutigen
Capitel erscheinen und zwar, wie Breuniug herausgebracht hatte, war jener
Willens, mit einem Gefolge von mindestens zwölf Personen aufzutreten, wäh¬
rend Breuning nur über vier, sich eingeschlossen, disponirte. In aller Eile
raffte daher dieser noch drei in London wie in aller Welt schon damals vagi-
rende engere Landsleute auf, einen ans Stuttgart selbst, einen aus Bittigheim
und einen, Krebs genannt, nicht weit von Mockmühl wohnhaft, und brachte
es so glücklich zuwege, daß die leibhaftigen Sieben Schwaben, aber ohne den
classischen Gemeindespieß, vor dein Angesicht der großen Königin paradirten.

Am Hofe gab es heute eine unendliche Reihe von Herrlichkeiten zu schauen,
deren gewissenhafte Beschreibung bis auf die Farbe der Fächer "ut Wedel,
welche das wieder ausbündig schöne Frauenzimmer in der Hand getragen und
bis auf den Besatz der Wannser und Hosen der Ordensritter so recht aus der
Seele des ehrlichen Schwaben fließt und unzweifelhaft auch seinem fürstlichen
Herrn so recht in die Seele ging. Wie gen hätte er sich auch selbst in der
Nähe der mit einem kurzen Leibrock von scharlachrothen Sammt und darüber
mit einem langen, etwas auf der Erde nachschleppende" Talar von feilbraunem
Sammt bekleideten Ritter stehen sehen, am Halse den goldenen Se. Georg,
emaillirt und mit Edelsteinen besetzt, an dem linken Schenkel ig. Mrrsttlörs, das
Hosenband selbst. Ach, er kannte es nur allzu wohl und wußte, wie stattlich
er sich in diesem Costüme auf seinen Schaumünzen und Poctrcit? ausnahm, wo
er es einstweilen anticipirt hatte. Um so mehr nagte es an ihm. daß es eben
nur eine Fiction war und daß er es doch noch immer nicht mit Recht und vor
anderen-Berechtigten tragen durfte. Wer weiß, ob er nicht, um heute mit den
anwesenden elf Rittern im feierlichen Zug der in glänzendsten Schmucke mit der
Krone auf dem Haupte voranschreitenden Königin in die Se. Georgskapelle
folgen zu dürfen, sein halbes Herzogthum oder wenigstens die Grafschaft Mön"
pelgard gegeben hätte!

Einstweilen aber ging das Fest seinen stattlichen Gang. Nach Ordens"


benutzte, um auf eine gute Art des lästigen Sollicitanten los zu werden, indem
sie sich hinter seine Beschlüsse verschanzte.

So ließ er sich denn am gedachten Tage von einem hoben Englische» vom
Adel um 9 Uhr früh aus seinem Losament in zweien Gülschen abholen, un¬
geachtet er mehre Tage lang vom kalten Fieber weidlich geschüttelt worden
war. Da er aber inzwischen von allerlei gefährlichen Machinationen gehört
hatte, die wie gewöhnlich von Landsleuten ausgingen, so beschloß er, sich haupt¬
sächlich dagegen zu rüsten. Es hatte nämlich der Landgraf Moritz von Hessen
zu gleichem Zwecke, auch um den Se. Georg zu erbitten, einen Grafen v, Solms
an den englischen Hof gesandt, der sich c>is Graf und vielleicht euch aus andern
Gründen hoher Protection erfreute und jedenfalls ein sehr bedenklicher Con-
current war. Dieser sollte auch als Ehrengast der Königin, auf dem heutigen
Capitel erscheinen und zwar, wie Breuniug herausgebracht hatte, war jener
Willens, mit einem Gefolge von mindestens zwölf Personen aufzutreten, wäh¬
rend Breuning nur über vier, sich eingeschlossen, disponirte. In aller Eile
raffte daher dieser noch drei in London wie in aller Welt schon damals vagi-
rende engere Landsleute auf, einen ans Stuttgart selbst, einen aus Bittigheim
und einen, Krebs genannt, nicht weit von Mockmühl wohnhaft, und brachte
es so glücklich zuwege, daß die leibhaftigen Sieben Schwaben, aber ohne den
classischen Gemeindespieß, vor dein Angesicht der großen Königin paradirten.

Am Hofe gab es heute eine unendliche Reihe von Herrlichkeiten zu schauen,
deren gewissenhafte Beschreibung bis auf die Farbe der Fächer »ut Wedel,
welche das wieder ausbündig schöne Frauenzimmer in der Hand getragen und
bis auf den Besatz der Wannser und Hosen der Ordensritter so recht aus der
Seele des ehrlichen Schwaben fließt und unzweifelhaft auch seinem fürstlichen
Herrn so recht in die Seele ging. Wie gen hätte er sich auch selbst in der
Nähe der mit einem kurzen Leibrock von scharlachrothen Sammt und darüber
mit einem langen, etwas auf der Erde nachschleppende» Talar von feilbraunem
Sammt bekleideten Ritter stehen sehen, am Halse den goldenen Se. Georg,
emaillirt und mit Edelsteinen besetzt, an dem linken Schenkel ig. Mrrsttlörs, das
Hosenband selbst. Ach, er kannte es nur allzu wohl und wußte, wie stattlich
er sich in diesem Costüme auf seinen Schaumünzen und Poctrcit? ausnahm, wo
er es einstweilen anticipirt hatte. Um so mehr nagte es an ihm. daß es eben
nur eine Fiction war und daß er es doch noch immer nicht mit Recht und vor
anderen-Berechtigten tragen durfte. Wer weiß, ob er nicht, um heute mit den
anwesenden elf Rittern im feierlichen Zug der in glänzendsten Schmucke mit der
Krone auf dem Haupte voranschreitenden Königin in die Se. Georgskapelle
folgen zu dürfen, sein halbes Herzogthum oder wenigstens die Grafschaft Mön«
pelgard gegeben hätte!

Einstweilen aber ging das Fest seinen stattlichen Gang. Nach Ordens«


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349917/24>, abgerufen am 22.07.2024.