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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band.

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Theil beschaffen können. In Händen hat es erst ein Bataillon der Garde. Es
wird schwer sein ein ganzes Armeecorps noch in der nächsten Zeit damit aus¬
zurüsten und mit der nothwendigen Munition zu versehen. Aber was hilft
selbst diesen das gute Gewehr, wenn sie in dessen Gebrauch nicht geübt sind.
Bis jetzt fehlte in der französischen Armee jede Schule für ihre Schießübungen
und es bedarf mehrer Jahre, bis sie sich eine solche aneignen und in allen
Chargen heimisch machen können. -- Es war grade das volle Bertrautsein mit
dem Zündnadelgewehr und dessen Leistungsfähigkeit, welche dem preußischen
Soldaten den östreichischen Stürmen gegenüber die volle Nuhe und Sicherheit
gab, und ihm ermöglichte alle Vorzüge desselben auszunützen.

Ein diesjähriger Krieg würde, wenn die ganze französische Armee mit
Chassepotgewehren ausgerüstet wäre, und selbst wenn das Zündnadelgewehr
gegen jenes zurückstände, doch dem letztern nothwendig den Vorrang überlassen
müssen.

Die französische Artillerie zählt 146 Batterien Z, 6 Geschützen, also 876 Geschütze,
die norddeutsche . . 195 - a 6 - - 1,170

Die erstem sind durchgängig gezogen, von den letztern circa 200 nicht, es
bleibt also in jeder Beziehung ein'Uebergewicht auf unsrer Seite.

Wenn wir das bisher Gesagte noch einmal überblicken, so dürfen wir,
was lie moralischen Elemente in der Armee, was die Effectivstärke der Armee
und was die Bewaffnung derselben betrifft, ruhig einem Kampf Deutschlands
mit Frankreich entgegensehen; ja, wenn dieser Kampf einmal nicht zu ver¬
meiden ist/ so müssen wir Angesichts aller französischen Revrganisationspläne
wünschen, daß der Krieg möglichst bald statthat.

Ein Uebergewicht der französischen Armee freilich müssen wir anerkennen:
in der Siegesgewißheit jedes Einzelnen, in der Kricgsgewohnhcit des Ganzen,
in der großgezogenen Thatkraft der Generale, kurz in der turig, ü-aneess. Wenn
Wir aber das Soldatengebot befolgen, "Laß dich nicht verblüffen", so werden
wir wohl auch darüber fortkommen.

Wie erfolgreich die Engländer stets ihre Ruhe den Franzosen gegenüber
geltend gemacht haben, läßt Trochu den Marschall Bugeaud in einer Schilde¬
rung des gewöhnlichen Verlaufs eines Gefechts wie folgt erzählen: "Je näher
wir dem Gegner kam>n, desto unruhiger wurden wir; der Ruf, "vivs 1'ewxeiöur,
a 1a Kavonette, en Avant", erscholl, die Gangart wurde immer rascher und
Einzelne singen an im Lauf zu schießen. Die Engländer, Gewehr bei Fuß,
schienen nichts von uns zu sehen oder zu hören. Einzelne von uns fanden,
daß der Feind sehr langsam sei; wenn er feure, werde es aber um so unbequemer
werden, die Ruhe des Gegners lagerte sich wie Blei auf die Seelen; aber die
Reihen gingen vorwärts. Da plötzlich macht sich der Gegner schußfertig, unsere
Leute beginnen ein unsicheres Feuer, aber eine feste Salve des Gegners schlägt


Theil beschaffen können. In Händen hat es erst ein Bataillon der Garde. Es
wird schwer sein ein ganzes Armeecorps noch in der nächsten Zeit damit aus¬
zurüsten und mit der nothwendigen Munition zu versehen. Aber was hilft
selbst diesen das gute Gewehr, wenn sie in dessen Gebrauch nicht geübt sind.
Bis jetzt fehlte in der französischen Armee jede Schule für ihre Schießübungen
und es bedarf mehrer Jahre, bis sie sich eine solche aneignen und in allen
Chargen heimisch machen können. — Es war grade das volle Bertrautsein mit
dem Zündnadelgewehr und dessen Leistungsfähigkeit, welche dem preußischen
Soldaten den östreichischen Stürmen gegenüber die volle Nuhe und Sicherheit
gab, und ihm ermöglichte alle Vorzüge desselben auszunützen.

Ein diesjähriger Krieg würde, wenn die ganze französische Armee mit
Chassepotgewehren ausgerüstet wäre, und selbst wenn das Zündnadelgewehr
gegen jenes zurückstände, doch dem letztern nothwendig den Vorrang überlassen
müssen.

Die französische Artillerie zählt 146 Batterien Z, 6 Geschützen, also 876 Geschütze,
die norddeutsche . . 195 - a 6 - - 1,170

Die erstem sind durchgängig gezogen, von den letztern circa 200 nicht, es
bleibt also in jeder Beziehung ein'Uebergewicht auf unsrer Seite.

Wenn wir das bisher Gesagte noch einmal überblicken, so dürfen wir,
was lie moralischen Elemente in der Armee, was die Effectivstärke der Armee
und was die Bewaffnung derselben betrifft, ruhig einem Kampf Deutschlands
mit Frankreich entgegensehen; ja, wenn dieser Kampf einmal nicht zu ver¬
meiden ist/ so müssen wir Angesichts aller französischen Revrganisationspläne
wünschen, daß der Krieg möglichst bald statthat.

Ein Uebergewicht der französischen Armee freilich müssen wir anerkennen:
in der Siegesgewißheit jedes Einzelnen, in der Kricgsgewohnhcit des Ganzen,
in der großgezogenen Thatkraft der Generale, kurz in der turig, ü-aneess. Wenn
Wir aber das Soldatengebot befolgen, „Laß dich nicht verblüffen", so werden
wir wohl auch darüber fortkommen.

Wie erfolgreich die Engländer stets ihre Ruhe den Franzosen gegenüber
geltend gemacht haben, läßt Trochu den Marschall Bugeaud in einer Schilde¬
rung des gewöhnlichen Verlaufs eines Gefechts wie folgt erzählen: „Je näher
wir dem Gegner kam>n, desto unruhiger wurden wir; der Ruf, „vivs 1'ewxeiöur,
a 1a Kavonette, en Avant", erscholl, die Gangart wurde immer rascher und
Einzelne singen an im Lauf zu schießen. Die Engländer, Gewehr bei Fuß,
schienen nichts von uns zu sehen oder zu hören. Einzelne von uns fanden,
daß der Feind sehr langsam sei; wenn er feure, werde es aber um so unbequemer
werden, die Ruhe des Gegners lagerte sich wie Blei auf die Seelen; aber die
Reihen gingen vorwärts. Da plötzlich macht sich der Gegner schußfertig, unsere
Leute beginnen ein unsicheres Feuer, aber eine feste Salve des Gegners schlägt


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349917/211>, abgerufen am 24.08.2024.