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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band.

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ung kannte und der es in der Landesverwaltung zu verschiedenen hohen Aem¬
tern und am Hofe bis zum Oberhofmcistcr des Erbprinzen gebracht hatte. Aus
gutem ritterbürtigem Hause, zugleich von unabhängiger Stellung, weil er reich
war, repräsentirte er den vollendeten deutschen Staats- und Hofmann der Zeit.
Nichts desto weniger gleicht sein Bild, wie es uns aus seinem Berichte hervortritt,
in allen Zügen dem Durchschnittsgesicht seiner damaligen und, setzen wir hinzu,
seiner spätere" Landsleute. Jene breitspurige, gemüthliche Schwatzhaftigkeit,
jener Anstrich behaglicher Naivetät, hinter der eine gute Portion von schlauer
Pfiffigkeit sich birgt, kann man noch jetzt bei jedem echtschwäbischen Bäuerinn
und Kleinbürger, und nicht blos bei einem solchen finden. Welche lächerliche
Rolle er auf jenem welthistorischen Schauplatz spielte, vermochte er nicht zu
ahnen; er hält sich nur immer an das Nächste und Kleinste, und wiegt sich in
dem Gefühle, unendlich klug manövrirt zu haben, weil er von den vornehmen
Herren in England mit weltmännischer Höflichkeit behandelt wurde, die freilich
uns Späteren ein gutes Theil ironisches Herabsehen nicht verbergen kann.

Wie der Mann, so war auch seine ganze Attitüde, in der er in England
auftrat, eine lächerlich kleinliche. Hätte es sich darum gehandelt, bei irgend¬
einem fürstlichen Better wegen eines besonders renommirten Schweißhundes zu
sollicitiren, ode, wegen der steuerfreien Zuiuhr eines Fuders eimbecker Bier,
so würde wahrscheinlich derselbe Apparat den betreffenden fürstlichen Boten um¬
geben haben, wie e> hin, wo es doch offenbar auf ein imposantes äußeres
Auftreten abgesehen sein sollte, dem guten schwäbischen Ritter und seinem fürst¬
lichen Herrn genügend erschien. Denn "ur mit einem herzoglichen Kammer¬
jungen -- Hofjunker heutigen Stils -- und einem Diener trat er seine Fahrt
an, unterwegs noch verstärkt durch den Junker Benjamin Bouwinghausen von
Wallmerode, der etwa nach heutiger Weise seinen Gesandtschaftssecretair vor¬
gestellt h>ben würde. Damals war er noch zu jung, um an der Spitze einer
Ambassade, sei es auch nur von vier Mann, zu stehen, bald darauf aber erwarb
er sich das Vertrauen des Herzogs so sehr, daß er ihn zu den wichtigsten
Swapgeschäften, namentlich zu den intricatcn Unterhandlungen mit Frankreich
und dem pfälzischen Hofe verwandte, woraus die Union der protestantischen
Fürsten hervorging. Dabei bewies dieser Bouwinghausen, der hier eigentlich
nnr als stumme Person, höchstens wie ein Famulus rede" dem ehrwürdigen
Magister legen" figurirt, entschiedene Geschäftsgewandthcit und man begegnet
seinem Namen in der Geschichte der Politiker Combinationen jener Zeit un¬
endlich oft.

Die Schicksale des Viergespanns unterwegs können billig übergangen
werden. Entsprechend seiner ganzen Tournüre bediente es sich der landesüblichen
Reisegelegenheiten, der kaiserlichen Postpferde, und wo diese nicht ausreichien,
der in schönster Concurrenz damit florirenden Matzgerpost, gemietheten Kähnen


Grenzboten II. 1867. 3

ung kannte und der es in der Landesverwaltung zu verschiedenen hohen Aem¬
tern und am Hofe bis zum Oberhofmcistcr des Erbprinzen gebracht hatte. Aus
gutem ritterbürtigem Hause, zugleich von unabhängiger Stellung, weil er reich
war, repräsentirte er den vollendeten deutschen Staats- und Hofmann der Zeit.
Nichts desto weniger gleicht sein Bild, wie es uns aus seinem Berichte hervortritt,
in allen Zügen dem Durchschnittsgesicht seiner damaligen und, setzen wir hinzu,
seiner spätere» Landsleute. Jene breitspurige, gemüthliche Schwatzhaftigkeit,
jener Anstrich behaglicher Naivetät, hinter der eine gute Portion von schlauer
Pfiffigkeit sich birgt, kann man noch jetzt bei jedem echtschwäbischen Bäuerinn
und Kleinbürger, und nicht blos bei einem solchen finden. Welche lächerliche
Rolle er auf jenem welthistorischen Schauplatz spielte, vermochte er nicht zu
ahnen; er hält sich nur immer an das Nächste und Kleinste, und wiegt sich in
dem Gefühle, unendlich klug manövrirt zu haben, weil er von den vornehmen
Herren in England mit weltmännischer Höflichkeit behandelt wurde, die freilich
uns Späteren ein gutes Theil ironisches Herabsehen nicht verbergen kann.

Wie der Mann, so war auch seine ganze Attitüde, in der er in England
auftrat, eine lächerlich kleinliche. Hätte es sich darum gehandelt, bei irgend¬
einem fürstlichen Better wegen eines besonders renommirten Schweißhundes zu
sollicitiren, ode, wegen der steuerfreien Zuiuhr eines Fuders eimbecker Bier,
so würde wahrscheinlich derselbe Apparat den betreffenden fürstlichen Boten um¬
geben haben, wie e> hin, wo es doch offenbar auf ein imposantes äußeres
Auftreten abgesehen sein sollte, dem guten schwäbischen Ritter und seinem fürst¬
lichen Herrn genügend erschien. Denn »ur mit einem herzoglichen Kammer¬
jungen — Hofjunker heutigen Stils — und einem Diener trat er seine Fahrt
an, unterwegs noch verstärkt durch den Junker Benjamin Bouwinghausen von
Wallmerode, der etwa nach heutiger Weise seinen Gesandtschaftssecretair vor¬
gestellt h>ben würde. Damals war er noch zu jung, um an der Spitze einer
Ambassade, sei es auch nur von vier Mann, zu stehen, bald darauf aber erwarb
er sich das Vertrauen des Herzogs so sehr, daß er ihn zu den wichtigsten
Swapgeschäften, namentlich zu den intricatcn Unterhandlungen mit Frankreich
und dem pfälzischen Hofe verwandte, woraus die Union der protestantischen
Fürsten hervorging. Dabei bewies dieser Bouwinghausen, der hier eigentlich
nnr als stumme Person, höchstens wie ein Famulus rede» dem ehrwürdigen
Magister legen« figurirt, entschiedene Geschäftsgewandthcit und man begegnet
seinem Namen in der Geschichte der Politiker Combinationen jener Zeit un¬
endlich oft.

Die Schicksale des Viergespanns unterwegs können billig übergangen
werden. Entsprechend seiner ganzen Tournüre bediente es sich der landesüblichen
Reisegelegenheiten, der kaiserlichen Postpferde, und wo diese nicht ausreichien,
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349917/21>, abgerufen am 22.07.2024.