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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band.

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Drastik. .Es ist nicht zu läugnen, daß unser deutsches Nationalgefühl dabei
eine nicht geringe Demüthigung hinnehmen muß, aber sie wird einigermaßen
durch das Komische der Situation neutralisirt. Handelte es sich hier um ernst¬
hafte Dinge, um wirkliche Angelegenheiten der Naiivn oder auch nur um die
Politik eines deutschen Hofes, so würde die Empfindung des gegenwärtigen
Lesers, vorausgesetzt daß er das Herz auf dem rechten Fleck hat, eine viel un¬
behaglichere sein, so aber ist es doch eigentlich nur eine Farce, die für sich allein
betrachtet unschuldig genannt werden mag.

Freilich liegt es nahe, sich an andere bedenklichere und bedenklichste Por¬
gänge verwandter Art zu erinnern. Denn nicht immer handelte es sich schon
damals darum, ein Ordensband für einen deutschen Fürsten zu erhaschen, sondern
reellere Dinge, Pensionen, Hilfsgelder und dergleichen, wofür als natürliche
Gegenleistung alles, was nicht gradezu zum offenen Perrath am Reiche ge¬
stempelt werden konnte, ausbedungen war. Schon länger als ein Jahrhundert
dauerte damals jene schmähliche Art des Verkehrs zwischen den deutschen Höfen
und den Fremden und noch war das Ehrgefühl und der politische Verstand des
deutschen Volkes so stumpf, daß man. nicht an der Sache selbst Anstoß nahm,
sondern nur an den Folgen, wenn sie der einen oeer andeni Partei gefährlich
wurden. Die Katholiken schrieen über Neubsverralh, wenn die Protestanten
Werbungen für Heinrich von Navarra oder Moritz von Nassau gestatteten, die
Protestanten, wenn deutsche Kriegsvölker den Spaniern zu Hilfe nach Mailand
oder den Niederlanden zogen. Erst als das ungeheure Unglück des dreißig¬
jährigen Krieges, die natürliche Frucht solcher giftigen Blüthen, da war, ahnte
man. woher das Elend stammte, aber damals hatte die öffentliche Meinung
schon alle Kraft verloren, dem allmächtigen Willen der Fürsten und der Staats¬
raison Halt zu gebieten. Allmälig gewöhnie sie sich mit der bekannten gemüth¬
lichen Gefügigkeit deutscher Art auch daran und ließ es, wie die allerneuesten
Exempel von 1866 beweisen, bis zu diesem heutigen Tage als ein altverjährtes
Herkommen sich gefallen. Der diplomatische Verkehr mit dem Ausland ist so
zu den uncmiastbaren Ehrenstücken unseres deutschen P.nticularherrscherthums
geworden und es wird selbst einer allmälig erstarkenden öffenilichen Meinung
und einer kräftigen Ccntralmacht schwer gelingen, grade diesen Krebsschaden zu
heilen. Denn geheilt ist er auch dann noch nicht, wenn er. wie Optimisten
als möglich sich vorstellen, blos auf solche und ähnliche Schnurrpfeifereien beschränkt
würde, wie sie unsere Schwaben in England betrieben.

Der Chef der Ambassade gehörte jedenfalls zu den bedeutendsten Geschäfts¬
leuten, über die Herzog Friedrich verfügen konnte. Es war der ehrenfeste
Hans Breuning Von und zu Buchenbach, ein Mann, der sich durch ausgedehnte
Reise" in Frankreich, Italien, sogar im Orient vielerlei Kenntnisse, namentlich
sprachliche Fertigkeiten erworben hatte, der auch England aus eigener Umschau-


Drastik. .Es ist nicht zu läugnen, daß unser deutsches Nationalgefühl dabei
eine nicht geringe Demüthigung hinnehmen muß, aber sie wird einigermaßen
durch das Komische der Situation neutralisirt. Handelte es sich hier um ernst¬
hafte Dinge, um wirkliche Angelegenheiten der Naiivn oder auch nur um die
Politik eines deutschen Hofes, so würde die Empfindung des gegenwärtigen
Lesers, vorausgesetzt daß er das Herz auf dem rechten Fleck hat, eine viel un¬
behaglichere sein, so aber ist es doch eigentlich nur eine Farce, die für sich allein
betrachtet unschuldig genannt werden mag.

Freilich liegt es nahe, sich an andere bedenklichere und bedenklichste Por¬
gänge verwandter Art zu erinnern. Denn nicht immer handelte es sich schon
damals darum, ein Ordensband für einen deutschen Fürsten zu erhaschen, sondern
reellere Dinge, Pensionen, Hilfsgelder und dergleichen, wofür als natürliche
Gegenleistung alles, was nicht gradezu zum offenen Perrath am Reiche ge¬
stempelt werden konnte, ausbedungen war. Schon länger als ein Jahrhundert
dauerte damals jene schmähliche Art des Verkehrs zwischen den deutschen Höfen
und den Fremden und noch war das Ehrgefühl und der politische Verstand des
deutschen Volkes so stumpf, daß man. nicht an der Sache selbst Anstoß nahm,
sondern nur an den Folgen, wenn sie der einen oeer andeni Partei gefährlich
wurden. Die Katholiken schrieen über Neubsverralh, wenn die Protestanten
Werbungen für Heinrich von Navarra oder Moritz von Nassau gestatteten, die
Protestanten, wenn deutsche Kriegsvölker den Spaniern zu Hilfe nach Mailand
oder den Niederlanden zogen. Erst als das ungeheure Unglück des dreißig¬
jährigen Krieges, die natürliche Frucht solcher giftigen Blüthen, da war, ahnte
man. woher das Elend stammte, aber damals hatte die öffentliche Meinung
schon alle Kraft verloren, dem allmächtigen Willen der Fürsten und der Staats¬
raison Halt zu gebieten. Allmälig gewöhnie sie sich mit der bekannten gemüth¬
lichen Gefügigkeit deutscher Art auch daran und ließ es, wie die allerneuesten
Exempel von 1866 beweisen, bis zu diesem heutigen Tage als ein altverjährtes
Herkommen sich gefallen. Der diplomatische Verkehr mit dem Ausland ist so
zu den uncmiastbaren Ehrenstücken unseres deutschen P.nticularherrscherthums
geworden und es wird selbst einer allmälig erstarkenden öffenilichen Meinung
und einer kräftigen Ccntralmacht schwer gelingen, grade diesen Krebsschaden zu
heilen. Denn geheilt ist er auch dann noch nicht, wenn er. wie Optimisten
als möglich sich vorstellen, blos auf solche und ähnliche Schnurrpfeifereien beschränkt
würde, wie sie unsere Schwaben in England betrieben.

Der Chef der Ambassade gehörte jedenfalls zu den bedeutendsten Geschäfts¬
leuten, über die Herzog Friedrich verfügen konnte. Es war der ehrenfeste
Hans Breuning Von und zu Buchenbach, ein Mann, der sich durch ausgedehnte
Reise» in Frankreich, Italien, sogar im Orient vielerlei Kenntnisse, namentlich
sprachliche Fertigkeiten erworben hatte, der auch England aus eigener Umschau-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349917/20>, abgerufen am 22.07.2024.