Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band.man auch hier die alten Texte, behielt aber die weniger radicale frühere Be¬ So ward denn also die Uebersetzung des Hieronymus bald so verbreitet, Keine Uebersetzung ist in der Christenheit so weit verbreitet, wie die Vulgata. ") Die Herstellung derselben hat eine eigene, sehr piquante Geschichte, bei der die Wahr¬ haftigkeit des römischen Hoff in ein höchst verdächtiges Licht tritt. 24'
man auch hier die alten Texte, behielt aber die weniger radicale frühere Be¬ So ward denn also die Uebersetzung des Hieronymus bald so verbreitet, Keine Uebersetzung ist in der Christenheit so weit verbreitet, wie die Vulgata. ") Die Herstellung derselben hat eine eigene, sehr piquante Geschichte, bei der die Wahr¬ haftigkeit des römischen Hoff in ein höchst verdächtiges Licht tritt. 24'
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man auch hier die alten Texte, behielt aber die weniger radicale frühere Be¬
arbeitung des Hieronymus nach der Septuaginta bei, und zwar wandte man
in gewissen Kirchen eine erste Redaction (Psalterium Komanum), in den meisten
eine etwas sorgfältigere spätere (?sa1terium KallieMum) an. Aus der alten
Vulgata behielt man nur die von Hieronymus nicht bearbeiteten Apokryphen bei.
So ward denn also die Uebersetzung des Hieronymus bald so verbreitet,
daß auch der alte Name der Gemeinüblichen, übemll Recipirten (Vulgata) auf
einen Text angewandt ward, dessen wichtigste Bestandtheile aus ihr genommen
waren. Freilich werden bei gewissen kirchlichen Handlungen i» der römischen
Kirche immer einige Stücke aus der alten Vulgata benutzt, und diese ist für
ihre Verdrängung dadurch gerächt, daß durch Reminiscenzen an sie der Text
des Hieronymus vielfach verderbt ist, aber sonst herrscht derselbe doch völlig.
Es ist gewiß als ein großes Glück zu betrachten, daß das Abendland in der
Finsterniß des Mittelalters das Alte Testament in einer relativ so treuen Ueber-
setzung las. Dagegen ist es doch selbst vom Standpunkt der römischen Kirche
aus schwerlich zu rechtfertigen, daß das tridcntiner Concil die ganze Vulgata,
sowohl in ihren älteren wie in ihren hieronymianischen Bestandtheilen für
authentisch erklärte. Hatte doch der Verfasser selbst sein Werk keineswegs für
fehlerfrei erkläit und dasselbe sogar in seinen Schriften nachträglich zuweilen
Verbessert. Es liegt aber eine eigene Ironie des Schicksals darin, daß die un¬
fehlbare Kirche ein Werk, daß sie anfangs mit entschiedenem Mißtrauen auf¬
genommen hatte, zuletzt so feierlich sanctionirte. Vergeblich haben sich später
wissenschaftliche Katholiken bemüht, den Sinn jenes Decrets etwas umzudeuten
und zu mildern. Sogar der Wortlaut des Textes ist den Gläubigen durch die
sogenannte sixtinische Ausgabe*) unter Androhung schwerer geistlicher Strafen fest¬
gestellt, wie auch für die römischen Christen griechischer Zunge eine „authentische"
Ausgabe der Septuaginta in Rom veranstaltet ist. An einer kritischen Ausgabe
fehlt es leider auch noch bei der Vulgata.
Keine Uebersetzung ist in der Christenheit so weit verbreitet, wie die Vulgata.
Dies Uebergewicht wird freilich dadurch erheblich beschränkt, daß die Bibel in
der römischen Kirche lange nicht die populäre Bedeutung hat, wie bei den
alten Christen und bei den Protestanten. Es ist schon bezeichnend, daß von
der Vulgata im Mittelalter nur wenige und aus dem kirchliche» Gebrauch
immer ausgeschlossene Uebersetzungen gemacht sind, so viel fremde Sprachen die
Kirche auch nach und nach damals unterwarf. Erst mit dem Anbruch der
neueren Zeit beginnt eine lange Reihe von Afterübersetzungen aus der Vulgata.
Für uns Deutsche hat diese übrigens schon dadurch große Bedeutung, daß
") Die Herstellung derselben hat eine eigene, sehr piquante Geschichte, bei der die Wahr¬
haftigkeit des römischen Hoff in ein höchst verdächtiges Licht tritt.
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