Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

die Angabe syrischer Schriftsteller, daß die Übersetzung der heiligen Schrift auf
Veranlassung des Apostels Addai und des Königs Abgar von Edessa geschehen
sei, ist nur insofern Gewicht zu legen, als darin die Anknüpfung derselben an
die erste Gründung des Christenthums in syrischen Landen liegt, als deren
Repräsentanten jene beiden Männer gelten. Allerdings denkt man zuerst an
die altchristliche Hauptstadt Edessa -- der noch ältere Sitz des Christenthums
Antiochia war ganz oder doch zum großen Theile hellenisirt -- als den Ort,
an dem dies Wert gemacht ist, um so mehr als wenigstens bei den späteren
Syrern die hier angewandte Sprache als die Mundart von Edessa bezeich¬
net wird.

Zu der Übersetzung der bei den Juden als kanonisch geltenden Schriften
kamen später noch nach und nach verschiedene unter sich ungleichartige syrische
Uebersetzungen der Apokryphen. Dieselben sind aus griechischen Texten gemacht,
nur das Buch Snach scheint aus dem uns leider verlorenen hebräischen Original
genommen zu sein.

Die Peschita ist in allen aramäischen Ländern als christliche Kirchenüber¬
setzung recipirt; nur die Christen Palästinas haben sich, wie erst in neuester
Zeit bekannt geworden ist, theilweise einer andern aus dem Griechischen ge¬
machten Übersetzung in ihrer eigenen Mundart bedient. In der Praxis war
also das Ansehen der Peschita sehr groß. Leider verkannten aber grade die
syrischen Gelehrten den Werth derselben nicht selten. Des Hebräischen unkundig,
wußten sie nicht, wie viel besser sie den Urtext wiedergiebt als die griechische
Übersetzung. Ihnen galt letztere vielmehr für authentisch, was freilich durch
ihre Abhängigkeit von griechischer Kirche und Wissenschaft hinlänglich erklärt
wird. Sehr früh begann daher das Streben, den syrischen Text nach der
Septuaginta zu "verbessern". Dies geschah theils gelegentlich, theils ganz
systematisch in gelehrten Werken. Namentlich seitdem es eine sklavisch wörtliche
syrische Uebersetzung des von Origenes festgestellten Septuagintatextcs gab (im
Jahre 617 durch den Bischof Paulus von Tela verfaßt), waren auch solche, die
nicht griechisch verstanden, im Stande, derartige Verbesserungen vorzunehmen.
Daher sind unsere Texte der Peschita voll von Glossen und Veränderungen aus
dem griechischen Text und es wird noch einer mühvollen Arbeit bedürfen, die¬
ser ehrwürdigen Übersetzung wieder ihre ursprüngliche Gestalt zurückzugeben.
Glücklicherweise besitzen wir jetzt in den Schätzen des britischen Museums
Handschriften, wenigstens von Theilen derselben, welche bis ins fünfte und
sechste Jahrhundert zurückgehen und außerdem hat uns der Fleiß syrischer
Gelehrten auch noch mit anderen textkritischen Hilfsmitteln versehen.

Von der Peschita sind nach dem Auskommen der arabischen Sprache auch
bei den Christen der syrischen Länder verschiedene arabische Afterübersetzungen
gemacht.


die Angabe syrischer Schriftsteller, daß die Übersetzung der heiligen Schrift auf
Veranlassung des Apostels Addai und des Königs Abgar von Edessa geschehen
sei, ist nur insofern Gewicht zu legen, als darin die Anknüpfung derselben an
die erste Gründung des Christenthums in syrischen Landen liegt, als deren
Repräsentanten jene beiden Männer gelten. Allerdings denkt man zuerst an
die altchristliche Hauptstadt Edessa — der noch ältere Sitz des Christenthums
Antiochia war ganz oder doch zum großen Theile hellenisirt — als den Ort,
an dem dies Wert gemacht ist, um so mehr als wenigstens bei den späteren
Syrern die hier angewandte Sprache als die Mundart von Edessa bezeich¬
net wird.

Zu der Übersetzung der bei den Juden als kanonisch geltenden Schriften
kamen später noch nach und nach verschiedene unter sich ungleichartige syrische
Uebersetzungen der Apokryphen. Dieselben sind aus griechischen Texten gemacht,
nur das Buch Snach scheint aus dem uns leider verlorenen hebräischen Original
genommen zu sein.

Die Peschita ist in allen aramäischen Ländern als christliche Kirchenüber¬
setzung recipirt; nur die Christen Palästinas haben sich, wie erst in neuester
Zeit bekannt geworden ist, theilweise einer andern aus dem Griechischen ge¬
machten Übersetzung in ihrer eigenen Mundart bedient. In der Praxis war
also das Ansehen der Peschita sehr groß. Leider verkannten aber grade die
syrischen Gelehrten den Werth derselben nicht selten. Des Hebräischen unkundig,
wußten sie nicht, wie viel besser sie den Urtext wiedergiebt als die griechische
Übersetzung. Ihnen galt letztere vielmehr für authentisch, was freilich durch
ihre Abhängigkeit von griechischer Kirche und Wissenschaft hinlänglich erklärt
wird. Sehr früh begann daher das Streben, den syrischen Text nach der
Septuaginta zu „verbessern". Dies geschah theils gelegentlich, theils ganz
systematisch in gelehrten Werken. Namentlich seitdem es eine sklavisch wörtliche
syrische Uebersetzung des von Origenes festgestellten Septuagintatextcs gab (im
Jahre 617 durch den Bischof Paulus von Tela verfaßt), waren auch solche, die
nicht griechisch verstanden, im Stande, derartige Verbesserungen vorzunehmen.
Daher sind unsere Texte der Peschita voll von Glossen und Veränderungen aus
dem griechischen Text und es wird noch einer mühvollen Arbeit bedürfen, die¬
ser ehrwürdigen Übersetzung wieder ihre ursprüngliche Gestalt zurückzugeben.
Glücklicherweise besitzen wir jetzt in den Schätzen des britischen Museums
Handschriften, wenigstens von Theilen derselben, welche bis ins fünfte und
sechste Jahrhundert zurückgehen und außerdem hat uns der Fleiß syrischer
Gelehrten auch noch mit anderen textkritischen Hilfsmitteln versehen.

Von der Peschita sind nach dem Auskommen der arabischen Sprache auch
bei den Christen der syrischen Länder verschiedene arabische Afterübersetzungen
gemacht.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0188" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/190882"/>
            <p xml:id="ID_589" prev="#ID_588"> die Angabe syrischer Schriftsteller, daß die Übersetzung der heiligen Schrift auf<lb/>
Veranlassung des Apostels Addai und des Königs Abgar von Edessa geschehen<lb/>
sei, ist nur insofern Gewicht zu legen, als darin die Anknüpfung derselben an<lb/>
die erste Gründung des Christenthums in syrischen Landen liegt, als deren<lb/>
Repräsentanten jene beiden Männer gelten. Allerdings denkt man zuerst an<lb/>
die altchristliche Hauptstadt Edessa &#x2014; der noch ältere Sitz des Christenthums<lb/>
Antiochia war ganz oder doch zum großen Theile hellenisirt &#x2014; als den Ort,<lb/>
an dem dies Wert gemacht ist, um so mehr als wenigstens bei den späteren<lb/>
Syrern die hier angewandte Sprache als die Mundart von Edessa bezeich¬<lb/>
net wird.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_590"> Zu der Übersetzung der bei den Juden als kanonisch geltenden Schriften<lb/>
kamen später noch nach und nach verschiedene unter sich ungleichartige syrische<lb/>
Uebersetzungen der Apokryphen. Dieselben sind aus griechischen Texten gemacht,<lb/>
nur das Buch Snach scheint aus dem uns leider verlorenen hebräischen Original<lb/>
genommen zu sein.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_591"> Die Peschita ist in allen aramäischen Ländern als christliche Kirchenüber¬<lb/>
setzung recipirt; nur die Christen Palästinas haben sich, wie erst in neuester<lb/>
Zeit bekannt geworden ist, theilweise einer andern aus dem Griechischen ge¬<lb/>
machten Übersetzung in ihrer eigenen Mundart bedient. In der Praxis war<lb/>
also das Ansehen der Peschita sehr groß. Leider verkannten aber grade die<lb/>
syrischen Gelehrten den Werth derselben nicht selten. Des Hebräischen unkundig,<lb/>
wußten sie nicht, wie viel besser sie den Urtext wiedergiebt als die griechische<lb/>
Übersetzung. Ihnen galt letztere vielmehr für authentisch, was freilich durch<lb/>
ihre Abhängigkeit von griechischer Kirche und Wissenschaft hinlänglich erklärt<lb/>
wird. Sehr früh begann daher das Streben, den syrischen Text nach der<lb/>
Septuaginta zu &#x201E;verbessern". Dies geschah theils gelegentlich, theils ganz<lb/>
systematisch in gelehrten Werken. Namentlich seitdem es eine sklavisch wörtliche<lb/>
syrische Uebersetzung des von Origenes festgestellten Septuagintatextcs gab (im<lb/>
Jahre 617 durch den Bischof Paulus von Tela verfaßt), waren auch solche, die<lb/>
nicht griechisch verstanden, im Stande, derartige Verbesserungen vorzunehmen.<lb/>
Daher sind unsere Texte der Peschita voll von Glossen und Veränderungen aus<lb/>
dem griechischen Text und es wird noch einer mühvollen Arbeit bedürfen, die¬<lb/>
ser ehrwürdigen Übersetzung wieder ihre ursprüngliche Gestalt zurückzugeben.<lb/>
Glücklicherweise besitzen wir jetzt in den Schätzen des britischen Museums<lb/>
Handschriften, wenigstens von Theilen derselben, welche bis ins fünfte und<lb/>
sechste Jahrhundert zurückgehen und außerdem hat uns der Fleiß syrischer<lb/>
Gelehrten auch noch mit anderen textkritischen Hilfsmitteln versehen.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_592"> Von der Peschita sind nach dem Auskommen der arabischen Sprache auch<lb/>
bei den Christen der syrischen Länder verschiedene arabische Afterübersetzungen<lb/>
gemacht.</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0188] die Angabe syrischer Schriftsteller, daß die Übersetzung der heiligen Schrift auf Veranlassung des Apostels Addai und des Königs Abgar von Edessa geschehen sei, ist nur insofern Gewicht zu legen, als darin die Anknüpfung derselben an die erste Gründung des Christenthums in syrischen Landen liegt, als deren Repräsentanten jene beiden Männer gelten. Allerdings denkt man zuerst an die altchristliche Hauptstadt Edessa — der noch ältere Sitz des Christenthums Antiochia war ganz oder doch zum großen Theile hellenisirt — als den Ort, an dem dies Wert gemacht ist, um so mehr als wenigstens bei den späteren Syrern die hier angewandte Sprache als die Mundart von Edessa bezeich¬ net wird. Zu der Übersetzung der bei den Juden als kanonisch geltenden Schriften kamen später noch nach und nach verschiedene unter sich ungleichartige syrische Uebersetzungen der Apokryphen. Dieselben sind aus griechischen Texten gemacht, nur das Buch Snach scheint aus dem uns leider verlorenen hebräischen Original genommen zu sein. Die Peschita ist in allen aramäischen Ländern als christliche Kirchenüber¬ setzung recipirt; nur die Christen Palästinas haben sich, wie erst in neuester Zeit bekannt geworden ist, theilweise einer andern aus dem Griechischen ge¬ machten Übersetzung in ihrer eigenen Mundart bedient. In der Praxis war also das Ansehen der Peschita sehr groß. Leider verkannten aber grade die syrischen Gelehrten den Werth derselben nicht selten. Des Hebräischen unkundig, wußten sie nicht, wie viel besser sie den Urtext wiedergiebt als die griechische Übersetzung. Ihnen galt letztere vielmehr für authentisch, was freilich durch ihre Abhängigkeit von griechischer Kirche und Wissenschaft hinlänglich erklärt wird. Sehr früh begann daher das Streben, den syrischen Text nach der Septuaginta zu „verbessern". Dies geschah theils gelegentlich, theils ganz systematisch in gelehrten Werken. Namentlich seitdem es eine sklavisch wörtliche syrische Uebersetzung des von Origenes festgestellten Septuagintatextcs gab (im Jahre 617 durch den Bischof Paulus von Tela verfaßt), waren auch solche, die nicht griechisch verstanden, im Stande, derartige Verbesserungen vorzunehmen. Daher sind unsere Texte der Peschita voll von Glossen und Veränderungen aus dem griechischen Text und es wird noch einer mühvollen Arbeit bedürfen, die¬ ser ehrwürdigen Übersetzung wieder ihre ursprüngliche Gestalt zurückzugeben. Glücklicherweise besitzen wir jetzt in den Schätzen des britischen Museums Handschriften, wenigstens von Theilen derselben, welche bis ins fünfte und sechste Jahrhundert zurückgehen und außerdem hat uns der Fleiß syrischer Gelehrten auch noch mit anderen textkritischen Hilfsmitteln versehen. Von der Peschita sind nach dem Auskommen der arabischen Sprache auch bei den Christen der syrischen Länder verschiedene arabische Afterübersetzungen gemacht.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349917
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349917/188
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349917/188>, abgerufen am 22.07.2024.