Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

von, den angeblichen Freiherrn v. Prurbhoff und Grebschütz, in der drastischen
Weise der Zeit bestrafen lassen konnte, indem er ihn, der goldene Berge ver-
sp.vnsen, an einem eisernen Galgen und in einem Kleide von Rauschgold in
das Jenseits beförderte, mochte seiner fürstlichen Indignation wohl eine Genug¬
thuung geben, brachte aber das verlaborirte wirkliche Gold nicht wieder und
schützte auch nicht vor andern ebenso kostspieligen und ärgerlichen Erfahrungen.

Der Stuttgarter Hof gehörte unter diesem Herzog jedenfalls zu den Stätten,
wo ein etwas geringeres Maß von Roheit und Schlemmen im heimischen Stil
geduldet wurde. Zum Ersatz dafür mußte der aus der Fremde importirte Hof-
pruiik. ein Gemisch spanischen, italienischen, französischen und englischen Cultus
der Majestät dienen. Der Herzog im Vollgefühl seiner Würde sonnte sich gern
daran, aber er hatte zu viel von der Welt gesehen, als daß ihm nicht daran
gelegen gewesen wäre, auch draußen an den großen Höfen eine stattliche Figur
zu spielen. Die Handhabe dazu boten die politischen Beziehungen, die zunächst
nach Frankreich und dann auch nach England wiesen. Nach der Art der Zeit
imponirten ihm jene prunkenden Spielereien der modernen Ritterorden, die man
allerdings auch in Deutschland, aber in sehr bescheidenem Maßstab eingebürgert
hatte. Denn wo hätte sich das Ceremoniell und das Costüm des branden¬
burgischen Schwanenvrdens z. B. mit der Gala und den Knalleffecten an den
Kapitcltagcn des Se. Michael oder gar deS Se. Georg vergleichen lassen? Da
Herzog Friedrich wie allen von der alten Kirche Abgefallenen der Zugang zu
dem wahren Heiligthum dieses Mummenschanzes, zu dem goldenen Vließe, ver¬
sperrt war, so richteten sich seine Augen desto sehnsüchtiger nach jenen beiden
anderen Gestirnen ersten Ranges. Heinrich der Vierte war gegen einen deutschen
Fürsten, einen Mann von bedeutenden geistigen und materiellen Mitteln nicht
spröde. Für den Se. Michael, den er ihm bereitwilligst und durch allerlei echt
französische Artigkeiten gewürzt ertheilte, hoffte er bei den immer prägnanter
hervortretenden Gruppirungen der großen politischen und religiösen Parteien im
Reiche und in Europa reichliche Gegenleistung erwarte" zu dürfen, doch sind
Geber und Empfänger unerwartet früh und ehe sich eine wirkliche Action be¬
ginnen ließ, vom Tode weggerafft worden.

Mehr aber als der Se. Michael reizte den deutschen Herzog der englische
Se. Georg, schon weil sein Ceremoniell und Ordcnöhabit noch viel barocker und
ausfälliger war als das des französischen Michaels, dann aber auch, weil der
letztere eine so gut wie unbeschränkte Zahl von Inhabern hatte, der letztere
aber statutenmäßig noch immer nur auf 26 Häupter beschränkt war. Welche
Aussicht für den Ehrgeiz eines verhältnißmäßig unbedeutenden Reichsfürsten,
darunter neben den vornehmsten Königen und Herren der Christenheit zu para-
diren! Noch als bloßer Graf von Mömpelgard hatte er frühere politische Ver¬
bindungen mit dem englischen Hofe benutzt, um diesem einen Besuch abzustatten.


von, den angeblichen Freiherrn v. Prurbhoff und Grebschütz, in der drastischen
Weise der Zeit bestrafen lassen konnte, indem er ihn, der goldene Berge ver-
sp.vnsen, an einem eisernen Galgen und in einem Kleide von Rauschgold in
das Jenseits beförderte, mochte seiner fürstlichen Indignation wohl eine Genug¬
thuung geben, brachte aber das verlaborirte wirkliche Gold nicht wieder und
schützte auch nicht vor andern ebenso kostspieligen und ärgerlichen Erfahrungen.

Der Stuttgarter Hof gehörte unter diesem Herzog jedenfalls zu den Stätten,
wo ein etwas geringeres Maß von Roheit und Schlemmen im heimischen Stil
geduldet wurde. Zum Ersatz dafür mußte der aus der Fremde importirte Hof-
pruiik. ein Gemisch spanischen, italienischen, französischen und englischen Cultus
der Majestät dienen. Der Herzog im Vollgefühl seiner Würde sonnte sich gern
daran, aber er hatte zu viel von der Welt gesehen, als daß ihm nicht daran
gelegen gewesen wäre, auch draußen an den großen Höfen eine stattliche Figur
zu spielen. Die Handhabe dazu boten die politischen Beziehungen, die zunächst
nach Frankreich und dann auch nach England wiesen. Nach der Art der Zeit
imponirten ihm jene prunkenden Spielereien der modernen Ritterorden, die man
allerdings auch in Deutschland, aber in sehr bescheidenem Maßstab eingebürgert
hatte. Denn wo hätte sich das Ceremoniell und das Costüm des branden¬
burgischen Schwanenvrdens z. B. mit der Gala und den Knalleffecten an den
Kapitcltagcn des Se. Michael oder gar deS Se. Georg vergleichen lassen? Da
Herzog Friedrich wie allen von der alten Kirche Abgefallenen der Zugang zu
dem wahren Heiligthum dieses Mummenschanzes, zu dem goldenen Vließe, ver¬
sperrt war, so richteten sich seine Augen desto sehnsüchtiger nach jenen beiden
anderen Gestirnen ersten Ranges. Heinrich der Vierte war gegen einen deutschen
Fürsten, einen Mann von bedeutenden geistigen und materiellen Mitteln nicht
spröde. Für den Se. Michael, den er ihm bereitwilligst und durch allerlei echt
französische Artigkeiten gewürzt ertheilte, hoffte er bei den immer prägnanter
hervortretenden Gruppirungen der großen politischen und religiösen Parteien im
Reiche und in Europa reichliche Gegenleistung erwarte» zu dürfen, doch sind
Geber und Empfänger unerwartet früh und ehe sich eine wirkliche Action be¬
ginnen ließ, vom Tode weggerafft worden.

Mehr aber als der Se. Michael reizte den deutschen Herzog der englische
Se. Georg, schon weil sein Ceremoniell und Ordcnöhabit noch viel barocker und
ausfälliger war als das des französischen Michaels, dann aber auch, weil der
letztere eine so gut wie unbeschränkte Zahl von Inhabern hatte, der letztere
aber statutenmäßig noch immer nur auf 26 Häupter beschränkt war. Welche
Aussicht für den Ehrgeiz eines verhältnißmäßig unbedeutenden Reichsfürsten,
darunter neben den vornehmsten Königen und Herren der Christenheit zu para-
diren! Noch als bloßer Graf von Mömpelgard hatte er frühere politische Ver¬
bindungen mit dem englischen Hofe benutzt, um diesem einen Besuch abzustatten.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0018" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/190712"/>
          <p xml:id="ID_35" prev="#ID_34"> von, den angeblichen Freiherrn v. Prurbhoff und Grebschütz, in der drastischen<lb/>
Weise der Zeit bestrafen lassen konnte, indem er ihn, der goldene Berge ver-<lb/>
sp.vnsen, an einem eisernen Galgen und in einem Kleide von Rauschgold in<lb/>
das Jenseits beförderte, mochte seiner fürstlichen Indignation wohl eine Genug¬<lb/>
thuung geben, brachte aber das verlaborirte wirkliche Gold nicht wieder und<lb/>
schützte auch nicht vor andern ebenso kostspieligen und ärgerlichen Erfahrungen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_36"> Der Stuttgarter Hof gehörte unter diesem Herzog jedenfalls zu den Stätten,<lb/>
wo ein etwas geringeres Maß von Roheit und Schlemmen im heimischen Stil<lb/>
geduldet wurde. Zum Ersatz dafür mußte der aus der Fremde importirte Hof-<lb/>
pruiik. ein Gemisch spanischen, italienischen, französischen und englischen Cultus<lb/>
der Majestät dienen. Der Herzog im Vollgefühl seiner Würde sonnte sich gern<lb/>
daran, aber er hatte zu viel von der Welt gesehen, als daß ihm nicht daran<lb/>
gelegen gewesen wäre, auch draußen an den großen Höfen eine stattliche Figur<lb/>
zu spielen. Die Handhabe dazu boten die politischen Beziehungen, die zunächst<lb/>
nach Frankreich und dann auch nach England wiesen. Nach der Art der Zeit<lb/>
imponirten ihm jene prunkenden Spielereien der modernen Ritterorden, die man<lb/>
allerdings auch in Deutschland, aber in sehr bescheidenem Maßstab eingebürgert<lb/>
hatte. Denn wo hätte sich das Ceremoniell und das Costüm des branden¬<lb/>
burgischen Schwanenvrdens z. B. mit der Gala und den Knalleffecten an den<lb/>
Kapitcltagcn des Se. Michael oder gar deS Se. Georg vergleichen lassen? Da<lb/>
Herzog Friedrich wie allen von der alten Kirche Abgefallenen der Zugang zu<lb/>
dem wahren Heiligthum dieses Mummenschanzes, zu dem goldenen Vließe, ver¬<lb/>
sperrt war, so richteten sich seine Augen desto sehnsüchtiger nach jenen beiden<lb/>
anderen Gestirnen ersten Ranges. Heinrich der Vierte war gegen einen deutschen<lb/>
Fürsten, einen Mann von bedeutenden geistigen und materiellen Mitteln nicht<lb/>
spröde. Für den Se. Michael, den er ihm bereitwilligst und durch allerlei echt<lb/>
französische Artigkeiten gewürzt ertheilte, hoffte er bei den immer prägnanter<lb/>
hervortretenden Gruppirungen der großen politischen und religiösen Parteien im<lb/>
Reiche und in Europa reichliche Gegenleistung erwarte» zu dürfen, doch sind<lb/>
Geber und Empfänger unerwartet früh und ehe sich eine wirkliche Action be¬<lb/>
ginnen ließ, vom Tode weggerafft worden.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_37" next="#ID_38"> Mehr aber als der Se. Michael reizte den deutschen Herzog der englische<lb/>
Se. Georg, schon weil sein Ceremoniell und Ordcnöhabit noch viel barocker und<lb/>
ausfälliger war als das des französischen Michaels, dann aber auch, weil der<lb/>
letztere eine so gut wie unbeschränkte Zahl von Inhabern hatte, der letztere<lb/>
aber statutenmäßig noch immer nur auf 26 Häupter beschränkt war. Welche<lb/>
Aussicht für den Ehrgeiz eines verhältnißmäßig unbedeutenden Reichsfürsten,<lb/>
darunter neben den vornehmsten Königen und Herren der Christenheit zu para-<lb/>
diren! Noch als bloßer Graf von Mömpelgard hatte er frühere politische Ver¬<lb/>
bindungen mit dem englischen Hofe benutzt, um diesem einen Besuch abzustatten.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0018] von, den angeblichen Freiherrn v. Prurbhoff und Grebschütz, in der drastischen Weise der Zeit bestrafen lassen konnte, indem er ihn, der goldene Berge ver- sp.vnsen, an einem eisernen Galgen und in einem Kleide von Rauschgold in das Jenseits beförderte, mochte seiner fürstlichen Indignation wohl eine Genug¬ thuung geben, brachte aber das verlaborirte wirkliche Gold nicht wieder und schützte auch nicht vor andern ebenso kostspieligen und ärgerlichen Erfahrungen. Der Stuttgarter Hof gehörte unter diesem Herzog jedenfalls zu den Stätten, wo ein etwas geringeres Maß von Roheit und Schlemmen im heimischen Stil geduldet wurde. Zum Ersatz dafür mußte der aus der Fremde importirte Hof- pruiik. ein Gemisch spanischen, italienischen, französischen und englischen Cultus der Majestät dienen. Der Herzog im Vollgefühl seiner Würde sonnte sich gern daran, aber er hatte zu viel von der Welt gesehen, als daß ihm nicht daran gelegen gewesen wäre, auch draußen an den großen Höfen eine stattliche Figur zu spielen. Die Handhabe dazu boten die politischen Beziehungen, die zunächst nach Frankreich und dann auch nach England wiesen. Nach der Art der Zeit imponirten ihm jene prunkenden Spielereien der modernen Ritterorden, die man allerdings auch in Deutschland, aber in sehr bescheidenem Maßstab eingebürgert hatte. Denn wo hätte sich das Ceremoniell und das Costüm des branden¬ burgischen Schwanenvrdens z. B. mit der Gala und den Knalleffecten an den Kapitcltagcn des Se. Michael oder gar deS Se. Georg vergleichen lassen? Da Herzog Friedrich wie allen von der alten Kirche Abgefallenen der Zugang zu dem wahren Heiligthum dieses Mummenschanzes, zu dem goldenen Vließe, ver¬ sperrt war, so richteten sich seine Augen desto sehnsüchtiger nach jenen beiden anderen Gestirnen ersten Ranges. Heinrich der Vierte war gegen einen deutschen Fürsten, einen Mann von bedeutenden geistigen und materiellen Mitteln nicht spröde. Für den Se. Michael, den er ihm bereitwilligst und durch allerlei echt französische Artigkeiten gewürzt ertheilte, hoffte er bei den immer prägnanter hervortretenden Gruppirungen der großen politischen und religiösen Parteien im Reiche und in Europa reichliche Gegenleistung erwarte» zu dürfen, doch sind Geber und Empfänger unerwartet früh und ehe sich eine wirkliche Action be¬ ginnen ließ, vom Tode weggerafft worden. Mehr aber als der Se. Michael reizte den deutschen Herzog der englische Se. Georg, schon weil sein Ceremoniell und Ordcnöhabit noch viel barocker und ausfälliger war als das des französischen Michaels, dann aber auch, weil der letztere eine so gut wie unbeschränkte Zahl von Inhabern hatte, der letztere aber statutenmäßig noch immer nur auf 26 Häupter beschränkt war. Welche Aussicht für den Ehrgeiz eines verhältnißmäßig unbedeutenden Reichsfürsten, darunter neben den vornehmsten Königen und Herren der Christenheit zu para- diren! Noch als bloßer Graf von Mömpelgard hatte er frühere politische Ver¬ bindungen mit dem englischen Hofe benutzt, um diesem einen Besuch abzustatten.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349917
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349917/18
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349917/18>, abgerufen am 22.07.2024.