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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band.

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den Jesuiten aus den Angeln heben zu können vermeinten,. Ucbngens läßt
sich auch daran jene eigenthümliche Mittelstellung des Herzog? herausfühlen,
die er in der Politik mehr no h wie >n confessienellcn Dingen einnahm. Er
war gebildet genng, um sich von jedem Fanatismus frei zu halten, nicht, wie
die meiste" andern Fürsten der Zeit/ zu träge und bequem, um offensiv vorzu¬
gehen. Aber er wollte auch den protestantischen Interessen nicht das Geringste
vergeben, schon weil er ihren engsten Zusammenhang mit den Interessen der
fürstlichen Macht durchschaute. So hätte er gerne seine Glaubensgenossen, wozu
er für sich selbst auch die Calvinisten zählte, zu einem starken Dcfensivbnnd.
etwa wie die Jice der spater ins Leben tretenden Union ursprünglich war,
geschaart gesehen, aber ohne den Frieden in>t den katholischen Ständen zu ge¬
fährden und namentlich ohne sein persönliches gutes Benehmen mit dem Kaiser
und dem Haus Oestreich aufs Spiel zu setzen. Dies letztere zu Pflegen, war
vielmehr eine Hauptaufgabe für ihn und er hatte triftige Gründe dazu. Es
gelang ihm, jener schwierigen und bedenklichen Lehcnsherrlicbkeii Oestreichs über
Würtemberg, die seit 1Ü34 bestand, ein Ende zu mache". Geschickte diploma¬
tische Manöver und ni"ige hunderttausend Gulden bewogen den stets geld-
bedürftigen Kaiser Rudolph darauf zu verzichten. Damit allein schon würde
Herzog Friedrich sich ein Anrecht auf dankbare Erinnerung in seinem engern
Vaterland erworben haben, denn die möglichen Konsequenzen der östreichischen
lehensrechtlichen Ansprüche wirkten immer wie ein Scbreckgespensl auf die gut
lutherischen Schwaben, sodaß selbst die pflichtmäßig überaus harthörige Land¬
schaft endlich dem Andringen des Herzogs auf Bezahlung der Ablösungs¬
summe aus Landesmitteln nicht widerstehen konnte.

Auch in der eigentliche" Landesregierung war dieser Herzog ein Mann der
Bewegung und des Fortschritts; nur begreiflich oft zu ungeduldig und im Be¬
wußtsein seiner fürstlichen Machtvollkommenheit geneigt Früchte zu pflücken, ehe
noch die gepflanzten Bäume angewurzelt sein konnten. Es war nicht blos die
Sucht und das Bedürfniß so rasch und so viel als möglich Geld zusammenzu¬
schlagen, was ihn die Schiffbarmachung des Neckar, die Verbesserung der Han¬
delswege, die Einführung neuer Industriezweige betreiben ließ. Er wollte dem
Lande damit nützen und sich einen Namen machen. Auch wenn er an fünfzig,
sechzig Orten auf einmal nach Erz schürfen ließ, mit der stillen Hoffnung auf
eine oder zwei reiche Goldadern zu stoßen, so täuschte" ihn zwar die meisten
dieser Projecte. aber einige davon, wie die Anlage der Bergstadt Freudenstadt,
haben sich doch als lebensfähig erwiesen. Natürlich mußte auch er der Zeit
ihren Tribut bezahlen. Auch er wäre gern schnell reich geworden und glaubte
es durch die Alchemie werden zu können. Er selbst war ein eifriger Laborant,
was damals unter den Fürsten noch nicht Mode war, aber auch er wurde von
unverschämten Abenteurern schmählich betrogen, wie üblich. Daß er einen da-


den Jesuiten aus den Angeln heben zu können vermeinten,. Ucbngens läßt
sich auch daran jene eigenthümliche Mittelstellung des Herzog? herausfühlen,
die er in der Politik mehr no h wie >n confessienellcn Dingen einnahm. Er
war gebildet genng, um sich von jedem Fanatismus frei zu halten, nicht, wie
die meiste» andern Fürsten der Zeit/ zu träge und bequem, um offensiv vorzu¬
gehen. Aber er wollte auch den protestantischen Interessen nicht das Geringste
vergeben, schon weil er ihren engsten Zusammenhang mit den Interessen der
fürstlichen Macht durchschaute. So hätte er gerne seine Glaubensgenossen, wozu
er für sich selbst auch die Calvinisten zählte, zu einem starken Dcfensivbnnd.
etwa wie die Jice der spater ins Leben tretenden Union ursprünglich war,
geschaart gesehen, aber ohne den Frieden in>t den katholischen Ständen zu ge¬
fährden und namentlich ohne sein persönliches gutes Benehmen mit dem Kaiser
und dem Haus Oestreich aufs Spiel zu setzen. Dies letztere zu Pflegen, war
vielmehr eine Hauptaufgabe für ihn und er hatte triftige Gründe dazu. Es
gelang ihm, jener schwierigen und bedenklichen Lehcnsherrlicbkeii Oestreichs über
Würtemberg, die seit 1Ü34 bestand, ein Ende zu mache». Geschickte diploma¬
tische Manöver und ni»ige hunderttausend Gulden bewogen den stets geld-
bedürftigen Kaiser Rudolph darauf zu verzichten. Damit allein schon würde
Herzog Friedrich sich ein Anrecht auf dankbare Erinnerung in seinem engern
Vaterland erworben haben, denn die möglichen Konsequenzen der östreichischen
lehensrechtlichen Ansprüche wirkten immer wie ein Scbreckgespensl auf die gut
lutherischen Schwaben, sodaß selbst die pflichtmäßig überaus harthörige Land¬
schaft endlich dem Andringen des Herzogs auf Bezahlung der Ablösungs¬
summe aus Landesmitteln nicht widerstehen konnte.

Auch in der eigentliche» Landesregierung war dieser Herzog ein Mann der
Bewegung und des Fortschritts; nur begreiflich oft zu ungeduldig und im Be¬
wußtsein seiner fürstlichen Machtvollkommenheit geneigt Früchte zu pflücken, ehe
noch die gepflanzten Bäume angewurzelt sein konnten. Es war nicht blos die
Sucht und das Bedürfniß so rasch und so viel als möglich Geld zusammenzu¬
schlagen, was ihn die Schiffbarmachung des Neckar, die Verbesserung der Han¬
delswege, die Einführung neuer Industriezweige betreiben ließ. Er wollte dem
Lande damit nützen und sich einen Namen machen. Auch wenn er an fünfzig,
sechzig Orten auf einmal nach Erz schürfen ließ, mit der stillen Hoffnung auf
eine oder zwei reiche Goldadern zu stoßen, so täuschte» ihn zwar die meisten
dieser Projecte. aber einige davon, wie die Anlage der Bergstadt Freudenstadt,
haben sich doch als lebensfähig erwiesen. Natürlich mußte auch er der Zeit
ihren Tribut bezahlen. Auch er wäre gern schnell reich geworden und glaubte
es durch die Alchemie werden zu können. Er selbst war ein eifriger Laborant,
was damals unter den Fürsten noch nicht Mode war, aber auch er wurde von
unverschämten Abenteurern schmählich betrogen, wie üblich. Daß er einen da-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349917/17>, abgerufen am 22.07.2024.