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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band.

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Sympathie mit dem der Nationalliberalen, dem kahler - miquölscben, kund
gegeben, wurde dies, nach Ablehnung der andern, mit dem Art. 71 vom Hause
angenommen und nach einigen kurzen unwesentlichen Debatten und einem von
Kantat erhobenen nochmaligen Polen-Veto auch Eingangsformel und Titel
d'es Regierungscntwurss bestätigt.




In zwei entscheidenden Sitzungen am 15. und 16. April ist der Reichstag
mit der Schlußberatchung der Verfassung, wie sie aus den Vorberathungen her¬
vorgegangen war, zu Ende gekommen. Die Abstimmung über das Werk hat
ihm die gesetzliche Weihe gegeben. Die Befürchtungen seines schließlich"!" Schei¬
terns an irgendwelchem noch zu erhebenden Widerspruch gegen das Ganze haben
sich nicht bestätigt. Das Resultat der Berathungen, welche unter den verbün¬
deten Regierungen seit dem letzten Mittwoch über ihr Verhalten zu dem in der
Vorberathung amendirtcn Entwurf geführt worden waren, theilte Graf Bis-
nrarck der Versammlung zu Eingang der Montagsitzung mit: Nachgiebigkeit in
Bezug auf alle vom Reichstag vorgeschlagenen Zusätze und Verbesserungen,
dagegen aber unbedingtes Festhalten an zweien der ursprünglichen Bestimmungen
dem Widerspruch des Hauses gegenüber: an der Diätenverweigerung und den
zur Sicherstellung der Heerescinrichtungen dienenden, unveränderten Artikeln
des Regierungsentwurss. Das Nachgeben in diesen beiden Stücken seitens des
Reichstags sollte die Nachgiebigkeit der Regierungen in anderen gleichsam
lohnen. Für den Fall des Beharrens der Versammlung auf ihren ersten ab¬
weichenden Beschlüssen hierüber wurde das Aufgeben der ganzen Verfassung
als unvermeidliche Folge hingestellt.

Bei solcher Lage der Dinge konnte ein letzter parlamentarischer Kampf
eigentlich nur noch um Paragr. 32, 60 und 62 erwartet werden. Die voran¬
gehende "Generaldiscussion" beschränkte sich auf zwei Reden, beide gegen die
Vorlage gerichtet. Herr Reichensperger, erst neuerdings eingetreten, hielt die
eine etwas lang ausgesponnene gegen den Geist der Einschränkung verfassungs¬
mäßiger Volksfreiheit, den er im Entwurf nachzuweisen trachtete; Waldeck die
andere, seinem principiellen Standpunkt entsprechend, der ihn auf unbedingte
Verwerfung des Ganzen dringen läßt.

Zwei Amendements von Kraatz und Wachenhusen. die " Garantirung der
religiösen und der Preßfreiheit für jeden Bundesstaatsbürger" bei Artikel IV
eingeschaltet wissen wollten, wurden abgeworfen, dann durch immer wiederholtes
Aufstehn ohne ein weiteres Wort der Erörterung die ganze Artikelreihe bis 20


Sympathie mit dem der Nationalliberalen, dem kahler - miquölscben, kund
gegeben, wurde dies, nach Ablehnung der andern, mit dem Art. 71 vom Hause
angenommen und nach einigen kurzen unwesentlichen Debatten und einem von
Kantat erhobenen nochmaligen Polen-Veto auch Eingangsformel und Titel
d'es Regierungscntwurss bestätigt.




In zwei entscheidenden Sitzungen am 15. und 16. April ist der Reichstag
mit der Schlußberatchung der Verfassung, wie sie aus den Vorberathungen her¬
vorgegangen war, zu Ende gekommen. Die Abstimmung über das Werk hat
ihm die gesetzliche Weihe gegeben. Die Befürchtungen seines schließlich«!» Schei¬
terns an irgendwelchem noch zu erhebenden Widerspruch gegen das Ganze haben
sich nicht bestätigt. Das Resultat der Berathungen, welche unter den verbün¬
deten Regierungen seit dem letzten Mittwoch über ihr Verhalten zu dem in der
Vorberathung amendirtcn Entwurf geführt worden waren, theilte Graf Bis-
nrarck der Versammlung zu Eingang der Montagsitzung mit: Nachgiebigkeit in
Bezug auf alle vom Reichstag vorgeschlagenen Zusätze und Verbesserungen,
dagegen aber unbedingtes Festhalten an zweien der ursprünglichen Bestimmungen
dem Widerspruch des Hauses gegenüber: an der Diätenverweigerung und den
zur Sicherstellung der Heerescinrichtungen dienenden, unveränderten Artikeln
des Regierungsentwurss. Das Nachgeben in diesen beiden Stücken seitens des
Reichstags sollte die Nachgiebigkeit der Regierungen in anderen gleichsam
lohnen. Für den Fall des Beharrens der Versammlung auf ihren ersten ab¬
weichenden Beschlüssen hierüber wurde das Aufgeben der ganzen Verfassung
als unvermeidliche Folge hingestellt.

Bei solcher Lage der Dinge konnte ein letzter parlamentarischer Kampf
eigentlich nur noch um Paragr. 32, 60 und 62 erwartet werden. Die voran¬
gehende „Generaldiscussion" beschränkte sich auf zwei Reden, beide gegen die
Vorlage gerichtet. Herr Reichensperger, erst neuerdings eingetreten, hielt die
eine etwas lang ausgesponnene gegen den Geist der Einschränkung verfassungs¬
mäßiger Volksfreiheit, den er im Entwurf nachzuweisen trachtete; Waldeck die
andere, seinem principiellen Standpunkt entsprechend, der ihn auf unbedingte
Verwerfung des Ganzen dringen läßt.

Zwei Amendements von Kraatz und Wachenhusen. die „ Garantirung der
religiösen und der Preßfreiheit für jeden Bundesstaatsbürger" bei Artikel IV
eingeschaltet wissen wollten, wurden abgeworfen, dann durch immer wiederholtes
Aufstehn ohne ein weiteres Wort der Erörterung die ganze Artikelreihe bis 20


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[0160] Sympathie mit dem der Nationalliberalen, dem kahler - miquölscben, kund gegeben, wurde dies, nach Ablehnung der andern, mit dem Art. 71 vom Hause angenommen und nach einigen kurzen unwesentlichen Debatten und einem von Kantat erhobenen nochmaligen Polen-Veto auch Eingangsformel und Titel d'es Regierungscntwurss bestätigt. In zwei entscheidenden Sitzungen am 15. und 16. April ist der Reichstag mit der Schlußberatchung der Verfassung, wie sie aus den Vorberathungen her¬ vorgegangen war, zu Ende gekommen. Die Abstimmung über das Werk hat ihm die gesetzliche Weihe gegeben. Die Befürchtungen seines schließlich«!» Schei¬ terns an irgendwelchem noch zu erhebenden Widerspruch gegen das Ganze haben sich nicht bestätigt. Das Resultat der Berathungen, welche unter den verbün¬ deten Regierungen seit dem letzten Mittwoch über ihr Verhalten zu dem in der Vorberathung amendirtcn Entwurf geführt worden waren, theilte Graf Bis- nrarck der Versammlung zu Eingang der Montagsitzung mit: Nachgiebigkeit in Bezug auf alle vom Reichstag vorgeschlagenen Zusätze und Verbesserungen, dagegen aber unbedingtes Festhalten an zweien der ursprünglichen Bestimmungen dem Widerspruch des Hauses gegenüber: an der Diätenverweigerung und den zur Sicherstellung der Heerescinrichtungen dienenden, unveränderten Artikeln des Regierungsentwurss. Das Nachgeben in diesen beiden Stücken seitens des Reichstags sollte die Nachgiebigkeit der Regierungen in anderen gleichsam lohnen. Für den Fall des Beharrens der Versammlung auf ihren ersten ab¬ weichenden Beschlüssen hierüber wurde das Aufgeben der ganzen Verfassung als unvermeidliche Folge hingestellt. Bei solcher Lage der Dinge konnte ein letzter parlamentarischer Kampf eigentlich nur noch um Paragr. 32, 60 und 62 erwartet werden. Die voran¬ gehende „Generaldiscussion" beschränkte sich auf zwei Reden, beide gegen die Vorlage gerichtet. Herr Reichensperger, erst neuerdings eingetreten, hielt die eine etwas lang ausgesponnene gegen den Geist der Einschränkung verfassungs¬ mäßiger Volksfreiheit, den er im Entwurf nachzuweisen trachtete; Waldeck die andere, seinem principiellen Standpunkt entsprechend, der ihn auf unbedingte Verwerfung des Ganzen dringen läßt. Zwei Amendements von Kraatz und Wachenhusen. die „ Garantirung der religiösen und der Preßfreiheit für jeden Bundesstaatsbürger" bei Artikel IV eingeschaltet wissen wollten, wurden abgeworfen, dann durch immer wiederholtes Aufstehn ohne ein weiteres Wort der Erörterung die ganze Artikelreihe bis 20

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349917/160>, abgerufen am 06.02.2025.