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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band.

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Haupt nur einmal ihr entschieden entgegentrat, als er einer finanziellen Specu-
lation zu Liebe einigen Juden Aufenthalt und Handel im würtemberger Lande
-- natürlich gegen ein überreichliches Schutzgeld -- gewahrte. Lucas Osiander,
jene gepriesene Säule des rechten Glaubens, wagte ernsthafte Vorstellungen
gegen ein solches unchristliches Vornehmen, fiel aber sofort und mir Eclat in
die allerhöchste Ungnade. Obgleich der Mann hierbei entschieden nur die
Stimme des Pole's vertreten hatte, so ließ man sich doch das Benehmen des
Herzogs gefallen, weil sich das Volk nachgrade schon gewöhnt hatte, alles was
von oben geschah wenigstens mir loyalem Schweigen hinzunehmen, wenn nur
seine geistlichen Führer schwiegen, und alle andern außer dem einen thaten es
in diesem Falle, weil es sich nur um eine Begünstigung von Juden und nicht
von Calvinisten handelte.

Natürlich blieb ein Fürst von lebhafterem Thätigl'eitstricb wie der Herzog
Friedrich jenen überall und immer wieder von neuem eingefädelten angeblicl>en
Univnsversuchm zwischen Calvinisten und Lutheranern nicht fern. Es scheint,
als wenn er wirtlich naiv genug gewesen sei, um ein anderes Resultat davon
M erwarten als das. was nach der Absicht der stets sehr willfährig darauf
eingehenden lutherischen Theologen herauskommen sollte, nämlich eine immer
festere Erhärtung der Wahrheit ihrer Lehre und insofern eine immer schroffere
Scheidung von den Calvinisten. Der Herzog überschaute einigermaßen die Lage
der großen Politik und die Interessen der protestantischen Partei im Reiche und
glaubte, wie dies auch auf catvinistischcr Seite als selbstverständlich angenommen
wurde, das" diese als eine Einheit auftreten müsse, wenn sie nicht von ihren
Gegnern überflügelt werden sollte. Dazu gehörte aber doch nothwendig, wenn
nicht eine Beseitigung der dogmatischen Gegensätze, so doch eine Milderung
derselben. Denn so lange man von allen lutherischen Kanzeln und Controvers-
schriftstcllern hören mußte, daß die Calvinisten schlimmer als die Papisten, ja
als die Türken seien, war an ein gemeinschaftliches Handeln nicht wohl zu
denken.

Ebenso wenig wollten andere Bemühungen Frucht bringen, die er nach
der noch nicht ganz verschollenen Tradition der vorigen Periode auf eine Ver¬
ständigung zwischen Lutheranern und Katholiken richtete. Mit manchen Opfern
und Aergernissen brachte er ein Rcligionsgesvrcich zu Regensburg zwischen
würtembergischen und bayrischen Theologen -- natürlich Jesuiten -- in Gang,
aber es verlief wie alle andern, und nicht einmal das überraschend verständige
Ziel, was der Herzog eigentlich dabei im Auge hatte, die Katholiken durch
authentische Zeugnisse aus Luthers Schriften zu einer gemäßigteren Polemik
gegen die Person und die Motive des Reformators zu bestimmen, konnte er¬
reicht werden, weil die lutherischen Vorkämpfer in ihrem gewöhnlichen Eifer
mit ein paar Syllogismen sofort das ganze Papstthum und die Kerche sammt


Haupt nur einmal ihr entschieden entgegentrat, als er einer finanziellen Specu-
lation zu Liebe einigen Juden Aufenthalt und Handel im würtemberger Lande
— natürlich gegen ein überreichliches Schutzgeld — gewahrte. Lucas Osiander,
jene gepriesene Säule des rechten Glaubens, wagte ernsthafte Vorstellungen
gegen ein solches unchristliches Vornehmen, fiel aber sofort und mir Eclat in
die allerhöchste Ungnade. Obgleich der Mann hierbei entschieden nur die
Stimme des Pole's vertreten hatte, so ließ man sich doch das Benehmen des
Herzogs gefallen, weil sich das Volk nachgrade schon gewöhnt hatte, alles was
von oben geschah wenigstens mir loyalem Schweigen hinzunehmen, wenn nur
seine geistlichen Führer schwiegen, und alle andern außer dem einen thaten es
in diesem Falle, weil es sich nur um eine Begünstigung von Juden und nicht
von Calvinisten handelte.

Natürlich blieb ein Fürst von lebhafterem Thätigl'eitstricb wie der Herzog
Friedrich jenen überall und immer wieder von neuem eingefädelten angeblicl>en
Univnsversuchm zwischen Calvinisten und Lutheranern nicht fern. Es scheint,
als wenn er wirtlich naiv genug gewesen sei, um ein anderes Resultat davon
M erwarten als das. was nach der Absicht der stets sehr willfährig darauf
eingehenden lutherischen Theologen herauskommen sollte, nämlich eine immer
festere Erhärtung der Wahrheit ihrer Lehre und insofern eine immer schroffere
Scheidung von den Calvinisten. Der Herzog überschaute einigermaßen die Lage
der großen Politik und die Interessen der protestantischen Partei im Reiche und
glaubte, wie dies auch auf catvinistischcr Seite als selbstverständlich angenommen
wurde, das» diese als eine Einheit auftreten müsse, wenn sie nicht von ihren
Gegnern überflügelt werden sollte. Dazu gehörte aber doch nothwendig, wenn
nicht eine Beseitigung der dogmatischen Gegensätze, so doch eine Milderung
derselben. Denn so lange man von allen lutherischen Kanzeln und Controvers-
schriftstcllern hören mußte, daß die Calvinisten schlimmer als die Papisten, ja
als die Türken seien, war an ein gemeinschaftliches Handeln nicht wohl zu
denken.

Ebenso wenig wollten andere Bemühungen Frucht bringen, die er nach
der noch nicht ganz verschollenen Tradition der vorigen Periode auf eine Ver¬
ständigung zwischen Lutheranern und Katholiken richtete. Mit manchen Opfern
und Aergernissen brachte er ein Rcligionsgesvrcich zu Regensburg zwischen
würtembergischen und bayrischen Theologen — natürlich Jesuiten — in Gang,
aber es verlief wie alle andern, und nicht einmal das überraschend verständige
Ziel, was der Herzog eigentlich dabei im Auge hatte, die Katholiken durch
authentische Zeugnisse aus Luthers Schriften zu einer gemäßigteren Polemik
gegen die Person und die Motive des Reformators zu bestimmen, konnte er¬
reicht werden, weil die lutherischen Vorkämpfer in ihrem gewöhnlichen Eifer
mit ein paar Syllogismen sofort das ganze Papstthum und die Kerche sammt


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349917/16>, abgerufen am 22.07.2024.