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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band.

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Dazu sind sie sämmtlich theils die ersten, theils die einzigen Denkmäler wichtiger
Sprayen und Dialecre. ,

Bei den Uebersetzungen des Allen Testaments ist die bei weitem wichtigste
Arbeit von den Juden gestehen. Die unmittelbar aus dem Grundtext ge-
machten Uebers.tzungen sind entweder ganz jüdischen Ursprungs oder sie sind
doch auf Grund jüdischer vorarbeiten und mit Hilfe jüdischer Ueberlieferung
angefertigt. Rein christlich sind blos die zahlreichen Afterübersetzungen. Die
Juden allein hatten sich durch eifrige Beschäftigung mit dem Original und eine
lebendige Tradition ein wenn auch durch mancherlei Einflüsse getrübtes Ver¬
ständniß desselben und c>ne genaue, freilich nichts weniger als wrssenschasllich-
grammaiische Kenntniß der hebräischen Sprache erhalten. Die wenigen Christen,
welche hebräisch lernen wollten, mußten bei ihnen in die Schule gehen. Für
den jetzigen Standpunkt der biblischen Philologie ist allerdings die in den
Übersetzungen niedergelegte Ausfassung zur Erkenntniß des wahren Sinnes nicht
besonders wichtig. Man >se jetzt mehr und rühr zu der Einsicht gekommen,
daß in den Fällen, wo uns die sonstigen philologischen Hilfsmittel zur Er¬
klärung schmieriger Worte und Stellen im Stich lassen, die alten Uebersetzungen
selten fördern, denn gewöhnlich haben auch sie dann den Sinn nur errathen.
Bei dem Mangel einer eigentlichen wissenschaftlichen Methode war es den Alten
nicht möglich, die reicheren Hilfsmittel zur Ermittelung des wahren Sinnes zu
benutzen, welche ihnen allerdings zu Gebote gestanden hätten. Eine echt wissen¬
schaftliche Behandlung hat der Text des Alten Testaments im Glunde erst durch
die weit späteren jüdischen Grammatiker und Ausleger erfahren, welche durch die
arabische Schule gegangen waren.

Die älteste und wichtigste dieser Uebersetzungen ist die alte griechische, die
sogenannte "LeptuAgirrta". Sie bildet eine Sammlung von Uebersetzungen sehr
verschiedenen Wesens, Ursprungs und Werthes, welche sich "och über den Kreis
der kanonischen Schriften des Allen Testaments hinaus erstreckt. Unzweifelhaft
ist das mosaische Gesetzbuch (der Pentateuch) zuerst übersetzt. Seit in Alexan¬
dria eine zahlreiche Judengemeinde existirte, welche im regen Verkehr mit ihren
griechischen Mitbürgern und anderen Griechen die Muttersprache schnell vergessen
mußte, machte sich gewiß bald das Bedürfniß nach der Uebersetzung des wich'
ligsten der heiligen Bücher, des damals noch von Vielen allein als Kanon be¬
trachteten Pentateuchs gellend, zumal da derselbe den Juden auch als bürger¬
liches Gesetzbuch diente.

Die Dichtung hat die Pentateuchübe>Setzung auf eine sehr unpassende Weise
glorisiciren wollen, indem sic dieselbe aus der literarischen Liebhaberei des zweiten
Ptolemäers hervorgehen läßt. Wir haben über das Machwerk, welches diese
Erzählung enthält, den sogenannten Brief des Aristeas, vor längerer Zeit in
diesem Blatte eingehend geredet. Wir sahen damals, daß die Angaben dieser


Dazu sind sie sämmtlich theils die ersten, theils die einzigen Denkmäler wichtiger
Sprayen und Dialecre. ,

Bei den Uebersetzungen des Allen Testaments ist die bei weitem wichtigste
Arbeit von den Juden gestehen. Die unmittelbar aus dem Grundtext ge-
machten Uebers.tzungen sind entweder ganz jüdischen Ursprungs oder sie sind
doch auf Grund jüdischer vorarbeiten und mit Hilfe jüdischer Ueberlieferung
angefertigt. Rein christlich sind blos die zahlreichen Afterübersetzungen. Die
Juden allein hatten sich durch eifrige Beschäftigung mit dem Original und eine
lebendige Tradition ein wenn auch durch mancherlei Einflüsse getrübtes Ver¬
ständniß desselben und c>ne genaue, freilich nichts weniger als wrssenschasllich-
grammaiische Kenntniß der hebräischen Sprache erhalten. Die wenigen Christen,
welche hebräisch lernen wollten, mußten bei ihnen in die Schule gehen. Für
den jetzigen Standpunkt der biblischen Philologie ist allerdings die in den
Übersetzungen niedergelegte Ausfassung zur Erkenntniß des wahren Sinnes nicht
besonders wichtig. Man >se jetzt mehr und rühr zu der Einsicht gekommen,
daß in den Fällen, wo uns die sonstigen philologischen Hilfsmittel zur Er¬
klärung schmieriger Worte und Stellen im Stich lassen, die alten Uebersetzungen
selten fördern, denn gewöhnlich haben auch sie dann den Sinn nur errathen.
Bei dem Mangel einer eigentlichen wissenschaftlichen Methode war es den Alten
nicht möglich, die reicheren Hilfsmittel zur Ermittelung des wahren Sinnes zu
benutzen, welche ihnen allerdings zu Gebote gestanden hätten. Eine echt wissen¬
schaftliche Behandlung hat der Text des Alten Testaments im Glunde erst durch
die weit späteren jüdischen Grammatiker und Ausleger erfahren, welche durch die
arabische Schule gegangen waren.

Die älteste und wichtigste dieser Uebersetzungen ist die alte griechische, die
sogenannte „LeptuAgirrta". Sie bildet eine Sammlung von Uebersetzungen sehr
verschiedenen Wesens, Ursprungs und Werthes, welche sich »och über den Kreis
der kanonischen Schriften des Allen Testaments hinaus erstreckt. Unzweifelhaft
ist das mosaische Gesetzbuch (der Pentateuch) zuerst übersetzt. Seit in Alexan¬
dria eine zahlreiche Judengemeinde existirte, welche im regen Verkehr mit ihren
griechischen Mitbürgern und anderen Griechen die Muttersprache schnell vergessen
mußte, machte sich gewiß bald das Bedürfniß nach der Uebersetzung des wich'
ligsten der heiligen Bücher, des damals noch von Vielen allein als Kanon be¬
trachteten Pentateuchs gellend, zumal da derselbe den Juden auch als bürger¬
liches Gesetzbuch diente.

Die Dichtung hat die Pentateuchübe>Setzung auf eine sehr unpassende Weise
glorisiciren wollen, indem sic dieselbe aus der literarischen Liebhaberei des zweiten
Ptolemäers hervorgehen läßt. Wir haben über das Machwerk, welches diese
Erzählung enthält, den sogenannten Brief des Aristeas, vor längerer Zeit in
diesem Blatte eingehend geredet. Wir sahen damals, daß die Angaben dieser


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[0148] Dazu sind sie sämmtlich theils die ersten, theils die einzigen Denkmäler wichtiger Sprayen und Dialecre. , Bei den Uebersetzungen des Allen Testaments ist die bei weitem wichtigste Arbeit von den Juden gestehen. Die unmittelbar aus dem Grundtext ge- machten Uebers.tzungen sind entweder ganz jüdischen Ursprungs oder sie sind doch auf Grund jüdischer vorarbeiten und mit Hilfe jüdischer Ueberlieferung angefertigt. Rein christlich sind blos die zahlreichen Afterübersetzungen. Die Juden allein hatten sich durch eifrige Beschäftigung mit dem Original und eine lebendige Tradition ein wenn auch durch mancherlei Einflüsse getrübtes Ver¬ ständniß desselben und c>ne genaue, freilich nichts weniger als wrssenschasllich- grammaiische Kenntniß der hebräischen Sprache erhalten. Die wenigen Christen, welche hebräisch lernen wollten, mußten bei ihnen in die Schule gehen. Für den jetzigen Standpunkt der biblischen Philologie ist allerdings die in den Übersetzungen niedergelegte Ausfassung zur Erkenntniß des wahren Sinnes nicht besonders wichtig. Man >se jetzt mehr und rühr zu der Einsicht gekommen, daß in den Fällen, wo uns die sonstigen philologischen Hilfsmittel zur Er¬ klärung schmieriger Worte und Stellen im Stich lassen, die alten Uebersetzungen selten fördern, denn gewöhnlich haben auch sie dann den Sinn nur errathen. Bei dem Mangel einer eigentlichen wissenschaftlichen Methode war es den Alten nicht möglich, die reicheren Hilfsmittel zur Ermittelung des wahren Sinnes zu benutzen, welche ihnen allerdings zu Gebote gestanden hätten. Eine echt wissen¬ schaftliche Behandlung hat der Text des Alten Testaments im Glunde erst durch die weit späteren jüdischen Grammatiker und Ausleger erfahren, welche durch die arabische Schule gegangen waren. Die älteste und wichtigste dieser Uebersetzungen ist die alte griechische, die sogenannte „LeptuAgirrta". Sie bildet eine Sammlung von Uebersetzungen sehr verschiedenen Wesens, Ursprungs und Werthes, welche sich »och über den Kreis der kanonischen Schriften des Allen Testaments hinaus erstreckt. Unzweifelhaft ist das mosaische Gesetzbuch (der Pentateuch) zuerst übersetzt. Seit in Alexan¬ dria eine zahlreiche Judengemeinde existirte, welche im regen Verkehr mit ihren griechischen Mitbürgern und anderen Griechen die Muttersprache schnell vergessen mußte, machte sich gewiß bald das Bedürfniß nach der Uebersetzung des wich' ligsten der heiligen Bücher, des damals noch von Vielen allein als Kanon be¬ trachteten Pentateuchs gellend, zumal da derselbe den Juden auch als bürger¬ liches Gesetzbuch diente. Die Dichtung hat die Pentateuchübe>Setzung auf eine sehr unpassende Weise glorisiciren wollen, indem sic dieselbe aus der literarischen Liebhaberei des zweiten Ptolemäers hervorgehen läßt. Wir haben über das Machwerk, welches diese Erzählung enthält, den sogenannten Brief des Aristeas, vor längerer Zeit in diesem Blatte eingehend geredet. Wir sahen damals, daß die Angaben dieser

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349917/148>, abgerufen am 22.07.2024.