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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band.

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selbst sollten ihm zwar zur Annahme vorgelegt werden, aber die Lostrcnnung
Ungarns, die Einsetzung eines eis- und transleithanischcn Ministeriums, die Fest¬
stellung der Königskrönung in Buda-Pesth treten ihm schon als vollendete That¬
sachen entgegen, und falls er die ihm zu machenden Vorlagen ablehnt, bleiben
noch weitere S.dritte vorbehalten. Ob es verfassungsmäßige sein können,
möchten wir sehr bezweifeln, denn man will doch jedenfalls die alte Verfassung
"revidiren". Daneben ist auch eine "Vorlage zur Erweiterung der ver-
fassungsmäßig.n Autonomie der Länder" verheißen, und wenn wir auf die
ministerielle Wirksamkeit des Herrn v. Beust in Sachsen zurückblicken, tonnen
wir uns beim besten Willen doch grade keine sanguinischen Vorstellungen
machen.

Für derlei Rückschriitsbcstrebungen scheint der neue Staatsminister Oest¬
reichs namentlich in Tirol, wo sie vorwiegend klerikal, also dem Gesammtreiche
minder schädlich, milde Nachsicht zu tragen. Das zeigte die erst nach dem
Austritte Belcredis erfolgte Ernennung des k. k. Hofrathes i! .d Oberstaats-
anwaltes Dr. Johann Haßlwanter zum Landeshauptmann. D^ Ultramontanen,
deren Führer und Hort er schon seit vielen Jahren war, verhieß der Strahl
dieser neuen Gunst "och glückliche Tage für lange. Er selbst f.rio darin den
schönsten Lohn seiner treuen Dienste, zumal auch sein früheres Einkomm n nicht
Verkümmert wurde.

Die Kräfte, welche die neuen Wahlen den Ultramontanen zuführten, waren
übrigens nicht sehr bedeutciid, wenn man nicht den schon oben eiwähnten Pater
Albert Jäger, Geschichtsprvfessor an der wiener Universität, dafür nehmen will.
Er hatte vor mehr als zwanzig Jahren durch einen Vortrag gegen die Jesuiten
im tiroler Nationalmuseum viel von sich reden gemacht und in verschiedenen
Werken über tiroler Geschichte großen Sammleifleiß bewiesen. Aber schon in
den Märztagen hielt er sich stramm zur Reaction, und wiewohl er später eine
kleine Schwenkung nach links machte, trat er doch schließlich wieder auf die
Seite der Ultras, wie er denn auch durch seine drolligen Aeußerungen in dieser
Richtung beim vorletzten niederöstreichischen Landtag, wo er als Keetor irmgui-
Keus die dortige Hochschule vertrat, den Witz seiner Gegner herausforderte. An
die Wähler seiner Heimath schrieb er bei Annahme des Maubads: "Unsere
""Verfassungstreuen"" möchten Köpfe ohne Leiber sein oder noch lieber Bäuche,
für welche alle anderen Glieder des östreichischen Staates nur Füttcrungsdienste
zu vorrichten hätten." Eine Sprache, zwar des Akademikers unwürdig, aber
den Bauern desto verständlicher. -- Dagegen war der geistige Zuwachs, den die
Liberalen erhielten, aller Ehren werth. Sie durften sich freuen, an den inns¬
brucker Professoren Harum und WUdauer und dem Advocaten Rautcnkranz von
Hall wackere Kämpfer für das verfassungsmäßige Recht gewonnen zu habe", ein
greifbarer Erfolg aber ist damit freilich noch lange nicht verbürgt.


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selbst sollten ihm zwar zur Annahme vorgelegt werden, aber die Lostrcnnung
Ungarns, die Einsetzung eines eis- und transleithanischcn Ministeriums, die Fest¬
stellung der Königskrönung in Buda-Pesth treten ihm schon als vollendete That¬
sachen entgegen, und falls er die ihm zu machenden Vorlagen ablehnt, bleiben
noch weitere S.dritte vorbehalten. Ob es verfassungsmäßige sein können,
möchten wir sehr bezweifeln, denn man will doch jedenfalls die alte Verfassung
„revidiren". Daneben ist auch eine „Vorlage zur Erweiterung der ver-
fassungsmäßig.n Autonomie der Länder" verheißen, und wenn wir auf die
ministerielle Wirksamkeit des Herrn v. Beust in Sachsen zurückblicken, tonnen
wir uns beim besten Willen doch grade keine sanguinischen Vorstellungen
machen.

Für derlei Rückschriitsbcstrebungen scheint der neue Staatsminister Oest¬
reichs namentlich in Tirol, wo sie vorwiegend klerikal, also dem Gesammtreiche
minder schädlich, milde Nachsicht zu tragen. Das zeigte die erst nach dem
Austritte Belcredis erfolgte Ernennung des k. k. Hofrathes i! .d Oberstaats-
anwaltes Dr. Johann Haßlwanter zum Landeshauptmann. D^ Ultramontanen,
deren Führer und Hort er schon seit vielen Jahren war, verhieß der Strahl
dieser neuen Gunst »och glückliche Tage für lange. Er selbst f.rio darin den
schönsten Lohn seiner treuen Dienste, zumal auch sein früheres Einkomm n nicht
Verkümmert wurde.

Die Kräfte, welche die neuen Wahlen den Ultramontanen zuführten, waren
übrigens nicht sehr bedeutciid, wenn man nicht den schon oben eiwähnten Pater
Albert Jäger, Geschichtsprvfessor an der wiener Universität, dafür nehmen will.
Er hatte vor mehr als zwanzig Jahren durch einen Vortrag gegen die Jesuiten
im tiroler Nationalmuseum viel von sich reden gemacht und in verschiedenen
Werken über tiroler Geschichte großen Sammleifleiß bewiesen. Aber schon in
den Märztagen hielt er sich stramm zur Reaction, und wiewohl er später eine
kleine Schwenkung nach links machte, trat er doch schließlich wieder auf die
Seite der Ultras, wie er denn auch durch seine drolligen Aeußerungen in dieser
Richtung beim vorletzten niederöstreichischen Landtag, wo er als Keetor irmgui-
Keus die dortige Hochschule vertrat, den Witz seiner Gegner herausforderte. An
die Wähler seiner Heimath schrieb er bei Annahme des Maubads: „Unsere
„„Verfassungstreuen"" möchten Köpfe ohne Leiber sein oder noch lieber Bäuche,
für welche alle anderen Glieder des östreichischen Staates nur Füttcrungsdienste
zu vorrichten hätten." Eine Sprache, zwar des Akademikers unwürdig, aber
den Bauern desto verständlicher. — Dagegen war der geistige Zuwachs, den die
Liberalen erhielten, aller Ehren werth. Sie durften sich freuen, an den inns¬
brucker Professoren Harum und WUdauer und dem Advocaten Rautcnkranz von
Hall wackere Kämpfer für das verfassungsmäßige Recht gewonnen zu habe», ein
greifbarer Erfolg aber ist damit freilich noch lange nicht verbürgt.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349917/141>, abgerufen am 24.08.2024.