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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band.

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die heutigen Verehrer und Lobpreiser derselben berechtigt und verpflichtet, in
jenen fürstlichen Gestalten ihre wahren Vorbilder und zugleich echt- und kern¬
deutsche Ncuureu zu erkennen. Daß aus dieser Gemüthlichkeit unter anderem
auch der sehr ungemüthliche dreißigjährige Krieg mit derselben Naturrichtigkeit
herausschlüpfte, wie aus dem bebrüteten El das Huhn, ist uns anderen "Un-
gemüthlichen" sehr begreiflich, aber die "Gemüthlichen" unter unseren Lands¬
leuten werden sich nach wie vor damit beruhigen, daß es die bösen Jesuiten,
die spanische Politik des wiener Hofes oder gar die caivinisiischen Ränkeschmiede
an der Seine und am Neckar gethan haben.

Wie gesagt, es lebte sich damals als deutscher Fürst ungemein gemüthlich,
bis auf einige strittige Punkte. Aber eine gemüthliche Seele, besonders wenn
sie nicht aus dem Dusel gewohnheitsmäßigen Zechens herauskam, mochte auch
diese Widerwärtigkeiten nur als würzcnde Contraste empfinden. Zuerst gab die
Jagd wie die gründlichsten der Freuden, so auch die nagendsten der Leiden.
Mit den bösen Wilddieben im Lande hatte man allmälig gelernt fertig zu
werden. Strafgesetze, die man euphemistisch als mit Blut geschrieben zu be¬
zeichnen pflegt, weil die Sprache kein Wort hat, um ihre verruchte Bestialität zu
brandmarken, halfen gegen diese Verächter des Gehorsame, und der Treue, die
man dem Vergnügen des angestammten Landesherrn Von Gottes Gnaden schul¬
dete, wie täglich auf taufenden von Kanzeln gepredigt wurde. Aber die fürst¬
lichen Nachbarn hatten es in der Hand, einander grade in dem, was jedem am
festesten ans Herz gewachsen war, endlos zu chikaniren, oder es machte sich auch
ganz von selbst, daß die bei allen gleiche Leidenschaft, unbekümmert um die ver¬
brieften Rechte des andern, um Grenzsteine, Jagdfolgcrecht und dergleichen, zu
ewigen Collisionen führte. Und die fremden Jäger und Schützen, die vermeint¬
lich oder wirklich den Jagdbann gebrochen hatten, konnte man doch nicht kurz-
weg auf einen Hirsch schmieden oder in einen Wolfspelz genäht von Jagd¬
hunden zu Tode Hetzen lassen. So gab es hier arge Geduldsproben und nach
Umständen auch Aergerniß und Kummer, die an dem Herzen fraßen.

Ein anderer wunder Fleck war das Geld oder vielmehr die Geldklemme,
die man sammt dem Durst und andern Eigenschaften gleichfalls von den Vätern
und Großvätern ererbt hatte. Der Credit war schwach, neue Finanzquellen zu
eröffnen mühselig, und wenn man im Gedränge der Noth sich mit Ueber¬
windung der angestammten Trägheit dazu entschloß, einen der zahllosen Gold¬
macher mit italienischem oder spanischem Titel und Namen herbeizurufen, so
War die Folge in jedem Falle, daß alles das Gold, was er zu seinen Experi¬
menten brauchte, verschwand und nichts als die Person des Betrügers als
Pfand blieb. So war man schließlich doch immer an die Beihilfe der Unter¬
thanen gewiesen, die ihr Geld aber ebenso gut zu brauchen verstanden wie
ihre Fürsten und zum Glücke meistens in den Landständen zäye und vorsichtige


Grcujboten II. 186?. . 2

die heutigen Verehrer und Lobpreiser derselben berechtigt und verpflichtet, in
jenen fürstlichen Gestalten ihre wahren Vorbilder und zugleich echt- und kern¬
deutsche Ncuureu zu erkennen. Daß aus dieser Gemüthlichkeit unter anderem
auch der sehr ungemüthliche dreißigjährige Krieg mit derselben Naturrichtigkeit
herausschlüpfte, wie aus dem bebrüteten El das Huhn, ist uns anderen „Un-
gemüthlichen" sehr begreiflich, aber die „Gemüthlichen" unter unseren Lands¬
leuten werden sich nach wie vor damit beruhigen, daß es die bösen Jesuiten,
die spanische Politik des wiener Hofes oder gar die caivinisiischen Ränkeschmiede
an der Seine und am Neckar gethan haben.

Wie gesagt, es lebte sich damals als deutscher Fürst ungemein gemüthlich,
bis auf einige strittige Punkte. Aber eine gemüthliche Seele, besonders wenn
sie nicht aus dem Dusel gewohnheitsmäßigen Zechens herauskam, mochte auch
diese Widerwärtigkeiten nur als würzcnde Contraste empfinden. Zuerst gab die
Jagd wie die gründlichsten der Freuden, so auch die nagendsten der Leiden.
Mit den bösen Wilddieben im Lande hatte man allmälig gelernt fertig zu
werden. Strafgesetze, die man euphemistisch als mit Blut geschrieben zu be¬
zeichnen pflegt, weil die Sprache kein Wort hat, um ihre verruchte Bestialität zu
brandmarken, halfen gegen diese Verächter des Gehorsame, und der Treue, die
man dem Vergnügen des angestammten Landesherrn Von Gottes Gnaden schul¬
dete, wie täglich auf taufenden von Kanzeln gepredigt wurde. Aber die fürst¬
lichen Nachbarn hatten es in der Hand, einander grade in dem, was jedem am
festesten ans Herz gewachsen war, endlos zu chikaniren, oder es machte sich auch
ganz von selbst, daß die bei allen gleiche Leidenschaft, unbekümmert um die ver¬
brieften Rechte des andern, um Grenzsteine, Jagdfolgcrecht und dergleichen, zu
ewigen Collisionen führte. Und die fremden Jäger und Schützen, die vermeint¬
lich oder wirklich den Jagdbann gebrochen hatten, konnte man doch nicht kurz-
weg auf einen Hirsch schmieden oder in einen Wolfspelz genäht von Jagd¬
hunden zu Tode Hetzen lassen. So gab es hier arge Geduldsproben und nach
Umständen auch Aergerniß und Kummer, die an dem Herzen fraßen.

Ein anderer wunder Fleck war das Geld oder vielmehr die Geldklemme,
die man sammt dem Durst und andern Eigenschaften gleichfalls von den Vätern
und Großvätern ererbt hatte. Der Credit war schwach, neue Finanzquellen zu
eröffnen mühselig, und wenn man im Gedränge der Noth sich mit Ueber¬
windung der angestammten Trägheit dazu entschloß, einen der zahllosen Gold¬
macher mit italienischem oder spanischem Titel und Namen herbeizurufen, so
War die Folge in jedem Falle, daß alles das Gold, was er zu seinen Experi¬
menten brauchte, verschwand und nichts als die Person des Betrügers als
Pfand blieb. So war man schließlich doch immer an die Beihilfe der Unter¬
thanen gewiesen, die ihr Geld aber ebenso gut zu brauchen verstanden wie
ihre Fürsten und zum Glücke meistens in den Landständen zäye und vorsichtige


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349917/13>, abgerufen am 22.07.2024.