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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band.

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Die Ausstattung jeder Infanteriedivision von 12,000 Mann mit einer
Compagnie, die 60 Bahren mit sich führt, für jede derselben nur 3 Träger
gerechnet, und außerdem eines jeden Bataillons mit 8 Bahren zu 2 Mann,
würde bei der in den jetzigen Kriegen vorkommenden massenhaften Zerstörung
des Menschenlebens zwar immer nicht ausreichen, aber doch ein weit ent¬
sprechenderes conscrvatives Bestreben darstellen, als wofür die bisherigen Ma߬
regeln gelten können. Die Krankenträgercompagnien sind Humanitätsanstalten,
deren sich die Preußische Armee erst durch die Cabinetsordre vom 21. December
1854 erfreut, und hinsichtlich ihrer Organisation und Verwendung im Kriege
einer weiteren Ausbildung bedürftig, die den gesteigerten Ansprüchen der Gegen¬
wart gegenüber nicht außer Acht gelassen werden kann.

Bei dem in großartiger Weise an den Tag gelegten Bestreben der Völker, in
den Kriegen den Regierungen helfend zur Seite zu stehen, das namentlich das preu¬
ßische Volk kürzlich wieder ebenso wie vor 54 Jahren kundgegeben hat, drängt sich
der Wunsch auf, daß auch die Mithilfe der Nation in dieser Richtung von der
Regierung nicht zurückgewiesen werden möchte. -- Die genfer Conferenzen beschäf¬
tigten sich vorwiegend mit dieser Unterstützung der officiellen Hilfe auf Grund
der traurigen Erfahrungen, welche Durand bei Solferino machte, also in einer
Schlacht zwischen Heeren, deren Lazarethwesen bis dahin für das am besten
organisirte gegolten hatte. Die Bedenken, welche in Betreff der Zulassung
von freiwilligen Blessirtenträgern in die Reihen der Heere von mancher Seite
bei den Verhandlungen zu Genf erhoben wurden, sind schon zum Theil durch
die seitdem gemachten Beobachtungen sehr abgeschwächt worden. An die in
dieser Richtung in Nordamerika bethätigten großartigen und erfolgreichen Be¬
strebungen reihen sich in Europa die des Johanniterritterordens im Kriege
gegen Dänemark. Unter der Leitung seiner Mitglieder holten Brüder des
rauhen Hauses und duisburger Diakonen mit Unerschrockenheit und Selbsiver-
läugnung die Verwundeten aus den Gefechtslinien und aus dem Feuer vor
Düppel und Alsen heraus. Kieler Studenten unterzogen sich demselben Liebes¬
dienste bei den ersten Gefechten in Holstein. Im letzten Kriege bekundeten die
Felddiakonen, breslauer Studenten und viele andere den gebildeten Ständen
angehörige Männer ihre Opferwilligkeit zu jeder ähnlichen Leistung, zu welcher
sie verwendet worden wären. In Frankfurt a. M. errichtete der Vorstand des
dortigen Sanitätsvereins mit einem Aufwands von 25,749 Gulden ein frei¬
williges Sanitätscorps von 180 Mann mit 60 Tragen und 12 Fahrbahren, ,
und stellte es Anfangs dem Prinzen Alexander von Hessen, später dem preu¬
ßischen commandirenden Generale zur Verfügung. Entgegentretender Verhält¬
nisse wegen kam es nicht zur Probe auf dem Schlachtfelde, sondern widmete
sich dem Krankendienste in den Lazarethen. -- Es ist nicht zu bezweifeln, daß
sich bei künftigen Kriegen in Preußen und im ganzen Deutschland genug


Die Ausstattung jeder Infanteriedivision von 12,000 Mann mit einer
Compagnie, die 60 Bahren mit sich führt, für jede derselben nur 3 Träger
gerechnet, und außerdem eines jeden Bataillons mit 8 Bahren zu 2 Mann,
würde bei der in den jetzigen Kriegen vorkommenden massenhaften Zerstörung
des Menschenlebens zwar immer nicht ausreichen, aber doch ein weit ent¬
sprechenderes conscrvatives Bestreben darstellen, als wofür die bisherigen Ma߬
regeln gelten können. Die Krankenträgercompagnien sind Humanitätsanstalten,
deren sich die Preußische Armee erst durch die Cabinetsordre vom 21. December
1854 erfreut, und hinsichtlich ihrer Organisation und Verwendung im Kriege
einer weiteren Ausbildung bedürftig, die den gesteigerten Ansprüchen der Gegen¬
wart gegenüber nicht außer Acht gelassen werden kann.

Bei dem in großartiger Weise an den Tag gelegten Bestreben der Völker, in
den Kriegen den Regierungen helfend zur Seite zu stehen, das namentlich das preu¬
ßische Volk kürzlich wieder ebenso wie vor 54 Jahren kundgegeben hat, drängt sich
der Wunsch auf, daß auch die Mithilfe der Nation in dieser Richtung von der
Regierung nicht zurückgewiesen werden möchte. — Die genfer Conferenzen beschäf¬
tigten sich vorwiegend mit dieser Unterstützung der officiellen Hilfe auf Grund
der traurigen Erfahrungen, welche Durand bei Solferino machte, also in einer
Schlacht zwischen Heeren, deren Lazarethwesen bis dahin für das am besten
organisirte gegolten hatte. Die Bedenken, welche in Betreff der Zulassung
von freiwilligen Blessirtenträgern in die Reihen der Heere von mancher Seite
bei den Verhandlungen zu Genf erhoben wurden, sind schon zum Theil durch
die seitdem gemachten Beobachtungen sehr abgeschwächt worden. An die in
dieser Richtung in Nordamerika bethätigten großartigen und erfolgreichen Be¬
strebungen reihen sich in Europa die des Johanniterritterordens im Kriege
gegen Dänemark. Unter der Leitung seiner Mitglieder holten Brüder des
rauhen Hauses und duisburger Diakonen mit Unerschrockenheit und Selbsiver-
läugnung die Verwundeten aus den Gefechtslinien und aus dem Feuer vor
Düppel und Alsen heraus. Kieler Studenten unterzogen sich demselben Liebes¬
dienste bei den ersten Gefechten in Holstein. Im letzten Kriege bekundeten die
Felddiakonen, breslauer Studenten und viele andere den gebildeten Ständen
angehörige Männer ihre Opferwilligkeit zu jeder ähnlichen Leistung, zu welcher
sie verwendet worden wären. In Frankfurt a. M. errichtete der Vorstand des
dortigen Sanitätsvereins mit einem Aufwands von 25,749 Gulden ein frei¬
williges Sanitätscorps von 180 Mann mit 60 Tragen und 12 Fahrbahren, ,
und stellte es Anfangs dem Prinzen Alexander von Hessen, später dem preu¬
ßischen commandirenden Generale zur Verfügung. Entgegentretender Verhält¬
nisse wegen kam es nicht zur Probe auf dem Schlachtfelde, sondern widmete
sich dem Krankendienste in den Lazarethen. — Es ist nicht zu bezweifeln, daß
sich bei künftigen Kriegen in Preußen und im ganzen Deutschland genug


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[0128] Die Ausstattung jeder Infanteriedivision von 12,000 Mann mit einer Compagnie, die 60 Bahren mit sich führt, für jede derselben nur 3 Träger gerechnet, und außerdem eines jeden Bataillons mit 8 Bahren zu 2 Mann, würde bei der in den jetzigen Kriegen vorkommenden massenhaften Zerstörung des Menschenlebens zwar immer nicht ausreichen, aber doch ein weit ent¬ sprechenderes conscrvatives Bestreben darstellen, als wofür die bisherigen Ma߬ regeln gelten können. Die Krankenträgercompagnien sind Humanitätsanstalten, deren sich die Preußische Armee erst durch die Cabinetsordre vom 21. December 1854 erfreut, und hinsichtlich ihrer Organisation und Verwendung im Kriege einer weiteren Ausbildung bedürftig, die den gesteigerten Ansprüchen der Gegen¬ wart gegenüber nicht außer Acht gelassen werden kann. Bei dem in großartiger Weise an den Tag gelegten Bestreben der Völker, in den Kriegen den Regierungen helfend zur Seite zu stehen, das namentlich das preu¬ ßische Volk kürzlich wieder ebenso wie vor 54 Jahren kundgegeben hat, drängt sich der Wunsch auf, daß auch die Mithilfe der Nation in dieser Richtung von der Regierung nicht zurückgewiesen werden möchte. — Die genfer Conferenzen beschäf¬ tigten sich vorwiegend mit dieser Unterstützung der officiellen Hilfe auf Grund der traurigen Erfahrungen, welche Durand bei Solferino machte, also in einer Schlacht zwischen Heeren, deren Lazarethwesen bis dahin für das am besten organisirte gegolten hatte. Die Bedenken, welche in Betreff der Zulassung von freiwilligen Blessirtenträgern in die Reihen der Heere von mancher Seite bei den Verhandlungen zu Genf erhoben wurden, sind schon zum Theil durch die seitdem gemachten Beobachtungen sehr abgeschwächt worden. An die in dieser Richtung in Nordamerika bethätigten großartigen und erfolgreichen Be¬ strebungen reihen sich in Europa die des Johanniterritterordens im Kriege gegen Dänemark. Unter der Leitung seiner Mitglieder holten Brüder des rauhen Hauses und duisburger Diakonen mit Unerschrockenheit und Selbsiver- läugnung die Verwundeten aus den Gefechtslinien und aus dem Feuer vor Düppel und Alsen heraus. Kieler Studenten unterzogen sich demselben Liebes¬ dienste bei den ersten Gefechten in Holstein. Im letzten Kriege bekundeten die Felddiakonen, breslauer Studenten und viele andere den gebildeten Ständen angehörige Männer ihre Opferwilligkeit zu jeder ähnlichen Leistung, zu welcher sie verwendet worden wären. In Frankfurt a. M. errichtete der Vorstand des dortigen Sanitätsvereins mit einem Aufwands von 25,749 Gulden ein frei¬ williges Sanitätscorps von 180 Mann mit 60 Tragen und 12 Fahrbahren, , und stellte es Anfangs dem Prinzen Alexander von Hessen, später dem preu¬ ßischen commandirenden Generale zur Verfügung. Entgegentretender Verhält¬ nisse wegen kam es nicht zur Probe auf dem Schlachtfelde, sondern widmete sich dem Krankendienste in den Lazarethen. — Es ist nicht zu bezweifeln, daß sich bei künftigen Kriegen in Preußen und im ganzen Deutschland genug

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349917/128>, abgerufen am 22.07.2024.