Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band.genannten Aufsatz hat Herr Düntzer seinerseits eine Anzahl kritischer Data an¬ genannten Aufsatz hat Herr Düntzer seinerseits eine Anzahl kritischer Data an¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0113" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/190807"/> <p xml:id="ID_348" prev="#ID_347" next="#ID_349"> genannten Aufsatz hat Herr Düntzer seinerseits eine Anzahl kritischer Data an¬<lb/> geführt, die ihm erst der Recensent der düntzerschen Ausgabe im „Literarischen<lb/> Cen'ralblatt" aufgewiesen hatte, ohn? jedoch diesen Recensenten zu nennen, ge¬<lb/> schweige ihm zu danken, vielmehr hatte Herr Düntzer fünf Jahre vorher in<lb/> seiner Defension „über die neue Octavausgabe von Goethes Werke" diesen seinen<lb/> Zurechtweiser urtheilslos, verleumderisch, und dessen Correcturen abgeschmackte<lb/> Schlimmbesserungen genannt, trotzdem, daß er mit demselben Athem die Richtig¬<lb/> keit der von ihm „ausgestochenen Druckfehler" anerkennen und infolge dessen<lb/> feiner Ausgabe mit vielen Cartons nachhelfen mußte. Wenn nun Herr Düntzer<lb/> von Bernays die dankbare Anerkennung verlangt, daß seiner kritischen Ent¬<lb/> hüllung erheblich vorgearbeitet worden durch die düntzerschen Bemerkungen über<lb/> die Ausgaben von 1806 und 1815. so ist diese Dankforderung ganz so völlig<lb/> unberechtigt, als es Herrn Düntzers Undank gegen jenen Recensenten war.<lb/> Düntzers Aufsatz giebt keinen beweisenden und begrenzenden Unterricht über die<lb/> Filiation der Textverderbnifse, so daß daraus eine Konsequenz für die Texthcr-<lb/> stellung gezogen würde; im Gegentheil, er versieht den Widerspruch gegen diese<lb/> Consequenz als kritische Maßregel. Was hilft es, daß er zugiebt, der Ausgabe<lb/> von 1806 sei der nachlässige göschenscbe Nachdruck in vier Bänden zu Gnade<lb/> gelegt worden, wenn er nichtsdestoweniger eben diese Ausgabe, sowie die von<lb/> letzter Hand als durchgängig von Goethe selbst revidirte betrachtet wissen will<lb/> und (S. 238 des Aufsatzes) ausdrücklich sagt: „ Viel geringer ist der Verdacht<lb/> eines Druckfehlers, wenn eine Lesart auf der Ausgabe von 1806 oder auf der<lb/> letzter Hand beruht, da in beiden die bessernde Hand des Dichters vielfach<lb/> thätig gewesen;-nur wo die ältere Lesart als entschieden besser und eine ab¬<lb/> sichtliche Aenderung als durchaus unwahrscheinlich sich ergiebt, ist eine Ab¬<lb/> weichung von dem in der Ausgabe letzter Hand Gebotenen gestattet." In der<lb/> Ankündigung dieser Ausgabe letzter Hand hat Goethe selbst gesagt: er sei „von<lb/> Seher wenig geneigt gewesen, an seinen Productionen zu ändern; man werde<lb/> auch in dieser Ausgabe wenig geändert finden ... nur an die bisher nicht<lb/> gekannten Aufsähe sei der Fleiß gewendet, der von el"er späteren Bildung<lb/> Zeugniß geben könne." Daß Goethe die durchgehende und definitive Revision<lb/> Freunden und Helfern anvertraut, ist notorisch. Dennoch stellt Herr Düntzer<lb/> als Norm der Textherstellung auf. daß „die Ausgabe letzter Hand die noth¬<lb/> wendige Grundlage bilde, da sie die letzte vom Schriftsteller selbst beliebte Ge¬<lb/> stalt des Textes giebt; die früheren, mit Absicht veränderten Lesarten<lb/> können nur unterhalb des Textes nach der Zeitfolge nachgewiesen werden."<lb/> Diese Norm verbietet gradezu der Filiation der Textverderbnisse methodisch nach¬<lb/> zuspüren, indem sie den Text der letzten Ausgabe, die der Dichter veranstaltet,<lb/> w den wesentlich authentischen erklärt, und mit dieser die Brücke der äußern<lb/> Kulik abbrechenden Aufstellung will Herr Düntzer die Fundamentalttiltt von</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0113]
genannten Aufsatz hat Herr Düntzer seinerseits eine Anzahl kritischer Data an¬
geführt, die ihm erst der Recensent der düntzerschen Ausgabe im „Literarischen
Cen'ralblatt" aufgewiesen hatte, ohn? jedoch diesen Recensenten zu nennen, ge¬
schweige ihm zu danken, vielmehr hatte Herr Düntzer fünf Jahre vorher in
seiner Defension „über die neue Octavausgabe von Goethes Werke" diesen seinen
Zurechtweiser urtheilslos, verleumderisch, und dessen Correcturen abgeschmackte
Schlimmbesserungen genannt, trotzdem, daß er mit demselben Athem die Richtig¬
keit der von ihm „ausgestochenen Druckfehler" anerkennen und infolge dessen
feiner Ausgabe mit vielen Cartons nachhelfen mußte. Wenn nun Herr Düntzer
von Bernays die dankbare Anerkennung verlangt, daß seiner kritischen Ent¬
hüllung erheblich vorgearbeitet worden durch die düntzerschen Bemerkungen über
die Ausgaben von 1806 und 1815. so ist diese Dankforderung ganz so völlig
unberechtigt, als es Herrn Düntzers Undank gegen jenen Recensenten war.
Düntzers Aufsatz giebt keinen beweisenden und begrenzenden Unterricht über die
Filiation der Textverderbnifse, so daß daraus eine Konsequenz für die Texthcr-
stellung gezogen würde; im Gegentheil, er versieht den Widerspruch gegen diese
Consequenz als kritische Maßregel. Was hilft es, daß er zugiebt, der Ausgabe
von 1806 sei der nachlässige göschenscbe Nachdruck in vier Bänden zu Gnade
gelegt worden, wenn er nichtsdestoweniger eben diese Ausgabe, sowie die von
letzter Hand als durchgängig von Goethe selbst revidirte betrachtet wissen will
und (S. 238 des Aufsatzes) ausdrücklich sagt: „ Viel geringer ist der Verdacht
eines Druckfehlers, wenn eine Lesart auf der Ausgabe von 1806 oder auf der
letzter Hand beruht, da in beiden die bessernde Hand des Dichters vielfach
thätig gewesen;-nur wo die ältere Lesart als entschieden besser und eine ab¬
sichtliche Aenderung als durchaus unwahrscheinlich sich ergiebt, ist eine Ab¬
weichung von dem in der Ausgabe letzter Hand Gebotenen gestattet." In der
Ankündigung dieser Ausgabe letzter Hand hat Goethe selbst gesagt: er sei „von
Seher wenig geneigt gewesen, an seinen Productionen zu ändern; man werde
auch in dieser Ausgabe wenig geändert finden ... nur an die bisher nicht
gekannten Aufsähe sei der Fleiß gewendet, der von el"er späteren Bildung
Zeugniß geben könne." Daß Goethe die durchgehende und definitive Revision
Freunden und Helfern anvertraut, ist notorisch. Dennoch stellt Herr Düntzer
als Norm der Textherstellung auf. daß „die Ausgabe letzter Hand die noth¬
wendige Grundlage bilde, da sie die letzte vom Schriftsteller selbst beliebte Ge¬
stalt des Textes giebt; die früheren, mit Absicht veränderten Lesarten
können nur unterhalb des Textes nach der Zeitfolge nachgewiesen werden."
Diese Norm verbietet gradezu der Filiation der Textverderbnisse methodisch nach¬
zuspüren, indem sie den Text der letzten Ausgabe, die der Dichter veranstaltet,
w den wesentlich authentischen erklärt, und mit dieser die Brücke der äußern
Kulik abbrechenden Aufstellung will Herr Düntzer die Fundamentalttiltt von
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