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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band.

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völlig durchgeführt hat. Die Herausgabe von ausgewählten Werken
Goethes in der historisch authentischen Textgestalt, welche Bernays ihnen wieder¬
gegeben hat, steht demnächst bevor. Jeder Einsichtige wird, nach dem objec¬
tiven Zeugniß, das die Ankündigungsschrift gewährt, bei ihrer Anzeige nicht
versäumen, die deutsche Lesewelt aus eine so erwünschte Erscheinung aufmerksam
zu machen, und der cottaschen Buchhandlung Glück zu wünschen, daß sie einen
Herausgeber gewonnen hat, mit dessen Leistung sie sich im Vaterlande den nach¬
haltigsten Dank verdient. --

Nun aber thut die Anzeige in Ur. 359 u. 360 d. Augsbg. Mg. Ztg. v. 1866
von allem diesem das Gegentheil. Sie trachtet Herrn Bernays. seine Kritik und
seine Ausgabe zu discreditiren. Wir müssen ihre Gründe untersuchen. Sie
beginnt zwar mit dem Geständnis), daß Bernays eine folgenreiche Entdeckung
mittheile, behauptet aber, dieselbe sei nichts als der Abschluß der von Herrn
Düntzer im Aufsatz der Deutschen Vierteljahrsschrift 18S7 mitgetheilten Ergeb¬
nisse. Auf den Kundigen kann diese Behauptung nur eine hochkomische Wir¬
kung machen. Wer die düntzerschen Thesen annahm, dem war gradezu der
Weg zu der Entdeckung abgeschnitten, die Herr Düntzer nun als ihren Abschluß
in Anspruch nimmt. Gleich der Eingang des Aufsatzes nimmt das, was Goethe
in Briefen von seiner und seiner Freunde Durchsicht der zur ersten Sammlung
bestimmten Werke gesagt hat. für gleichbedeutend mit den Druckrcvisionen, so
daß gefolgert wird "für manche Stellen sei nicht zu entscheiden, ob eine Ab¬
weichung von der früheren Lesart dem Setzer oder dem Dichter selbst zufalle".
Damit schließt Herr Düntzer die Möglichkeit des Dritten aus. dessen Wirklich¬
keit Bernays entdecken mußte, um Herrn Düntzers Unkritik nicht abzuschließen,
sondern zu widerlegen. Und daß Bernays die Höflichkeit gehabt hat, dies ohne
Nennung des Widerlegten zu thun, vergilt ihm Herr Düntzer mit der Beschul¬
digung, des Verdienstes der Vorarbeit nicht gedacht zu haben. Düntzer nannte
dort die erste Sammlung "die mit Sorgfalt bearbeitete und durchgesehene erste
Ausgabe in acht Bänden", welchen Unterricht Bernays dahin abgeschlossen hat,
daß er sie als großentheils aus den fehlerhaften himburgschen Nachdrucker ge¬
flossen unwiderleglich darthut.

Im Weitern gedachte dort Düntzer allerdings des vierbändigen göschen-
schen Nachdrucks als gewährlos, des Uebergangs desselben in die cottasche Auf-
gabe von 1806. der Druckfehlervermehrung in der 181,5 begonnenen Ausgabe,
welche Bernays. da sie erst 1819 vollendet wurde, kurzweg die von 1820
nennt, was Herrn Düntzers Anzeige zu rügen nicht versäumt. Wie steht es
nun aber mit dem größern Vorwurf, daß Bernays (der doch seine Dankschuld
gegen Hirzel. den Hauptförderer einer gründlichen Goethe-Text-Geschichte und
Kritik, angelegentlich bekennt) Herrn Düntzer den Dank für die kritischen Er¬
örterungen der Fehler dieser und jener Ausgabe vorenthalten habe? In dem


völlig durchgeführt hat. Die Herausgabe von ausgewählten Werken
Goethes in der historisch authentischen Textgestalt, welche Bernays ihnen wieder¬
gegeben hat, steht demnächst bevor. Jeder Einsichtige wird, nach dem objec¬
tiven Zeugniß, das die Ankündigungsschrift gewährt, bei ihrer Anzeige nicht
versäumen, die deutsche Lesewelt aus eine so erwünschte Erscheinung aufmerksam
zu machen, und der cottaschen Buchhandlung Glück zu wünschen, daß sie einen
Herausgeber gewonnen hat, mit dessen Leistung sie sich im Vaterlande den nach¬
haltigsten Dank verdient. —

Nun aber thut die Anzeige in Ur. 359 u. 360 d. Augsbg. Mg. Ztg. v. 1866
von allem diesem das Gegentheil. Sie trachtet Herrn Bernays. seine Kritik und
seine Ausgabe zu discreditiren. Wir müssen ihre Gründe untersuchen. Sie
beginnt zwar mit dem Geständnis), daß Bernays eine folgenreiche Entdeckung
mittheile, behauptet aber, dieselbe sei nichts als der Abschluß der von Herrn
Düntzer im Aufsatz der Deutschen Vierteljahrsschrift 18S7 mitgetheilten Ergeb¬
nisse. Auf den Kundigen kann diese Behauptung nur eine hochkomische Wir¬
kung machen. Wer die düntzerschen Thesen annahm, dem war gradezu der
Weg zu der Entdeckung abgeschnitten, die Herr Düntzer nun als ihren Abschluß
in Anspruch nimmt. Gleich der Eingang des Aufsatzes nimmt das, was Goethe
in Briefen von seiner und seiner Freunde Durchsicht der zur ersten Sammlung
bestimmten Werke gesagt hat. für gleichbedeutend mit den Druckrcvisionen, so
daß gefolgert wird „für manche Stellen sei nicht zu entscheiden, ob eine Ab¬
weichung von der früheren Lesart dem Setzer oder dem Dichter selbst zufalle".
Damit schließt Herr Düntzer die Möglichkeit des Dritten aus. dessen Wirklich¬
keit Bernays entdecken mußte, um Herrn Düntzers Unkritik nicht abzuschließen,
sondern zu widerlegen. Und daß Bernays die Höflichkeit gehabt hat, dies ohne
Nennung des Widerlegten zu thun, vergilt ihm Herr Düntzer mit der Beschul¬
digung, des Verdienstes der Vorarbeit nicht gedacht zu haben. Düntzer nannte
dort die erste Sammlung „die mit Sorgfalt bearbeitete und durchgesehene erste
Ausgabe in acht Bänden", welchen Unterricht Bernays dahin abgeschlossen hat,
daß er sie als großentheils aus den fehlerhaften himburgschen Nachdrucker ge¬
flossen unwiderleglich darthut.

Im Weitern gedachte dort Düntzer allerdings des vierbändigen göschen-
schen Nachdrucks als gewährlos, des Uebergangs desselben in die cottasche Auf-
gabe von 1806. der Druckfehlervermehrung in der 181,5 begonnenen Ausgabe,
welche Bernays. da sie erst 1819 vollendet wurde, kurzweg die von 1820
nennt, was Herrn Düntzers Anzeige zu rügen nicht versäumt. Wie steht es
nun aber mit dem größern Vorwurf, daß Bernays (der doch seine Dankschuld
gegen Hirzel. den Hauptförderer einer gründlichen Goethe-Text-Geschichte und
Kritik, angelegentlich bekennt) Herrn Düntzer den Dank für die kritischen Er¬
örterungen der Fehler dieser und jener Ausgabe vorenthalten habe? In dem


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349917/112>, abgerufen am 22.07.2024.