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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band.

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auch in Eisenstabe, für den Fürsten Esterhazy große Bauten besorgt, und den ich
mit seiner liebenswürdigen Familie scho" in den Häusern Arnstein und Esteles
öfterer gesehen hatte; er und seine sehr verständige, still theilnehmende Frau,
wie ichs selten an Französinnen gesehen habe; die Frau v. Schoppen, die auch
vortrefflich das Fortepiano spielt, zu der mich letzt schon die Frau v. Hennig-
stein geführt, um einige Beethovensche und Clementische Sachen von ihr mit
großer Fertigkeit und Sicherheit spielen zu hören; zwei junge Lievländer, Baron
Vietinghof mit ihrem Führer, von denen der älteste auch sehr brav das Forte¬
piano spielt und selbst componirt -- das war das auserwählte feine Publikum
für die interessante Abendmusik, während welcher eine sehr hübsche, gebildete
Schwester der Frau vom Hause uns guten Thee servirte." (26. Januar 1809.)

Nach diesem bedarf der sorgende Brief Beethovens, dessen specielle Ver¬
anlassung nicht bekannt ist. auch nicht bekannt zu sein braucht, keiner weiteren
Erläuterung, er spricht die Situation und den Charakter des Schreibende" deut¬
lich aus.


Liebe Marie, lieber Bigot!

Nicht anders als mit dem innigsten Bedauern muß ich wahrnehmen, daß
die reinsten unschuldigsten Gefühle oft verkannt können werden -- wie Sie
mir auch liebevoll begegnet sind, so habe ich nie daran gedacht, es anders aus¬
zulegen, als daß Sie mir Ihre Freundschaft schenken -- Sie müssen mich sehr
eitel und kleinlich glauben, wenn Sie voraussetzen, daß das Zuvorkommen selbst
einer so vortrefflichen Person, wie Sie sind, mich glauben machen sollte, daß
ich gleich ihre Neigung gewonnen -- ohnedem ist es einer meiner ersten Grund¬
sätze, nie in einem andern als freundschaftlichen Verhältniß mit der Gattin
eines andern zu stehn, nicht möchte ich durch so ein Verhältniß meine Brust
mit Mißtrauen gegen diejenige, welche vielleicht mein Geschick einst mit mir
theilen wird, anfüllen -- und so das schönste reinste Leben mir selbst ver¬
derben --. Es ist vielleicht möglich, daß ich einigemal nicht fein genug mit
Bigot gescherzt habe, ich habe Ihnen ja selbst gesagt, daß ich zuweilen sehr
ungezogen bin -- ich bin mit allen meinen Feunden äußerst natürlich und
hasse allen Zwang, Bigot zähle ich nun auch darunter,'wenn ihn etwas ver¬
drießt von mir, so fordert es die Freundschaft von ihm und Ihnen, daß Sie
mir solches sagen -- und ich werde mich gewiß hüten, ihm wieder wehe zu
thun -- aber wie kann die gute Marie meinen Handlungen so eine böse Deu¬
tung geben. --

Was meine Einladung zum Spazierenfahren mit Ihnen und Caroline an¬
geht, so war es natürlich, daß ich, da Tags zuvor Bigot sich dagegen auf¬
lehnte, daß Sie allein mit mir fahren sollt.n, ich glauben mußte, Sie beyde
fänden es vielleicht nicht schicklich oder anstößig -- und als ich Ihnen schrieb,
wollte ich Ihnen nichts anders als begreiflich machen, daß ich nichts dabey


auch in Eisenstabe, für den Fürsten Esterhazy große Bauten besorgt, und den ich
mit seiner liebenswürdigen Familie scho» in den Häusern Arnstein und Esteles
öfterer gesehen hatte; er und seine sehr verständige, still theilnehmende Frau,
wie ichs selten an Französinnen gesehen habe; die Frau v. Schoppen, die auch
vortrefflich das Fortepiano spielt, zu der mich letzt schon die Frau v. Hennig-
stein geführt, um einige Beethovensche und Clementische Sachen von ihr mit
großer Fertigkeit und Sicherheit spielen zu hören; zwei junge Lievländer, Baron
Vietinghof mit ihrem Führer, von denen der älteste auch sehr brav das Forte¬
piano spielt und selbst componirt — das war das auserwählte feine Publikum
für die interessante Abendmusik, während welcher eine sehr hübsche, gebildete
Schwester der Frau vom Hause uns guten Thee servirte." (26. Januar 1809.)

Nach diesem bedarf der sorgende Brief Beethovens, dessen specielle Ver¬
anlassung nicht bekannt ist. auch nicht bekannt zu sein braucht, keiner weiteren
Erläuterung, er spricht die Situation und den Charakter des Schreibende» deut¬
lich aus.


Liebe Marie, lieber Bigot!

Nicht anders als mit dem innigsten Bedauern muß ich wahrnehmen, daß
die reinsten unschuldigsten Gefühle oft verkannt können werden — wie Sie
mir auch liebevoll begegnet sind, so habe ich nie daran gedacht, es anders aus¬
zulegen, als daß Sie mir Ihre Freundschaft schenken — Sie müssen mich sehr
eitel und kleinlich glauben, wenn Sie voraussetzen, daß das Zuvorkommen selbst
einer so vortrefflichen Person, wie Sie sind, mich glauben machen sollte, daß
ich gleich ihre Neigung gewonnen — ohnedem ist es einer meiner ersten Grund¬
sätze, nie in einem andern als freundschaftlichen Verhältniß mit der Gattin
eines andern zu stehn, nicht möchte ich durch so ein Verhältniß meine Brust
mit Mißtrauen gegen diejenige, welche vielleicht mein Geschick einst mit mir
theilen wird, anfüllen — und so das schönste reinste Leben mir selbst ver¬
derben —. Es ist vielleicht möglich, daß ich einigemal nicht fein genug mit
Bigot gescherzt habe, ich habe Ihnen ja selbst gesagt, daß ich zuweilen sehr
ungezogen bin — ich bin mit allen meinen Feunden äußerst natürlich und
hasse allen Zwang, Bigot zähle ich nun auch darunter,'wenn ihn etwas ver¬
drießt von mir, so fordert es die Freundschaft von ihm und Ihnen, daß Sie
mir solches sagen — und ich werde mich gewiß hüten, ihm wieder wehe zu
thun — aber wie kann die gute Marie meinen Handlungen so eine böse Deu¬
tung geben. --

Was meine Einladung zum Spazierenfahren mit Ihnen und Caroline an¬
geht, so war es natürlich, daß ich, da Tags zuvor Bigot sich dagegen auf¬
lehnte, daß Sie allein mit mir fahren sollt.n, ich glauben mußte, Sie beyde
fänden es vielleicht nicht schicklich oder anstößig — und als ich Ihnen schrieb,
wollte ich Ihnen nichts anders als begreiflich machen, daß ich nichts dabey


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349917/108>, abgerufen am 24.08.2024.