Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band.etats, wird man uns gewiß innebehalten. Und dann ist es doch auf die Dauer W>e tief die Bevölkerung diese Lage der Dinge begriffen, hat die Wahl Nun die Bewegung aber unsere sonst so apathischen Masse" einmal auf¬ etats, wird man uns gewiß innebehalten. Und dann ist es doch auf die Dauer W>e tief die Bevölkerung diese Lage der Dinge begriffen, hat die Wahl Nun die Bewegung aber unsere sonst so apathischen Masse» einmal auf¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0102" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/190796"/> <p xml:id="ID_316" prev="#ID_315"> etats, wird man uns gewiß innebehalten. Und dann ist es doch auf die Dauer<lb/> nicht durchführbar, den Kleinstaaten lediglich aus dynastischen Rücksichten diese<lb/> ungerechtfertigt exceptionelle Stellung zu geben. Darüber aber herrscht in unserem<lb/> Lande nur eine Stimme: es ist unmöglich, auch nur 10,000 Thaler über das<lb/> bisherige Steuerquantum aufzubringen.</p><lb/> <p xml:id="ID_317"> W>e tief die Bevölkerung diese Lage der Dinge begriffen, hat die Wahl<lb/> zum Reichstage gezeigt. Zwei Candidaten standen sich gegenüber, Professor<lb/> Speyer und Obergerichtsrath Severin (beide sa'vn oben erwähnt), jener den<lb/> demoüalischen Gesichtspunkt in den Vordergrund schiebend und die Lage des<lb/> eigenen Staats ganz ignorireud, dieser, wie man wußte, enischieden »aiional<lb/> und, als langjähriger Präsident des waldeckschen Landtags, mit dem kläglichen<lb/> Status unserer Steuerkraft vollkommen vertraut. Trotz der angestrengtesten<lb/> Agitation der speyerschen Partei, die man zugleich als die der Regierung be¬<lb/> zeichnen kann, und trotzdem die Wahlen nicht in den einzelnen Gemeinden,<lb/> sondern nur in den vier Kreisstädten vollzogen wurden, erlangte Severin eine<lb/> erdrückende Majorität. Aus einem Dorfe hart an der preußischen Grenze<lb/> kamen die Bauern auf großen Leiterwagen, geschmückt, neben den Landesfarben,<lb/> mit schwarzweißen Fahnen, und unter den Klänge» des Preußenliedes zogen sie<lb/> el» in die waldeckschc Residenz. Die Wahl Severins war eine Demonstration,<lb/> die nur in Greiz ihres Gleichen hatte.</p><lb/> <p xml:id="ID_318" next="#ID_319"> Nun die Bewegung aber unsere sonst so apathischen Masse» einmal auf¬<lb/> gerüttelt, wird sie nicht wieder süllstehen. Für den Augenblick freilich haben<lb/> wir keinen andern Wunsch, als jeder aufrichtige Patriot: schleunigsten Abschluß<lb/> des Verfassungswerkes. Dann erst, wenn der vereinbarte Entwurf den Einzel¬<lb/> landtagen vorliegen wird, beginnt unsere specifisch waldecksche Arbeit. Unsere<lb/> Abgeordneten sind fest entschlossen, jede Mehrbelastung des Landes entschieden<lb/> abzulehnen. Es ist darauf hingedeutet, daß die drohende Ueberbürdung d?r<lb/> Kleinstaaten durch andcrwe>te Erleichterung ihrer Budgets varaiysut werden<lb/> solle; besonders hat man eine Vereinfachung der Verwaltung unter Preußens<lb/> starker Beihilfe in Aussicht gestellt. Indeß, eine solche wäre ohne allen Vor¬<lb/> theil, falls wir unser gegenwärtiges Beamtenheer auf andere Weise sorternähren<lb/> sollten; gelänge es aber wirklich, seine Zahl zu reduciren, so würden die Ge¬<lb/> bliebenen nur um so lauter die Forderung der Gehaltserhöhung erheben. Und<lb/> dann das Schlimmste: der Gewinn aus einer solchen Vereinfachung würde doch<lb/> nur den kleinsten Theil der ungeheuren Ausgabensteigeiung aufwiegen. Es<lb/> scheint demnach, als sollten wir es erleben, daß der waldecksche Landtag unter<lb/> Führung demselben Mannes, der zur Zeit inmitten der national-liberalen Partei<lb/> des Reichstags die Arbeit fördern hilft, dem norddeutschen Berfassungswerke die<lb/> Zustimmung versagt — ein furchtbarer Adspect. An welche Adresse solche<lb/> Weigerung allein gerichtet sein könnte, ist nicht zweifelhaft. Sie würde nichts</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0102]
etats, wird man uns gewiß innebehalten. Und dann ist es doch auf die Dauer
nicht durchführbar, den Kleinstaaten lediglich aus dynastischen Rücksichten diese
ungerechtfertigt exceptionelle Stellung zu geben. Darüber aber herrscht in unserem
Lande nur eine Stimme: es ist unmöglich, auch nur 10,000 Thaler über das
bisherige Steuerquantum aufzubringen.
W>e tief die Bevölkerung diese Lage der Dinge begriffen, hat die Wahl
zum Reichstage gezeigt. Zwei Candidaten standen sich gegenüber, Professor
Speyer und Obergerichtsrath Severin (beide sa'vn oben erwähnt), jener den
demoüalischen Gesichtspunkt in den Vordergrund schiebend und die Lage des
eigenen Staats ganz ignorireud, dieser, wie man wußte, enischieden »aiional
und, als langjähriger Präsident des waldeckschen Landtags, mit dem kläglichen
Status unserer Steuerkraft vollkommen vertraut. Trotz der angestrengtesten
Agitation der speyerschen Partei, die man zugleich als die der Regierung be¬
zeichnen kann, und trotzdem die Wahlen nicht in den einzelnen Gemeinden,
sondern nur in den vier Kreisstädten vollzogen wurden, erlangte Severin eine
erdrückende Majorität. Aus einem Dorfe hart an der preußischen Grenze
kamen die Bauern auf großen Leiterwagen, geschmückt, neben den Landesfarben,
mit schwarzweißen Fahnen, und unter den Klänge» des Preußenliedes zogen sie
el» in die waldeckschc Residenz. Die Wahl Severins war eine Demonstration,
die nur in Greiz ihres Gleichen hatte.
Nun die Bewegung aber unsere sonst so apathischen Masse» einmal auf¬
gerüttelt, wird sie nicht wieder süllstehen. Für den Augenblick freilich haben
wir keinen andern Wunsch, als jeder aufrichtige Patriot: schleunigsten Abschluß
des Verfassungswerkes. Dann erst, wenn der vereinbarte Entwurf den Einzel¬
landtagen vorliegen wird, beginnt unsere specifisch waldecksche Arbeit. Unsere
Abgeordneten sind fest entschlossen, jede Mehrbelastung des Landes entschieden
abzulehnen. Es ist darauf hingedeutet, daß die drohende Ueberbürdung d?r
Kleinstaaten durch andcrwe>te Erleichterung ihrer Budgets varaiysut werden
solle; besonders hat man eine Vereinfachung der Verwaltung unter Preußens
starker Beihilfe in Aussicht gestellt. Indeß, eine solche wäre ohne allen Vor¬
theil, falls wir unser gegenwärtiges Beamtenheer auf andere Weise sorternähren
sollten; gelänge es aber wirklich, seine Zahl zu reduciren, so würden die Ge¬
bliebenen nur um so lauter die Forderung der Gehaltserhöhung erheben. Und
dann das Schlimmste: der Gewinn aus einer solchen Vereinfachung würde doch
nur den kleinsten Theil der ungeheuren Ausgabensteigeiung aufwiegen. Es
scheint demnach, als sollten wir es erleben, daß der waldecksche Landtag unter
Führung demselben Mannes, der zur Zeit inmitten der national-liberalen Partei
des Reichstags die Arbeit fördern hilft, dem norddeutschen Berfassungswerke die
Zustimmung versagt — ein furchtbarer Adspect. An welche Adresse solche
Weigerung allein gerichtet sein könnte, ist nicht zweifelhaft. Sie würde nichts
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