Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. I. Band.senbaum der Kirche erwuchs, ist der Gegenstand dieser neuesten Gedächtnisfeier. Nun scheint es Wohl indiscret, bei einer so ehrwürdigen Geburtstagfeier Der Widerspruch gegen die kirchliche Annahme von einem Aufenthalt des ^ ") Zum Folgenden vgl, man besonders Baur, der Apostel Paulus und das Christen¬
thum der drei ersten Jahrhunderte. Schwegler, das nachapostolische Zeitalter. Zeller, die Apostelgeschichte, die Werke von Schliemann und Hilgenfeld über die Clementinen. Daß A. v. Reumont in seiner Geschichte der Stadt Rom, Bd. I., 356 fs, die Sage als historisch nimmt, kann nicht überraschen. senbaum der Kirche erwuchs, ist der Gegenstand dieser neuesten Gedächtnisfeier. Nun scheint es Wohl indiscret, bei einer so ehrwürdigen Geburtstagfeier Der Widerspruch gegen die kirchliche Annahme von einem Aufenthalt des ^ ") Zum Folgenden vgl, man besonders Baur, der Apostel Paulus und das Christen¬
thum der drei ersten Jahrhunderte. Schwegler, das nachapostolische Zeitalter. Zeller, die Apostelgeschichte, die Werke von Schliemann und Hilgenfeld über die Clementinen. Daß A. v. Reumont in seiner Geschichte der Stadt Rom, Bd. I., 356 fs, die Sage als historisch nimmt, kann nicht überraschen. <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0092" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/191322"/> <p xml:id="ID_224" prev="#ID_223"> senbaum der Kirche erwuchs, ist der Gegenstand dieser neuesten Gedächtnisfeier.<lb/> Achtzehn Jahrhunderte sind es, daß Petrus, der Apostelfürst, von den Henkern<lb/> des römischen Imperators zum NichtPlatz geschleppt wurde, achtzehn Jahrhun¬<lb/> derte, daß der mit der Gewalt der Schlüssel ausgerüstete Apostel die ununter¬<lb/> brochene Succession der Bischöfe eingesetzt hat: es gilt das Geburtsfest des<lb/> Papstthums.</p><lb/> <p xml:id="ID_225"> Nun scheint es Wohl indiscret, bei einer so ehrwürdigen Geburtstagfeier<lb/> den nüchternen Rechner zu machen, den Geburtsschein prüfen, die Register durch-<lb/> suchen zu wollen, aber es liegt nun einmal in unserer vom Syllabus in ihrer<lb/> ganzen Gottlosigkeit charakterisirten Zeit, auch den ältesten und heiligsten Ueber¬<lb/> lieferungen bis aus den Grund zu gehen und nichts gelten zu lassen, was nicht<lb/> Stand hält im Feuer einer unerbittlichen Kritik. Und dann handelt es sich<lb/> nicht darum, erst jetzt die Acten zu revidiren und an eine bis heute intact ge¬<lb/> bliebene Tradition zu rühren. Es genügt vielmehr, das Gedächtniß an Unter¬<lb/> suchungen aufzufrischen, die längst gemacht und zu ihrem Abschlüsse gelangt sind,<lb/> Untersuchungen, welche, wie in so manchen anderen Fällen, in ein Gewebe von<lb/> mehr oder minder absichtvoll dichtender Sage aufgelöst haben, was lange<lb/> als unbezweifelte Geschichtswahrheit gegolten hatte. Allgemein bekannt ist, daß<lb/> die Schenkung Konstantins, auf welche die Päpste ihre weltliche Herrschaft zu¬<lb/> rückführten, nichts als eine Erdichtung ist; das braucht längst nicht mehr nach¬<lb/> gewiesen zu werden. Aber auch sofern es auf den Episcopat des Petrus<lb/> zurückgeführt wird, beruht das Papstthum auf einer Fiction, auf einer Sage,<lb/> die zwar früh entstanden ist, früh eine entscheidende Bedeutung erlangt und mit<lb/> merkwürdiger Zähigkeit sich ausgebildet hat, — aber auf einer Sage. Petrus<lb/> ist nicht Bischof in Rom gewesen, er hat hier nicht den Märtyrertod erlitten,<lb/> er ist ohne Zweifel niemals in Rom gewesen — auch diese Sätze<lb/> sind von der wissenschaftlichen Forschung zur höchsten Evidenz erhoben worden*)..</p><lb/> <p xml:id="ID_226"> Der Widerspruch gegen die kirchliche Annahme von einem Aufenthalt des<lb/> Apostel Petrus in Rom ist nicht neu. Schon im Mittelalter wurde die Sage<lb/> von Waldensern und andern Gegnern der päpstlichen Hierarchie verworfen, und<lb/> seit der Reformation hat eine fortlaufende Reihe protestantischer Forscher eifrig<lb/> die Spuren verfolgt, die in der ältesten Literatur gegen die Sage aufzufinden<lb/> sind. Freilich war es in dieser Zeit vorzugsweise nur ein kirchliches und po¬<lb/> lemisches Interesse, das der Bestreitung der römischen Tradition zu Grund lag.<lb/> Man suchte dem Papstthum alles zu entziehen, worauf es seine Ansprüche</p><lb/> <note xml:id="FID_4" place="foot"> ") Zum Folgenden vgl, man besonders Baur, der Apostel Paulus und das Christen¬<lb/> thum der drei ersten Jahrhunderte. Schwegler, das nachapostolische Zeitalter. Zeller,<lb/> die Apostelgeschichte, die Werke von Schliemann und Hilgenfeld über die Clementinen.<lb/> Daß A. v. Reumont in seiner Geschichte der Stadt Rom, Bd. I., 356 fs, die Sage als<lb/> historisch nimmt, kann nicht überraschen.</note><lb/> <p xml:id="ID_227" next="#ID_228"> ^</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0092]
senbaum der Kirche erwuchs, ist der Gegenstand dieser neuesten Gedächtnisfeier.
Achtzehn Jahrhunderte sind es, daß Petrus, der Apostelfürst, von den Henkern
des römischen Imperators zum NichtPlatz geschleppt wurde, achtzehn Jahrhun¬
derte, daß der mit der Gewalt der Schlüssel ausgerüstete Apostel die ununter¬
brochene Succession der Bischöfe eingesetzt hat: es gilt das Geburtsfest des
Papstthums.
Nun scheint es Wohl indiscret, bei einer so ehrwürdigen Geburtstagfeier
den nüchternen Rechner zu machen, den Geburtsschein prüfen, die Register durch-
suchen zu wollen, aber es liegt nun einmal in unserer vom Syllabus in ihrer
ganzen Gottlosigkeit charakterisirten Zeit, auch den ältesten und heiligsten Ueber¬
lieferungen bis aus den Grund zu gehen und nichts gelten zu lassen, was nicht
Stand hält im Feuer einer unerbittlichen Kritik. Und dann handelt es sich
nicht darum, erst jetzt die Acten zu revidiren und an eine bis heute intact ge¬
bliebene Tradition zu rühren. Es genügt vielmehr, das Gedächtniß an Unter¬
suchungen aufzufrischen, die längst gemacht und zu ihrem Abschlüsse gelangt sind,
Untersuchungen, welche, wie in so manchen anderen Fällen, in ein Gewebe von
mehr oder minder absichtvoll dichtender Sage aufgelöst haben, was lange
als unbezweifelte Geschichtswahrheit gegolten hatte. Allgemein bekannt ist, daß
die Schenkung Konstantins, auf welche die Päpste ihre weltliche Herrschaft zu¬
rückführten, nichts als eine Erdichtung ist; das braucht längst nicht mehr nach¬
gewiesen zu werden. Aber auch sofern es auf den Episcopat des Petrus
zurückgeführt wird, beruht das Papstthum auf einer Fiction, auf einer Sage,
die zwar früh entstanden ist, früh eine entscheidende Bedeutung erlangt und mit
merkwürdiger Zähigkeit sich ausgebildet hat, — aber auf einer Sage. Petrus
ist nicht Bischof in Rom gewesen, er hat hier nicht den Märtyrertod erlitten,
er ist ohne Zweifel niemals in Rom gewesen — auch diese Sätze
sind von der wissenschaftlichen Forschung zur höchsten Evidenz erhoben worden*)..
Der Widerspruch gegen die kirchliche Annahme von einem Aufenthalt des
Apostel Petrus in Rom ist nicht neu. Schon im Mittelalter wurde die Sage
von Waldensern und andern Gegnern der päpstlichen Hierarchie verworfen, und
seit der Reformation hat eine fortlaufende Reihe protestantischer Forscher eifrig
die Spuren verfolgt, die in der ältesten Literatur gegen die Sage aufzufinden
sind. Freilich war es in dieser Zeit vorzugsweise nur ein kirchliches und po¬
lemisches Interesse, das der Bestreitung der römischen Tradition zu Grund lag.
Man suchte dem Papstthum alles zu entziehen, worauf es seine Ansprüche
^
") Zum Folgenden vgl, man besonders Baur, der Apostel Paulus und das Christen¬
thum der drei ersten Jahrhunderte. Schwegler, das nachapostolische Zeitalter. Zeller,
die Apostelgeschichte, die Werke von Schliemann und Hilgenfeld über die Clementinen.
Daß A. v. Reumont in seiner Geschichte der Stadt Rom, Bd. I., 356 fs, die Sage als
historisch nimmt, kann nicht überraschen.
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