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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. I. Band.

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dem Spitze das Weiße Wappenschild des Schiffes mit dem Bilde einer springenden
Gazelle weist. Zu beiden Seiten des Galjons hängen unter den Krahnbalken
die wuchtigen Anker mit ihren massiven eisernen Armen und Finer (Schauset¬
enden); aus den Klüsen, den hierfür bestimmten augensörmigen Oeffnungen,
kommen die kolossalen Glieder der Ankerketten hervor; und über den ganzen
Bug, weit nach vorn hinaus, streckt sich das lange Bugspriet mit seiner Ver-
längerung. dem Klüverbaum und der Unzahl stärkerer und schwächerer Taue,
die ihn nach allen Seiten gegen das Abschlenkern bei starkem Seegang zu
halten bestimmt sind.

Unsere Kreisfahrt um die Fregatte ist vollendet, da ruft die Schildwache
mit einer Zuvorkommenheit gegen das Publikum, welche die Besatzung unserer
Schiffe auszeichnet, daß jetzt an Bord zu kommen verstattet ist. In der Mitte der
Schiffsseite ist an der Schanzkleidung des Oberdecks eine Lücke ausgeschnitten;
Vor derselben hat man eine ballonartige Plattform angebracht, auf welcher der
Marinesoldat Schildwand steht, und zu dieser Plattform führt längs der Schiffs¬
wand eine bequeme, bis zum Wasserspiegel reichende Treppe mit Geländer
empor. Aber nicht immer ist der Zugang so bequem gemacht; nur für die
Zeit, wo das Schiff im Hafen liegt, kommt man den Besuchern in dieser Weise
entgegen. In See müssen dicke, horizontal wie Treppenstufen an die Schiffs¬
wand genagelte Leisten als Stützen für die Füße, ein über Bord geworfenes
Tau, das Fallreep, für die Hände genügen, wenn man sich an Bord hinaus¬
arbeiten will und bei dem Schaukeln und Schlingern des Schiffs fällt aller¬
dings dem, der zum ersten Male aufsteigt, das Aufklettern etwas schwer. Heut
machen wir uns die Bequemlichkeit zu Nutze, wir steigen zwischen den bronzenen
resp, gußstählernen Mündungen der Geschütze, die uns in der Nähe erst recht
kolossal vorkommen, empor, an der Schildwache vorbei, und stehen plötzlich in¬
mitten einer ganz neuen Scenerie.

Wie eine mächtige Brücke, die nach Art der Eisenbahnbrücken eben ohne
Steigung und Senkung gelegt ist, in der Breite einer großen Straße bei ziem¬
lich 200 Fuß Länge, dehnt sich die gewaltige Fläche des Oberdecks rechts und
links vor uns hin. beiderseits von einem massiven brusthohen Geländer einge¬
faßt, während sich in der Mittellinie eine Masse wirrer hochragender Gegenstände
aufthürmt. über welche unser Auge zuerst unterscheidungslos hingleitet. (Auf
größeren Schiffen, als den gedeckten Korvetten mit ihrem niedrigen Bord, also
auf Fregatten und Linienschiffen, wo die Schanzkleidung mehr als Mannshöhe
hat, fällt mit dem Mangel der Aussicht nach allen Seiten auch die Aehnlich-
keit des Decks mit einer Brücke weg; dort fühlt man sich fast wie in einem
langen Saale, von dem die Decke weggenommen worden ist.) Auf den gedeck¬
ten Corvetten dagegen ist, wie gesagt, der Boden schnurgerade auch ohne die
Wölbung nach den Seiten zu, wie sie auf kleineren Schiffen zu finden ist


dem Spitze das Weiße Wappenschild des Schiffes mit dem Bilde einer springenden
Gazelle weist. Zu beiden Seiten des Galjons hängen unter den Krahnbalken
die wuchtigen Anker mit ihren massiven eisernen Armen und Finer (Schauset¬
enden); aus den Klüsen, den hierfür bestimmten augensörmigen Oeffnungen,
kommen die kolossalen Glieder der Ankerketten hervor; und über den ganzen
Bug, weit nach vorn hinaus, streckt sich das lange Bugspriet mit seiner Ver-
längerung. dem Klüverbaum und der Unzahl stärkerer und schwächerer Taue,
die ihn nach allen Seiten gegen das Abschlenkern bei starkem Seegang zu
halten bestimmt sind.

Unsere Kreisfahrt um die Fregatte ist vollendet, da ruft die Schildwache
mit einer Zuvorkommenheit gegen das Publikum, welche die Besatzung unserer
Schiffe auszeichnet, daß jetzt an Bord zu kommen verstattet ist. In der Mitte der
Schiffsseite ist an der Schanzkleidung des Oberdecks eine Lücke ausgeschnitten;
Vor derselben hat man eine ballonartige Plattform angebracht, auf welcher der
Marinesoldat Schildwand steht, und zu dieser Plattform führt längs der Schiffs¬
wand eine bequeme, bis zum Wasserspiegel reichende Treppe mit Geländer
empor. Aber nicht immer ist der Zugang so bequem gemacht; nur für die
Zeit, wo das Schiff im Hafen liegt, kommt man den Besuchern in dieser Weise
entgegen. In See müssen dicke, horizontal wie Treppenstufen an die Schiffs¬
wand genagelte Leisten als Stützen für die Füße, ein über Bord geworfenes
Tau, das Fallreep, für die Hände genügen, wenn man sich an Bord hinaus¬
arbeiten will und bei dem Schaukeln und Schlingern des Schiffs fällt aller¬
dings dem, der zum ersten Male aufsteigt, das Aufklettern etwas schwer. Heut
machen wir uns die Bequemlichkeit zu Nutze, wir steigen zwischen den bronzenen
resp, gußstählernen Mündungen der Geschütze, die uns in der Nähe erst recht
kolossal vorkommen, empor, an der Schildwache vorbei, und stehen plötzlich in¬
mitten einer ganz neuen Scenerie.

Wie eine mächtige Brücke, die nach Art der Eisenbahnbrücken eben ohne
Steigung und Senkung gelegt ist, in der Breite einer großen Straße bei ziem¬
lich 200 Fuß Länge, dehnt sich die gewaltige Fläche des Oberdecks rechts und
links vor uns hin. beiderseits von einem massiven brusthohen Geländer einge¬
faßt, während sich in der Mittellinie eine Masse wirrer hochragender Gegenstände
aufthürmt. über welche unser Auge zuerst unterscheidungslos hingleitet. (Auf
größeren Schiffen, als den gedeckten Korvetten mit ihrem niedrigen Bord, also
auf Fregatten und Linienschiffen, wo die Schanzkleidung mehr als Mannshöhe
hat, fällt mit dem Mangel der Aussicht nach allen Seiten auch die Aehnlich-
keit des Decks mit einer Brücke weg; dort fühlt man sich fast wie in einem
langen Saale, von dem die Decke weggenommen worden ist.) Auf den gedeck¬
ten Corvetten dagegen ist, wie gesagt, der Boden schnurgerade auch ohne die
Wölbung nach den Seiten zu, wie sie auf kleineren Schiffen zu finden ist


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_191229/60>, abgerufen am 15.01.2025.