Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. I. Band.Schiffswand um den großen Körper herumfahren zu lassen. Unser Boot gleitet Grenzboten III. 1867.
Schiffswand um den großen Körper herumfahren zu lassen. Unser Boot gleitet Grenzboten III. 1867.
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Schiffswand um den großen Körper herumfahren zu lassen. Unser Boot gleitet
längs der schwarzen Schiffwand hin, die mit Planken von großer Dicke, aber
verhältnißmäßig geringer Breite bekleidet ist, damit die Plankenhaut den Formen
des Gerippes recht willig sich anschmiege; wir können den Kupferbeschlag nahe
der Wasserlinie mit seinen papierdünnen Platten von Folioformat und mit
den unzähligen kleinen Kupfernägeln darin mit den Händen berühren; wir be¬
merken jetzt auch dicht über dem Kupferbeschlag die Reihe der Lichtpforten des
Zwischendecks, die handgroßen, kreisförmigen Augen mit Glaslinsen von enormer
Stärke, und über unsrem Haupte strecken sich die Geschützrohre weit aus den
Pforten hervor, stark hervortretenden Gesimsstücken über den Fenstern eines gro¬
ßen Hauses vergleichbar. Wir sind am hintern Ende des Schiffes angelangt,
das Boot wendet, wir befinden uns unter dem überragenden „Heat", der halb¬
kreisförmig gebauten Hinterfläche des obern Schiffskörpers mit den zahlreichen,
hart aneinanderstoßenden Fenstern der Capitänskajüte und den zwei Erkern auf
deren beiden Flanken, deren schwarzes Schnitzwerk an die kunstvollen Holzsculp-
turen der Gondeln in der Marmorstadt Venedig erinnert. Ein wenig tiefer,
da, wo der breite Obertheil nach der Wasserlinie zu sich verengert und zum
„Spiegel" verschärft, wo die Näthe des Plankenbelaufs auffallendere Curven
zeigen, erblicken wir dicht vor uns das mächtige sußdicke Steuer, nicht breiter
als eine gewöhnliche Thür, aber um dreifache Mannshöhe unter Wasser reichend:
hier, zwischen dem Steuer, das der Seemann blos „das Ruder" nennt, und
dem Schiffe sehen wir in heilsam schwankendem spiegelnden Bilde aus dem
Wasser die bronzenen Schraubenflügel herausglänzen. Ueber unsern Kopf hin¬
weg aber ragt der lange starke Giekbaum, eine Art horizontaler unterer „Segel¬
stange" des hintersten mächtigen Gaffelsegels, dessen Fläche, wie man in den
Werkstätten der Segclmacher sehen kann, vollkommen ausreicht, den Fußboden
eines großen Saales zu bedecken. Dicht unter dem Giekbaum sind die Rettungs¬
bojen festgemacht, große schwarze Hohlkugcln, die, wenn ein Mann über Bord
gefallen ist, durch einfache Berührung eines Knopfs blitzschnell ins Wasser ge¬
worfen und zur Nachtzeit auch erleuchtet werden; ist die See nicht zu unruhig,
so kann der Verunglückte leicht die Boje erreichen, die ihn über Wasser hält,
und der Mannschaft im ausgesetzten Boot ist das Auffinden sehr erleichtert.
Unser Boot steuert jetzt längs der andren Flanke der Fregatte unter der langen
Reihe von Feuerschlünden nach vorn, eine Wendung bringt es plötzlich vor den
mächtig gewölbten Bug. In der Mitte desselben steigt ziemlich senkrecht der
baumstarke Vorsteven auf. ein gewaltiger Balken, der gleichsam die vordere
Kante des ganzen Schiffskörpers bildet, und oben als Scheg in schöner Wellen-
linie nach vorwärts ausgeschweift ist: so dient er wie eine Console dem Galjon,
einer scharf, schnabelartig vorspringenden Galerie, als Träger, und die letztere
ist wieder für das Bugspriet eine ornamentale Basis, während sie an ihrer vor-
Grenzboten III. 1867.
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