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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. I. Band.

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leise Aufsteigen derselben nach den Enden zu ist bei den Schiffen neuer Con-
struction dem Auge kaum bemerkbar, wahrend dieser "Spring" des Decks in
früheren Zeiten ungleich größer war und z. B. bei der "Gcfion" noch auffällig
genug hervortritt, namentlich wenn man sich auf dem Oberdeck selbst befindet.
Diese obere abschließende Linie erscheint mit einer weißen feingeripptcn Kante
gesäumt, es ist die Reihe der sackförmig zusammengebundenen Hängematten der
Matrosen, die behufs der Lüftung, wie auf allen Kriegsschiffen, Stück an Stück
gereiht in einer Auskehlung der Schanztlcidung lehnen und einen eigenthümli¬
chen Abschluß des Ganzen bilden. Ueber dem Schiffskörper aber, aus dem
Rumpf emporwachsend bis in schwindelnde Höhe, erhebt sich in gegliederten
Aufschwung die prächtige Takelage. Hier empfindet man so recht, daß die
Vollschifftakelage doch die schönste von allen ist. Gleich gewaltigen Christbäu¬
men streben die drei mächtigen Mister urd ihren Verlängerungen, den Stangen,
empor, und wie Strahlenbündel, wie unzählige hinter dem Mast emporlaufende,
nach oben convergirende Stützen schießen vom Schiffskörper aus die Warten
und Pardunen und die Taue in die Höhe, welche den Mast nach rückwärts
halten. Und die Büschel dieser Taue erscheinen um so dichter und reicher, als
auch die größte Zahl der dünneren Taue, welche zur Negierung der Raaen
und Segel dienen, parallel mit ihnen hinter den Masten herniederläuft.
Jeder Mast mit seinen Tauen stellt sich so dem Auge als eine mächtige durch¬
sichtige Pyramide dar mit breiter Basis und feiner scharfer Spitze, dem Bau
eines gothischen Münsterthurmes ähnlich mit seiner zarten durchbrochenen Arbeit.
Innerhalb dieser Pyramide aber zeigt sich eine wohlthuende Gliederung, da
jede Stenge, jede Mastverlängerung mit ihren Haltetaucn in sich wieder eine
kleinere, innere Pyramide bildet, die nur dazu vorhanden zu sein scheint, den
durchsichtigen Körper deS Ganzen wirksam zu beleben. Wo nun diese kleineren
inneren Pyramiden sich von einander absetzen, an den Punkten, wo die Ver¬
einigung von je zwei Mastvcrlangerungen liegt, da schweben, horizontal aufge-
hängt, in hoher Luft die Raaen, an denen die Segel festgemacht sind. Vier¬
fach an jedem Mast hängen sie über einander, mit schöner Ebenmäßigkeit nach
oben sich verjüngend, und ihre wcitragenden Enden bleiben nicht in häßlicher
spitz ausspringendcr Vereinzelung wie beim Naasegel des Flußschiffes, dieselben
finden wieder durch besondere Taue ihre Verbindung mit den Masten und dem
Körper des Schiffs, was dem Ganzen den Charakter fester innerlicher Geschlos¬
senheit und harmonischer Abrundung verleiht. Wie ein wirres und doch streng
regelmäßig geflochtenes Netzwelk, zart und überaus kunstvoll, zeichnen sich in
den weiten Zwischenräumen der Masten die verbindenden Taue derselben, die
Brassen und die stage, als feine schwarze Linien gegen den Himmel ab, und
schaffen so einen gewissermaßen künstlerischen Schluß der Kette zwischen den Pyrami¬
dal, in vollendetem Ebenmaß der Erscheinung aufstrebenden einzelnen Masten


leise Aufsteigen derselben nach den Enden zu ist bei den Schiffen neuer Con-
struction dem Auge kaum bemerkbar, wahrend dieser „Spring" des Decks in
früheren Zeiten ungleich größer war und z. B. bei der „Gcfion" noch auffällig
genug hervortritt, namentlich wenn man sich auf dem Oberdeck selbst befindet.
Diese obere abschließende Linie erscheint mit einer weißen feingeripptcn Kante
gesäumt, es ist die Reihe der sackförmig zusammengebundenen Hängematten der
Matrosen, die behufs der Lüftung, wie auf allen Kriegsschiffen, Stück an Stück
gereiht in einer Auskehlung der Schanztlcidung lehnen und einen eigenthümli¬
chen Abschluß des Ganzen bilden. Ueber dem Schiffskörper aber, aus dem
Rumpf emporwachsend bis in schwindelnde Höhe, erhebt sich in gegliederten
Aufschwung die prächtige Takelage. Hier empfindet man so recht, daß die
Vollschifftakelage doch die schönste von allen ist. Gleich gewaltigen Christbäu¬
men streben die drei mächtigen Mister urd ihren Verlängerungen, den Stangen,
empor, und wie Strahlenbündel, wie unzählige hinter dem Mast emporlaufende,
nach oben convergirende Stützen schießen vom Schiffskörper aus die Warten
und Pardunen und die Taue in die Höhe, welche den Mast nach rückwärts
halten. Und die Büschel dieser Taue erscheinen um so dichter und reicher, als
auch die größte Zahl der dünneren Taue, welche zur Negierung der Raaen
und Segel dienen, parallel mit ihnen hinter den Masten herniederläuft.
Jeder Mast mit seinen Tauen stellt sich so dem Auge als eine mächtige durch¬
sichtige Pyramide dar mit breiter Basis und feiner scharfer Spitze, dem Bau
eines gothischen Münsterthurmes ähnlich mit seiner zarten durchbrochenen Arbeit.
Innerhalb dieser Pyramide aber zeigt sich eine wohlthuende Gliederung, da
jede Stenge, jede Mastverlängerung mit ihren Haltetaucn in sich wieder eine
kleinere, innere Pyramide bildet, die nur dazu vorhanden zu sein scheint, den
durchsichtigen Körper deS Ganzen wirksam zu beleben. Wo nun diese kleineren
inneren Pyramiden sich von einander absetzen, an den Punkten, wo die Ver¬
einigung von je zwei Mastvcrlangerungen liegt, da schweben, horizontal aufge-
hängt, in hoher Luft die Raaen, an denen die Segel festgemacht sind. Vier¬
fach an jedem Mast hängen sie über einander, mit schöner Ebenmäßigkeit nach
oben sich verjüngend, und ihre wcitragenden Enden bleiben nicht in häßlicher
spitz ausspringendcr Vereinzelung wie beim Naasegel des Flußschiffes, dieselben
finden wieder durch besondere Taue ihre Verbindung mit den Masten und dem
Körper des Schiffs, was dem Ganzen den Charakter fester innerlicher Geschlos¬
senheit und harmonischer Abrundung verleiht. Wie ein wirres und doch streng
regelmäßig geflochtenes Netzwelk, zart und überaus kunstvoll, zeichnen sich in
den weiten Zwischenräumen der Masten die verbindenden Taue derselben, die
Brassen und die stage, als feine schwarze Linien gegen den Himmel ab, und
schaffen so einen gewissermaßen künstlerischen Schluß der Kette zwischen den Pyrami¬
dal, in vollendetem Ebenmaß der Erscheinung aufstrebenden einzelnen Masten


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_191229/57>, abgerufen am 15.01.2025.