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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. I. Band.

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in der Landesstadt eine evangelische Gemeinde und heute erhebt sich der be¬
scheidene Bau einer lutherischen Kirche neben dem stolzen Ebenbild von Se.
Peters Dom, an den Ufern der Salza. So leben Katholiken und Protestanten
einträchtig neben einander, "wie es sich für Christen schickt, aber zum Anstoß
für das Nachbarland, in welchem die "Glaubenseinheit" so viel Unheil gestiftet hat.

Wenn in der Stadt Salzburg und ihrer nächsten Umgebung das An-
denken an die traurige Vergangenheit auch verwischt ist, so gilt ein Gleiches
doch nicht von den Bergbewohnern. Nicht als ob man sich unter diesen noch
viel von dem herben Schicksal der Altvordern erzählte, -- die angemaßten Hoheits¬
rechte aber, welche das fürsterzbischöfliche Regiment über Wälder und Almen übte,
die Art, wie es sich den Schweiß der Unterthanen zinsbar machte, sie sind
noch heute ein Grund der Verarmung des Landvolks und das Mißtrauen in
die weltliche Vorsorge der geistlichen Machthaber wurzelt noch tief im Herzen
der Bauern und wurde von ihnen aus die Nachfolger der geistlichen Regenten,
auf alles, was "Herr" heißt, übertragen. Ein Landtagsabgeordneter aus dem
Nichterstande glaubte diesem Vorurtheil nicht besser begegnen zu können, als dadurch,
daß er bei seinem ersten Auftreten als Volkstribun in langem Bauernrock und
mit rothem Regenschirm erschien. Man würde jedoch sehr irren, wenn man aus dieser
gedrückten Stimmung einen geheimen Zug nach politischer Selbständigkeit ab¬
leiten, wollte: eine volle Mittagsschüssel ist nachgrade noch immer das Eldorado
der bäuerlichen Wünsche.

An die Spitze der Verwaltung dieses schon seiner Natur nach sehr idyllischen
Ländchens trat seit 18S3, also noch in der Blüthezeit des Verfassungsminister
iums, Eduard Graf von Taaffe. Er war kaum älter als sein jüngster Prak-
tikant, gleichwohl ein schon gereifter Noutinist, alles überblickend, rasch durch,
dringend, schnell entscheidend, immer scharf und schlagfertig, der Schrecken der
alten Pedanten, dabei unter vier Augen ebenso verbindlich als galant und
empfänglich für alles Schöne, ein Cavalier vom feinsten Schliffe des wiener
Adels. Daß aber auch Geist und Witz einer schlechten Sache, wie jener des Slsti-
rungsministeriums, im Landtage nicht aufzuhelfen vermochten, zeigte sich nur allzu
deutlich. Grade in die belcredische Epoche fällt die Hauptzeit der Verwaltung
Taases und wir können die Selbstverläugnung nur bewundern, mit welcher sich
der Graf zu dem Dienst dieses neuen Regiments hergab. Ein Ministerporte¬
feuille konnte ihm unter den gegebenen Umständen ja doch nicht entgehen. Es
fehlte dem Grafen von Hause der größere Wirkungskreis, wie er mit seinem
großen Opernglase im kleinen Landtagssaale anzudeuten Pflegte. -

Diesem Minister der Zukunft stand im Landtage ein abgetretener gegen¬
über, Ritter von Lasser, ein geborner Pongauer. Dort der Paladin der alten
Landtage, des Föderalismus, der Czecho- und Slavomanie, Adels- und Jesuiten-
Herrschast, hier ein Partisane der Februarversassung mit dem Feldgeschrei: "Ge-


in der Landesstadt eine evangelische Gemeinde und heute erhebt sich der be¬
scheidene Bau einer lutherischen Kirche neben dem stolzen Ebenbild von Se.
Peters Dom, an den Ufern der Salza. So leben Katholiken und Protestanten
einträchtig neben einander, «wie es sich für Christen schickt, aber zum Anstoß
für das Nachbarland, in welchem die „Glaubenseinheit" so viel Unheil gestiftet hat.

Wenn in der Stadt Salzburg und ihrer nächsten Umgebung das An-
denken an die traurige Vergangenheit auch verwischt ist, so gilt ein Gleiches
doch nicht von den Bergbewohnern. Nicht als ob man sich unter diesen noch
viel von dem herben Schicksal der Altvordern erzählte, — die angemaßten Hoheits¬
rechte aber, welche das fürsterzbischöfliche Regiment über Wälder und Almen übte,
die Art, wie es sich den Schweiß der Unterthanen zinsbar machte, sie sind
noch heute ein Grund der Verarmung des Landvolks und das Mißtrauen in
die weltliche Vorsorge der geistlichen Machthaber wurzelt noch tief im Herzen
der Bauern und wurde von ihnen aus die Nachfolger der geistlichen Regenten,
auf alles, was „Herr" heißt, übertragen. Ein Landtagsabgeordneter aus dem
Nichterstande glaubte diesem Vorurtheil nicht besser begegnen zu können, als dadurch,
daß er bei seinem ersten Auftreten als Volkstribun in langem Bauernrock und
mit rothem Regenschirm erschien. Man würde jedoch sehr irren, wenn man aus dieser
gedrückten Stimmung einen geheimen Zug nach politischer Selbständigkeit ab¬
leiten, wollte: eine volle Mittagsschüssel ist nachgrade noch immer das Eldorado
der bäuerlichen Wünsche.

An die Spitze der Verwaltung dieses schon seiner Natur nach sehr idyllischen
Ländchens trat seit 18S3, also noch in der Blüthezeit des Verfassungsminister
iums, Eduard Graf von Taaffe. Er war kaum älter als sein jüngster Prak-
tikant, gleichwohl ein schon gereifter Noutinist, alles überblickend, rasch durch,
dringend, schnell entscheidend, immer scharf und schlagfertig, der Schrecken der
alten Pedanten, dabei unter vier Augen ebenso verbindlich als galant und
empfänglich für alles Schöne, ein Cavalier vom feinsten Schliffe des wiener
Adels. Daß aber auch Geist und Witz einer schlechten Sache, wie jener des Slsti-
rungsministeriums, im Landtage nicht aufzuhelfen vermochten, zeigte sich nur allzu
deutlich. Grade in die belcredische Epoche fällt die Hauptzeit der Verwaltung
Taases und wir können die Selbstverläugnung nur bewundern, mit welcher sich
der Graf zu dem Dienst dieses neuen Regiments hergab. Ein Ministerporte¬
feuille konnte ihm unter den gegebenen Umständen ja doch nicht entgehen. Es
fehlte dem Grafen von Hause der größere Wirkungskreis, wie er mit seinem
großen Opernglase im kleinen Landtagssaale anzudeuten Pflegte. -

Diesem Minister der Zukunft stand im Landtage ein abgetretener gegen¬
über, Ritter von Lasser, ein geborner Pongauer. Dort der Paladin der alten
Landtage, des Föderalismus, der Czecho- und Slavomanie, Adels- und Jesuiten-
Herrschast, hier ein Partisane der Februarversassung mit dem Feldgeschrei: „Ge-


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[0522] in der Landesstadt eine evangelische Gemeinde und heute erhebt sich der be¬ scheidene Bau einer lutherischen Kirche neben dem stolzen Ebenbild von Se. Peters Dom, an den Ufern der Salza. So leben Katholiken und Protestanten einträchtig neben einander, «wie es sich für Christen schickt, aber zum Anstoß für das Nachbarland, in welchem die „Glaubenseinheit" so viel Unheil gestiftet hat. Wenn in der Stadt Salzburg und ihrer nächsten Umgebung das An- denken an die traurige Vergangenheit auch verwischt ist, so gilt ein Gleiches doch nicht von den Bergbewohnern. Nicht als ob man sich unter diesen noch viel von dem herben Schicksal der Altvordern erzählte, — die angemaßten Hoheits¬ rechte aber, welche das fürsterzbischöfliche Regiment über Wälder und Almen übte, die Art, wie es sich den Schweiß der Unterthanen zinsbar machte, sie sind noch heute ein Grund der Verarmung des Landvolks und das Mißtrauen in die weltliche Vorsorge der geistlichen Machthaber wurzelt noch tief im Herzen der Bauern und wurde von ihnen aus die Nachfolger der geistlichen Regenten, auf alles, was „Herr" heißt, übertragen. Ein Landtagsabgeordneter aus dem Nichterstande glaubte diesem Vorurtheil nicht besser begegnen zu können, als dadurch, daß er bei seinem ersten Auftreten als Volkstribun in langem Bauernrock und mit rothem Regenschirm erschien. Man würde jedoch sehr irren, wenn man aus dieser gedrückten Stimmung einen geheimen Zug nach politischer Selbständigkeit ab¬ leiten, wollte: eine volle Mittagsschüssel ist nachgrade noch immer das Eldorado der bäuerlichen Wünsche. An die Spitze der Verwaltung dieses schon seiner Natur nach sehr idyllischen Ländchens trat seit 18S3, also noch in der Blüthezeit des Verfassungsminister iums, Eduard Graf von Taaffe. Er war kaum älter als sein jüngster Prak- tikant, gleichwohl ein schon gereifter Noutinist, alles überblickend, rasch durch, dringend, schnell entscheidend, immer scharf und schlagfertig, der Schrecken der alten Pedanten, dabei unter vier Augen ebenso verbindlich als galant und empfänglich für alles Schöne, ein Cavalier vom feinsten Schliffe des wiener Adels. Daß aber auch Geist und Witz einer schlechten Sache, wie jener des Slsti- rungsministeriums, im Landtage nicht aufzuhelfen vermochten, zeigte sich nur allzu deutlich. Grade in die belcredische Epoche fällt die Hauptzeit der Verwaltung Taases und wir können die Selbstverläugnung nur bewundern, mit welcher sich der Graf zu dem Dienst dieses neuen Regiments hergab. Ein Ministerporte¬ feuille konnte ihm unter den gegebenen Umständen ja doch nicht entgehen. Es fehlte dem Grafen von Hause der größere Wirkungskreis, wie er mit seinem großen Opernglase im kleinen Landtagssaale anzudeuten Pflegte. - Diesem Minister der Zukunft stand im Landtage ein abgetretener gegen¬ über, Ritter von Lasser, ein geborner Pongauer. Dort der Paladin der alten Landtage, des Föderalismus, der Czecho- und Slavomanie, Adels- und Jesuiten- Herrschast, hier ein Partisane der Februarversassung mit dem Feldgeschrei: „Ge-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_191229/522>, abgerufen am 15.01.2025.