Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. I. Band.fand er, daß die Leute von einem Rennstiege wissen, der vom fränkischen Culm Die so corrigirte Linie nun ist in ihren Functionen von großer Wichtigkeit. Sie Was die Sprache betrifft, so scheidet der Rennstieg den höheren Ton der 64"
fand er, daß die Leute von einem Rennstiege wissen, der vom fränkischen Culm Die so corrigirte Linie nun ist in ihren Functionen von großer Wichtigkeit. Sie Was die Sprache betrifft, so scheidet der Rennstieg den höheren Ton der 64"
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0517" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/191747"/> <p xml:id="ID_1532" prev="#ID_1531"> fand er, daß die Leute von einem Rennstiege wissen, der vom fränkischen Culm<lb/> südlich zwischen der thüringischen und fränkischen Moschwitz hindurch über den<lb/> langenbacher Wald nach Kronach zu geht; auf der Westseite wurde er aufmerksam<lb/> auf einen vom Weißenberg nach Süden sich abzweigenden Gebirgsast, der notorisch<lb/> den Namen „Rennweg" führt, an welchem ehemals ein Dorf „Rennwcuterode" lag<lb/> und der im Nennwegskopf seine südlichste Spitze hat. An der Westseite dieses<lb/> Rennwegs entlangführt das sogenannte thüringer Thal, das also südlich von<lb/> der Firstlinie liegt. Dieser Nennweg bildet den Ansatz und ein gutes Stück<lb/> der zwischen dem thüringischen Westergau und dem fränkischen Grabfeld laufenden<lb/> Grenze, die sich dann, die Werra überspringend, am Rosagrund.hinaufzieht<lb/> (wo, wie wir hinzufügen wollen, ein Berg „der hohe Rain" in seiner Linie<lb/> liegt) und um Satzungen herum einen Bogen nach der Werra zurückschlägt.</p><lb/> <p xml:id="ID_1533"> Die so corrigirte Linie nun ist in ihren Functionen von großer Wichtigkeit. Sie<lb/> ist zunächst durch fuldaische Urkunden als Südgrenze der mainzischthüringischen,<lb/> durch Würzburger als Nordgrenze der Würzburger Kirche constatirt. Dies ist von<lb/> weittragender und durchgreifender Bedeutung. „Denn bekanntlich nahm man<lb/> bei der Gründung der Bisthümer ganze Provinzen und Volksstämme als Unter¬<lb/> lagen der bischöflichen Districte an, so daß die Grenzen der Provinzen und<lb/> Kirchen einander decken und ihren Umfang gegenseitig genau erkennen lassen."<lb/> In der That scheidet jene Linie zwei Sprach-, Rechts- und Sittengebiete von<lb/> einander, und sie muß dies schon zu den Zeiten des Bonifacius gethan haben,<lb/> der die beiden Volksstämme, die er kirchlich gegen einander abgrenzt, nicht als<lb/> neue, erst gebildete, sondern als fertig vorgefundene in seinen Briefen erwähnt.</p><lb/> <p xml:id="ID_1534" next="#ID_1535"> Was die Sprache betrifft, so scheidet der Rennstieg den höheren Ton der<lb/> norddeutschen Rede von dem tieferen der süddeutschen, scheidet er speciell das<lb/> weichere, mehr singende und klingende thüringische Idiom von dem härteren,<lb/> klangloseren fränkischen. Ein ganz konstanter Unterschied zeigt sich im Gebrauche<lb/> der Verkleinerungssilben diesseit und jenseit der Grenze: der Nennstiegzug hat<lb/> in seiner ganzen Länge das „chen" auf der thüringischen, das „le" und „la"<lb/> auf der fränkischen Seite. Im Norden hat er ferner die Ortsnamenendungen<lb/> „stevt" und „leben", im Süden „lügen". „heim" und „Hausen". Dazu kommen<lb/> reiche lexikalische Verschiedenheiten, auf die wir hier nur hindeuten wollen. Auch<lb/> das Recht wird durch den Nennstieg geschieden: er trennt in seinem ganzen Zuge<lb/> sächsisches von fränkischem Rechte. „So nahe und unmittelbar die alten Aemter<lb/> SanV, Wasungen und Schmalkalden im Werragrund an die gleich alten Aemter<lb/> Satzungen, Frauenbreitungen und Altenstein grenzten und durch keinen Ge-<lb/> b^gszug geschieden sind, so gehörten doch jene zum Gau Grabfeld, zum Bis-<lb/> thum Würzburg und vor dem Jahre 1330 zum obersten Gerichtshof in Würz,<lb/> hing, darauf zum gräflichen Hofgerichte zu Schleusingen, diese Aemter dagegen<lb/> lagen auf thüringischem Boden, standen kürzlich unter Mainz und mußten ihr</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> 64"</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0517]
fand er, daß die Leute von einem Rennstiege wissen, der vom fränkischen Culm
südlich zwischen der thüringischen und fränkischen Moschwitz hindurch über den
langenbacher Wald nach Kronach zu geht; auf der Westseite wurde er aufmerksam
auf einen vom Weißenberg nach Süden sich abzweigenden Gebirgsast, der notorisch
den Namen „Rennweg" führt, an welchem ehemals ein Dorf „Rennwcuterode" lag
und der im Nennwegskopf seine südlichste Spitze hat. An der Westseite dieses
Rennwegs entlangführt das sogenannte thüringer Thal, das also südlich von
der Firstlinie liegt. Dieser Nennweg bildet den Ansatz und ein gutes Stück
der zwischen dem thüringischen Westergau und dem fränkischen Grabfeld laufenden
Grenze, die sich dann, die Werra überspringend, am Rosagrund.hinaufzieht
(wo, wie wir hinzufügen wollen, ein Berg „der hohe Rain" in seiner Linie
liegt) und um Satzungen herum einen Bogen nach der Werra zurückschlägt.
Die so corrigirte Linie nun ist in ihren Functionen von großer Wichtigkeit. Sie
ist zunächst durch fuldaische Urkunden als Südgrenze der mainzischthüringischen,
durch Würzburger als Nordgrenze der Würzburger Kirche constatirt. Dies ist von
weittragender und durchgreifender Bedeutung. „Denn bekanntlich nahm man
bei der Gründung der Bisthümer ganze Provinzen und Volksstämme als Unter¬
lagen der bischöflichen Districte an, so daß die Grenzen der Provinzen und
Kirchen einander decken und ihren Umfang gegenseitig genau erkennen lassen."
In der That scheidet jene Linie zwei Sprach-, Rechts- und Sittengebiete von
einander, und sie muß dies schon zu den Zeiten des Bonifacius gethan haben,
der die beiden Volksstämme, die er kirchlich gegen einander abgrenzt, nicht als
neue, erst gebildete, sondern als fertig vorgefundene in seinen Briefen erwähnt.
Was die Sprache betrifft, so scheidet der Rennstieg den höheren Ton der
norddeutschen Rede von dem tieferen der süddeutschen, scheidet er speciell das
weichere, mehr singende und klingende thüringische Idiom von dem härteren,
klangloseren fränkischen. Ein ganz konstanter Unterschied zeigt sich im Gebrauche
der Verkleinerungssilben diesseit und jenseit der Grenze: der Nennstiegzug hat
in seiner ganzen Länge das „chen" auf der thüringischen, das „le" und „la"
auf der fränkischen Seite. Im Norden hat er ferner die Ortsnamenendungen
„stevt" und „leben", im Süden „lügen". „heim" und „Hausen". Dazu kommen
reiche lexikalische Verschiedenheiten, auf die wir hier nur hindeuten wollen. Auch
das Recht wird durch den Nennstieg geschieden: er trennt in seinem ganzen Zuge
sächsisches von fränkischem Rechte. „So nahe und unmittelbar die alten Aemter
SanV, Wasungen und Schmalkalden im Werragrund an die gleich alten Aemter
Satzungen, Frauenbreitungen und Altenstein grenzten und durch keinen Ge-
b^gszug geschieden sind, so gehörten doch jene zum Gau Grabfeld, zum Bis-
thum Würzburg und vor dem Jahre 1330 zum obersten Gerichtshof in Würz,
hing, darauf zum gräflichen Hofgerichte zu Schleusingen, diese Aemter dagegen
lagen auf thüringischem Boden, standen kürzlich unter Mainz und mußten ihr
64"
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |