weicht vielfach von der heutigen ab und bleibt auch sich selbst nicht überall gleich. Man wird also entweder das alte Gewand ganz beibehalten (natürlich mit Beseitigung der offenbaren Druckfehler) oder eine völlige Umschreibung vor¬ nehmen müssen. Je nach den Neigungen des Herausgebers und dem Zweck der Ausaabe kann die WM verschieden ausfallen. Dressel hat im Ganzen die alte Orthographie belassen, sich dann aber dock wieder nicht enthalten können, einzelne Jnconseauenzen zu beseitigen. Dies Verfahren entbehrt jeder Berech¬ tigung. Sollte einmal geändert werden, so mußten Vor allen Dingen entschie¬ dene Fehler entfernt werden, wie sich solche namentlich im Griechischen mehrfach finden. Wir fürchten, Winckelmann würde sich in dieser Hinsicht heute wie vor hundert Jabren über seinen Corrector beschweren. Er würde demselben ver¬ muthlich gern erlaubt haben, den "Hyllus, den die Nymphen entführen" (S. 15) in einen Hylas zu verwandeln, aber ganz sicher würde er dagegen protestirt haben, sich in der Weise das Exercitium corrigiren zu lassen, daß Dressel die Schreibweise Buonarroti in Buonarotti verwandelte, da doch jenes die durchaus richtige, von dem betreffenden Gelehrten selbst wie von seiner Familie gebrauchte Namensform ist. Herzlich lachen würde er aber ohne Zweifel über die Verbesserungen, mit denen der Herausgeber seinem Italienisch geglaubt Hot aufhelfen zu müssen. Anhangsweise werden nämlich, außer einem une" schlichen Originalbericht über Winckelmanns letzte Stunden, dreizehn Briefe desselben abgedruckt. Zwei davon waren bereits bekannt, zehn andre bisher unbekannte sind dem Herausgeber von Freundeshand mitgetheilt, theilweise reckt interessant; endlich ist ein italienischer Brief an Mengs darunter. In diesem berichtet Winckelmann dem Freunde von einer großen Marmorschale der, Villa Albani mit den Thaten des Herkules im Relief. Die Schale nennt er. wie nach ihm z, B. Zoega. "Is.dbi-o", d. h. Becken (labrum). Gott weiß weshalb Herr Dressel daran Anstoß genommen hat, er corrigirt -- "lab^ro"! Wenn dem in Rom lebenden Theologen Dressel das constantinische Feldzeichen mit dem I. H. K. so nahe lag, so hätte der leipziger Theolog Tischendorf doch wohl merken sollen, daß die Thaten des Herkules für die Fahne Constantins kein geeigneter Schmuck sind. Wer weiß, ob dann nicht auch die andern angeblichen Verbesserungen des italienischen Briefes unterblieben wären?
weicht vielfach von der heutigen ab und bleibt auch sich selbst nicht überall gleich. Man wird also entweder das alte Gewand ganz beibehalten (natürlich mit Beseitigung der offenbaren Druckfehler) oder eine völlige Umschreibung vor¬ nehmen müssen. Je nach den Neigungen des Herausgebers und dem Zweck der Ausaabe kann die WM verschieden ausfallen. Dressel hat im Ganzen die alte Orthographie belassen, sich dann aber dock wieder nicht enthalten können, einzelne Jnconseauenzen zu beseitigen. Dies Verfahren entbehrt jeder Berech¬ tigung. Sollte einmal geändert werden, so mußten Vor allen Dingen entschie¬ dene Fehler entfernt werden, wie sich solche namentlich im Griechischen mehrfach finden. Wir fürchten, Winckelmann würde sich in dieser Hinsicht heute wie vor hundert Jabren über seinen Corrector beschweren. Er würde demselben ver¬ muthlich gern erlaubt haben, den „Hyllus, den die Nymphen entführen" (S. 15) in einen Hylas zu verwandeln, aber ganz sicher würde er dagegen protestirt haben, sich in der Weise das Exercitium corrigiren zu lassen, daß Dressel die Schreibweise Buonarroti in Buonarotti verwandelte, da doch jenes die durchaus richtige, von dem betreffenden Gelehrten selbst wie von seiner Familie gebrauchte Namensform ist. Herzlich lachen würde er aber ohne Zweifel über die Verbesserungen, mit denen der Herausgeber seinem Italienisch geglaubt Hot aufhelfen zu müssen. Anhangsweise werden nämlich, außer einem une» schlichen Originalbericht über Winckelmanns letzte Stunden, dreizehn Briefe desselben abgedruckt. Zwei davon waren bereits bekannt, zehn andre bisher unbekannte sind dem Herausgeber von Freundeshand mitgetheilt, theilweise reckt interessant; endlich ist ein italienischer Brief an Mengs darunter. In diesem berichtet Winckelmann dem Freunde von einer großen Marmorschale der, Villa Albani mit den Thaten des Herkules im Relief. Die Schale nennt er. wie nach ihm z, B. Zoega. «Is.dbi-o», d. h. Becken (labrum). Gott weiß weshalb Herr Dressel daran Anstoß genommen hat, er corrigirt — «lab^ro»! Wenn dem in Rom lebenden Theologen Dressel das constantinische Feldzeichen mit dem I. H. K. so nahe lag, so hätte der leipziger Theolog Tischendorf doch wohl merken sollen, daß die Thaten des Herkules für die Fahne Constantins kein geeigneter Schmuck sind. Wer weiß, ob dann nicht auch die andern angeblichen Verbesserungen des italienischen Briefes unterblieben wären?
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mit Beseitigung der offenbaren Druckfehler) oder eine völlige Umschreibung vor¬
nehmen müssen. Je nach den Neigungen des Herausgebers und dem Zweck der
Ausaabe kann die WM verschieden ausfallen. Dressel hat im Ganzen die
alte Orthographie belassen, sich dann aber dock wieder nicht enthalten können,
einzelne Jnconseauenzen zu beseitigen. Dies Verfahren entbehrt jeder Berech¬
tigung. Sollte einmal geändert werden, so mußten Vor allen Dingen entschie¬
dene Fehler entfernt werden, wie sich solche namentlich im Griechischen mehrfach
finden. Wir fürchten, Winckelmann würde sich in dieser Hinsicht heute wie vor
hundert Jabren über seinen Corrector beschweren. Er würde demselben ver¬
muthlich gern erlaubt haben, den „Hyllus, den die Nymphen entführen"
(S. 15) in einen Hylas zu verwandeln, aber ganz sicher würde er dagegen
protestirt haben, sich in der Weise das Exercitium corrigiren zu lassen, daß
Dressel die Schreibweise Buonarroti in Buonarotti verwandelte, da doch
jenes die durchaus richtige, von dem betreffenden Gelehrten selbst wie von seiner
Familie gebrauchte Namensform ist. Herzlich lachen würde er aber ohne Zweifel
über die Verbesserungen, mit denen der Herausgeber seinem Italienisch geglaubt
Hot aufhelfen zu müssen. Anhangsweise werden nämlich, außer einem une»
schlichen Originalbericht über Winckelmanns letzte Stunden, dreizehn Briefe
desselben abgedruckt. Zwei davon waren bereits bekannt, zehn andre bisher
unbekannte sind dem Herausgeber von Freundeshand mitgetheilt, theilweise reckt
interessant; endlich ist ein italienischer Brief an Mengs darunter. In diesem
berichtet Winckelmann dem Freunde von einer großen Marmorschale der, Villa
Albani mit den Thaten des Herkules im Relief. Die Schale nennt er. wie nach
ihm z, B. Zoega. «Is.dbi-o», d. h. Becken (labrum). Gott weiß weshalb Herr
Dressel daran Anstoß genommen hat, er corrigirt — «lab^ro»! Wenn dem in
Rom lebenden Theologen Dressel das constantinische Feldzeichen mit dem I. H. K.
so nahe lag, so hätte der leipziger Theolog Tischendorf doch wohl merken sollen,
daß die Thaten des Herkules für die Fahne Constantins kein geeigneter Schmuck
sind. Wer weiß, ob dann nicht auch die andern angeblichen Verbesserungen
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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_191229/514>, abgerufen am 24.01.2025.
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