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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. I. Band.

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eben so wenig als der Graf BrühN u. der Hof zu Dreßden es gethan auf
die Zuschrift der Geschichte der Kunst; diese Anfrage, sage ich, giebt mir Ge¬
legenheit, ein paar Worte zu meiner Rechtfertigung auf das künftige zu sagen.
Ich habe bisher unseren Landesleuten ohne alle erdenckliche eigennützige Ab¬
sichten, mit Verläugnung meiner Zeit gedienet, da ich aber sast bey allen erfahren
habe, daß meine Bemühung und Unterricht nicht einmal eines Briefes wehrt
geachtet worden, so bin ich itzo in dieser Absicht unendlich schwierig geworden,
u. ich habe meine Belanten ersuchet, niemanden einen Brief an mich zu geben,
welches ich auch hier wiederhole. Gedachter von Berg hat zu Straßburg studiret,
sein Neise-Gefähite aber, der Gras Munich, zu Goeltingen.

Was das Leben meines Herrn und Freundes**) betrift, so verdiente dasselbe
eine würdige Feder, und ich tönte mich vielleicht entschließen, meine Kräfte mit
dessen Beystand zu wagen. Die Bekanischast u. der vertraulichste Umgang, wie
derselbe unter Spiel-Gesellen seyn kann, mit einem so großen Manne von un¬
gemessenen Talente, ist ein Glück welches ich nimmermehr genug zu schätzen
weiß. Ihn sollen unsere aufgeblasenen Superintendenten kennen, um, wenn diese
Empfindung hätten, in Angesicht dessen Herunterlassung auf das niedrigste in
der Natur, bey Königlichen Entwürfen u. vollendeten Werken, bewegt zu werden,
sich wie Regenwürmec in einander zu ziehen.

Belieben dieselben mich dem Herrn v. Michaelis als dessen Verehrer, da
ich ihn von Person kenne***), u. als einen erkentlichcn Zuhörer seines würdigen
Vaters, gehorsamst zu empfehlen, und sich zu versichern, daß ich mit der grösten
Hochachtung u. Ergebenheit beständig seyn werde


E. HochEdelgebohrnengehorsamst ergebenster Diener
Joh. Winckelmann

Die Ehrenworte bleiben künftig weg, zumahl mir dieselben nicht zukommen:
denn der Abt ist nur eine Bezeichnung eines Menschen, welcher kein Weltlicher
ist. Im übrigen bin ich kein Geistlicher, auch nicht gesonnen es zu werden,
daher ich ein Canonicat ausgeschlagen. Ich könte alle Stunden heirathen.





*) Für das! "Sendschreiben von den herculanischen Entdeckungen" (1762)', welche" durch
"inen von Winckelmann gemeinsam mit dem Grafen Brühl gemachten Besuch Neapels veran¬
laßt worden war.
") Des Cardinals Alessandro Albani.
***) Johann David Michaelis war damals Director der Göttinger Societät. Winckelmann
wird ihn als Student in Halle kennen gelernt haben, etwa bei Gelegenheit von Michaelis
Promotion oder Habilitation. Ebendort war W. Zuhörer von dessen Vater Christian Bene-
dict Michaelis gewesen, der ihm beim Abgang von der Universität "ein sehr kahles Theologen-
zeugniß" ausstellte.
63 *

eben so wenig als der Graf BrühN u. der Hof zu Dreßden es gethan auf
die Zuschrift der Geschichte der Kunst; diese Anfrage, sage ich, giebt mir Ge¬
legenheit, ein paar Worte zu meiner Rechtfertigung auf das künftige zu sagen.
Ich habe bisher unseren Landesleuten ohne alle erdenckliche eigennützige Ab¬
sichten, mit Verläugnung meiner Zeit gedienet, da ich aber sast bey allen erfahren
habe, daß meine Bemühung und Unterricht nicht einmal eines Briefes wehrt
geachtet worden, so bin ich itzo in dieser Absicht unendlich schwierig geworden,
u. ich habe meine Belanten ersuchet, niemanden einen Brief an mich zu geben,
welches ich auch hier wiederhole. Gedachter von Berg hat zu Straßburg studiret,
sein Neise-Gefähite aber, der Gras Munich, zu Goeltingen.

Was das Leben meines Herrn und Freundes**) betrift, so verdiente dasselbe
eine würdige Feder, und ich tönte mich vielleicht entschließen, meine Kräfte mit
dessen Beystand zu wagen. Die Bekanischast u. der vertraulichste Umgang, wie
derselbe unter Spiel-Gesellen seyn kann, mit einem so großen Manne von un¬
gemessenen Talente, ist ein Glück welches ich nimmermehr genug zu schätzen
weiß. Ihn sollen unsere aufgeblasenen Superintendenten kennen, um, wenn diese
Empfindung hätten, in Angesicht dessen Herunterlassung auf das niedrigste in
der Natur, bey Königlichen Entwürfen u. vollendeten Werken, bewegt zu werden,
sich wie Regenwürmec in einander zu ziehen.

Belieben dieselben mich dem Herrn v. Michaelis als dessen Verehrer, da
ich ihn von Person kenne***), u. als einen erkentlichcn Zuhörer seines würdigen
Vaters, gehorsamst zu empfehlen, und sich zu versichern, daß ich mit der grösten
Hochachtung u. Ergebenheit beständig seyn werde


E. HochEdelgebohrnengehorsamst ergebenster Diener
Joh. Winckelmann

Die Ehrenworte bleiben künftig weg, zumahl mir dieselben nicht zukommen:
denn der Abt ist nur eine Bezeichnung eines Menschen, welcher kein Weltlicher
ist. Im übrigen bin ich kein Geistlicher, auch nicht gesonnen es zu werden,
daher ich ein Canonicat ausgeschlagen. Ich könte alle Stunden heirathen.





*) Für das! „Sendschreiben von den herculanischen Entdeckungen" (1762)', welche» durch
«inen von Winckelmann gemeinsam mit dem Grafen Brühl gemachten Besuch Neapels veran¬
laßt worden war.
") Des Cardinals Alessandro Albani.
***) Johann David Michaelis war damals Director der Göttinger Societät. Winckelmann
wird ihn als Student in Halle kennen gelernt haben, etwa bei Gelegenheit von Michaelis
Promotion oder Habilitation. Ebendort war W. Zuhörer von dessen Vater Christian Bene-
dict Michaelis gewesen, der ihm beim Abgang von der Universität „ein sehr kahles Theologen-
zeugniß" ausstellte.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_191229/509>, abgerufen am 15.01.2025.