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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. I. Band.

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desselben bereits im vorigen Herlist eine ziemlich eingreifende Neugestaltung
Platz gegnffcn: alle Feidbatterien der Artillerie zu Fuß und zu Pferde haben
Hinlerladungsgeschütze erhalten und zwar ein Drittheil der Batterien zu Fuß
gpfündige, die zwei übrigen Drittheile und die Batterien zu Pferde, 4pfündige
Kanonen. Bis zur vollständigen Beschaffung dieser Geschütze sind die dritten
Batterien bei den alten 4pfündiger Broncekanonen belassen, die ersten Bat¬
terien zur Aushilfe mit gewöhnlichen 12pfündiger Kanonen versehen, die
zweiten Batterien jedoch ausnahmslos und sofort mit 4pfündiger gezogenen
Hinterlabern bewaffnet worden.

Auf die Einzelheiten der sadejcwschen Vorschläge bezüglich der Cantonal-
bezirkc, zu welchen eine Bevölkerung von je 130,000 Mann verbunden werden
soll, gehen wir nicht weiter ein, da dieselben, wie oben erwähnt, von der Ne¬
gierung zurückgewiesen worden sind. Bemerkenswert!) ist indessen, daß Fa-
dejew daraus hingewiesen hat, in den drei größten Kriegen, welche Nußland
während des neunzehnten Jahrhunderts geführt, in den Jahren 1807, 1812
und 1855 seien Milizen errichtet worden, da man ohne diese nicht ausgekommen;
die Regierung hat übrigens ausdrücklich erklärt, daß sie im Princip durchaus
nicht gegen das Miliz- oder Landwehrsystem sei, nur die Modalitäten der fa-
dejewschen Vorschläge nicht adoptiren, die gesammte Angelegenheit überhaupt
nicht in Angriff nehmen könne, ehe die finanziellen Verhältnisse des Reichs sich
gebessert. Endlich sei noch einer, unseres Erachtens höchst durchschlagenden
Bemerkung des Autors gedacht. Derselbe weist darauf hin, daß der russische
Soldat bis zu den Zeiten Peters des Großen eine entschiedene Vorliebe für Win¬
terfeldzuge gehabt habe und in diesen besonders glücklich gewesen sei; daß die¬
selbe neuerdings d. h. seit Peter außer Uebung gekommen, mindestens nicht
mehr von dem früheren Erfolg gekrönt worden, habe seinen Grund in der
Adoption der europäischen, aus günstigere klimatische Verhältnisse und abwei¬
chende Nationalgewohnheiten berechneten Uniformen, der Tuchröcke und Tuch¬
mäntel. Die Entbehrung des gewohnten Schafspelzes sei für den russischen
Soldaten, auch wenn derselbe längere Zeit im Dienst gestanden, besonders hart;
es sei darum wünschenswert!) und nothwendig, daß auch in der Armee zum
Nationalcostüm, mindestens zu einer den russischen Gewohnheiten entsprechenden
Art der Bekleidung zurückgegriffen werde, um der russischen Armee die volle
Geltendmachung >h>er natürlichen Vorzüge möglich zu machen.

Der Mangel eingehender Detailmittheilungen, namentlich über die numeri¬
schen Verhältnisse der Kavallerie und Artillerie und die Art der Bewaffnung
macht sich in dem vorliegenden Buch, das -- obgleich für das große Publikum
berechnet -- eine relative Kenntniß der bestehenden russischen Militäreinrichtungen
voraussetzt, zu empfindlich geltend, als daß dasselbe seinem Zweck vollkommen ent¬
sprechen könnte. Indem wir uns vorbehalten, diese Mängel gelegentlich durch


desselben bereits im vorigen Herlist eine ziemlich eingreifende Neugestaltung
Platz gegnffcn: alle Feidbatterien der Artillerie zu Fuß und zu Pferde haben
Hinlerladungsgeschütze erhalten und zwar ein Drittheil der Batterien zu Fuß
gpfündige, die zwei übrigen Drittheile und die Batterien zu Pferde, 4pfündige
Kanonen. Bis zur vollständigen Beschaffung dieser Geschütze sind die dritten
Batterien bei den alten 4pfündiger Broncekanonen belassen, die ersten Bat¬
terien zur Aushilfe mit gewöhnlichen 12pfündiger Kanonen versehen, die
zweiten Batterien jedoch ausnahmslos und sofort mit 4pfündiger gezogenen
Hinterlabern bewaffnet worden.

Auf die Einzelheiten der sadejcwschen Vorschläge bezüglich der Cantonal-
bezirkc, zu welchen eine Bevölkerung von je 130,000 Mann verbunden werden
soll, gehen wir nicht weiter ein, da dieselben, wie oben erwähnt, von der Ne¬
gierung zurückgewiesen worden sind. Bemerkenswert!) ist indessen, daß Fa-
dejew daraus hingewiesen hat, in den drei größten Kriegen, welche Nußland
während des neunzehnten Jahrhunderts geführt, in den Jahren 1807, 1812
und 1855 seien Milizen errichtet worden, da man ohne diese nicht ausgekommen;
die Regierung hat übrigens ausdrücklich erklärt, daß sie im Princip durchaus
nicht gegen das Miliz- oder Landwehrsystem sei, nur die Modalitäten der fa-
dejewschen Vorschläge nicht adoptiren, die gesammte Angelegenheit überhaupt
nicht in Angriff nehmen könne, ehe die finanziellen Verhältnisse des Reichs sich
gebessert. Endlich sei noch einer, unseres Erachtens höchst durchschlagenden
Bemerkung des Autors gedacht. Derselbe weist darauf hin, daß der russische
Soldat bis zu den Zeiten Peters des Großen eine entschiedene Vorliebe für Win¬
terfeldzuge gehabt habe und in diesen besonders glücklich gewesen sei; daß die¬
selbe neuerdings d. h. seit Peter außer Uebung gekommen, mindestens nicht
mehr von dem früheren Erfolg gekrönt worden, habe seinen Grund in der
Adoption der europäischen, aus günstigere klimatische Verhältnisse und abwei¬
chende Nationalgewohnheiten berechneten Uniformen, der Tuchröcke und Tuch¬
mäntel. Die Entbehrung des gewohnten Schafspelzes sei für den russischen
Soldaten, auch wenn derselbe längere Zeit im Dienst gestanden, besonders hart;
es sei darum wünschenswert!) und nothwendig, daß auch in der Armee zum
Nationalcostüm, mindestens zu einer den russischen Gewohnheiten entsprechenden
Art der Bekleidung zurückgegriffen werde, um der russischen Armee die volle
Geltendmachung >h>er natürlichen Vorzüge möglich zu machen.

Der Mangel eingehender Detailmittheilungen, namentlich über die numeri¬
schen Verhältnisse der Kavallerie und Artillerie und die Art der Bewaffnung
macht sich in dem vorliegenden Buch, das — obgleich für das große Publikum
berechnet — eine relative Kenntniß der bestehenden russischen Militäreinrichtungen
voraussetzt, zu empfindlich geltend, als daß dasselbe seinem Zweck vollkommen ent¬
sprechen könnte. Indem wir uns vorbehalten, diese Mängel gelegentlich durch


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[0502] desselben bereits im vorigen Herlist eine ziemlich eingreifende Neugestaltung Platz gegnffcn: alle Feidbatterien der Artillerie zu Fuß und zu Pferde haben Hinlerladungsgeschütze erhalten und zwar ein Drittheil der Batterien zu Fuß gpfündige, die zwei übrigen Drittheile und die Batterien zu Pferde, 4pfündige Kanonen. Bis zur vollständigen Beschaffung dieser Geschütze sind die dritten Batterien bei den alten 4pfündiger Broncekanonen belassen, die ersten Bat¬ terien zur Aushilfe mit gewöhnlichen 12pfündiger Kanonen versehen, die zweiten Batterien jedoch ausnahmslos und sofort mit 4pfündiger gezogenen Hinterlabern bewaffnet worden. Auf die Einzelheiten der sadejcwschen Vorschläge bezüglich der Cantonal- bezirkc, zu welchen eine Bevölkerung von je 130,000 Mann verbunden werden soll, gehen wir nicht weiter ein, da dieselben, wie oben erwähnt, von der Ne¬ gierung zurückgewiesen worden sind. Bemerkenswert!) ist indessen, daß Fa- dejew daraus hingewiesen hat, in den drei größten Kriegen, welche Nußland während des neunzehnten Jahrhunderts geführt, in den Jahren 1807, 1812 und 1855 seien Milizen errichtet worden, da man ohne diese nicht ausgekommen; die Regierung hat übrigens ausdrücklich erklärt, daß sie im Princip durchaus nicht gegen das Miliz- oder Landwehrsystem sei, nur die Modalitäten der fa- dejewschen Vorschläge nicht adoptiren, die gesammte Angelegenheit überhaupt nicht in Angriff nehmen könne, ehe die finanziellen Verhältnisse des Reichs sich gebessert. Endlich sei noch einer, unseres Erachtens höchst durchschlagenden Bemerkung des Autors gedacht. Derselbe weist darauf hin, daß der russische Soldat bis zu den Zeiten Peters des Großen eine entschiedene Vorliebe für Win¬ terfeldzuge gehabt habe und in diesen besonders glücklich gewesen sei; daß die¬ selbe neuerdings d. h. seit Peter außer Uebung gekommen, mindestens nicht mehr von dem früheren Erfolg gekrönt worden, habe seinen Grund in der Adoption der europäischen, aus günstigere klimatische Verhältnisse und abwei¬ chende Nationalgewohnheiten berechneten Uniformen, der Tuchröcke und Tuch¬ mäntel. Die Entbehrung des gewohnten Schafspelzes sei für den russischen Soldaten, auch wenn derselbe längere Zeit im Dienst gestanden, besonders hart; es sei darum wünschenswert!) und nothwendig, daß auch in der Armee zum Nationalcostüm, mindestens zu einer den russischen Gewohnheiten entsprechenden Art der Bekleidung zurückgegriffen werde, um der russischen Armee die volle Geltendmachung >h>er natürlichen Vorzüge möglich zu machen. Der Mangel eingehender Detailmittheilungen, namentlich über die numeri¬ schen Verhältnisse der Kavallerie und Artillerie und die Art der Bewaffnung macht sich in dem vorliegenden Buch, das — obgleich für das große Publikum berechnet — eine relative Kenntniß der bestehenden russischen Militäreinrichtungen voraussetzt, zu empfindlich geltend, als daß dasselbe seinem Zweck vollkommen ent¬ sprechen könnte. Indem wir uns vorbehalten, diese Mängel gelegentlich durch

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_191229/502>, abgerufen am 15.01.2025.