Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. I. Band.Offene und Vielseitiggebildete der Berliner ohne ihre Anmaßung vorschneller Wir sind einander hoffentlich nie fremd geworden. Wie wäre das auch Aber, Freund, wie konnten Sie aus einmal von Schillers Wilhelm Teil Sagen Sie mir ein paar Worte über Johannes v. Müller und Kotzebue, Ihr Böttiger. III. Falk an Merkel. 9. Weimar, den 16. Februar 1799. Wieland hat uns neulich wieder auf einige Tage zugesprochen. Herder, Offene und Vielseitiggebildete der Berliner ohne ihre Anmaßung vorschneller Wir sind einander hoffentlich nie fremd geworden. Wie wäre das auch Aber, Freund, wie konnten Sie aus einmal von Schillers Wilhelm Teil Sagen Sie mir ein paar Worte über Johannes v. Müller und Kotzebue, Ihr Böttiger. III. Falk an Merkel. 9. Weimar, den 16. Februar 1799. Wieland hat uns neulich wieder auf einige Tage zugesprochen. Herder, <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0446" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/191676"/> <p xml:id="ID_1308" prev="#ID_1307"> Offene und Vielseitiggebildete der Berliner ohne ihre Anmaßung vorschneller<lb/> Midasurtheile gefunden habe.</p><lb/> <p xml:id="ID_1309"> Wir sind einander hoffentlich nie fremd geworden. Wie wäre das auch<lb/> möglich! Sie haben sich, wie ich aus vielen Zeugnissen weiß, stets als mein<lb/> warmer Freund betragen, wenn Sie auch mit manchem meiner individuellen<lb/> mündlichen und gedruckten Urtheile nicht einverstanden waren.</p><lb/> <p xml:id="ID_1310"> Aber, Freund, wie konnten Sie aus einmal von Schillers Wilhelm Teil<lb/> so entzückt werden? In Weimar hielt man es allgemein für Schillers fehler¬<lb/> haftestes Stück, trotz aller einzelnen höchst sublimen Schönheiten, Welches Auf¬<lb/> gebot von Theatercoups und Szenerei, um den Mangel innerer Wahrheit und<lb/> Planmäßigkeit zu überfirnissen! Wie so ganz verfehlt ist das Getümmel, da<lb/> wo auf dem Rutil getagt wird, wo nur die drei Männer allein den furcht¬<lb/> bar großen Bund ächt äschyleisch schließen sollten. Welche limguLur von dem<lb/> Augenblick an, wo Geßler erschossen ist? Doch ich will zusehen, wie Sie<lb/> Ihre Behauptung gut machen. Lris wini maZllus Apollo.</p><lb/> <p xml:id="ID_1311"> Sagen Sie mir ein paar Worte über Johannes v. Müller und Kotzebue,<lb/> wenn Sie mir schreiben, ob Sie zurück sind u. s. w. Mein gutes Weib dankt<lb/> Ihrem Andenken herzlich und erwidert Ihre Grüße. Leider war sie mit mir<lb/> um die Wette, seit wir hier ankamen, krank. Mit alter Treue und Liebe</p><lb/> <note type="bibl"> Ihr Böttiger.</note><lb/> </div> </div> <div n="2"> <head> III. Falk an Merkel.</head><lb/> <div n="3"> <head> 9.</head><lb/> <p xml:id="ID_1312"> Weimar, den 16. Februar 1799.</p><lb/> <p xml:id="ID_1313" next="#ID_1314"> Wieland hat uns neulich wieder auf einige Tage zugesprochen. Herder,<lb/> Böttiger, die Schröter waren zum Abend bey uns, auch Nudel. Niemand<lb/> fehlte als Sie, mein lieber Merkel, um diesen schönen Zirkel vollzählig zu machen.<lb/> Wielands Humor bezauberte die ganze Gesellschaft. Selten noch habe ich ihn<lb/> sy heiter gesehen. Der alte Vater hat neulich einen argen Schreck gehabt.<lb/> Denken Sie, da ist sein kleiner Großsohn (Liebeskind), ein Junge wie ein<lb/> Tartar, der baarfuß und im Hemden oft schon früh Morgens die ganze<lb/> Gegend durchstreicht, dieser findet die geladene Flinte des Jägers im Hause,<lb/> zieht den Hahn und schießt im Hause die Gangthür durch und durch. Wieland,<lb/> der gerade über seinem Agathodcimon am Schreibepulte brütet, springt erschrocken<lb/> auf. Keiner wagt sich herunter zu gehen. Der kleine Nimrod hat sich unter-<lb/> deß glücklich aus dem Staube gemacht. Endlich fassen die Weiber ein Herz.<lb/> Sie gehen hinaus und finden das Loch in der Thür, die Flinte. Der Junge<lb/> fehlt. Wielands rege Phantasie setzt sich gleich das Fürchterlichste zusammen:<lb/> endlich wird das Kind aus einem Winkel herbcygezogen, Wieland ist außer sich-<lb/> — Der Junge sey kein Christenkind, er sey ein Talar, ein Batschkir, ein<lb/> Mameluck, Er Wieland wolle es noch erleben, daß er ihn eines Tages wie einen</p><lb/> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0446]
Offene und Vielseitiggebildete der Berliner ohne ihre Anmaßung vorschneller
Midasurtheile gefunden habe.
Wir sind einander hoffentlich nie fremd geworden. Wie wäre das auch
möglich! Sie haben sich, wie ich aus vielen Zeugnissen weiß, stets als mein
warmer Freund betragen, wenn Sie auch mit manchem meiner individuellen
mündlichen und gedruckten Urtheile nicht einverstanden waren.
Aber, Freund, wie konnten Sie aus einmal von Schillers Wilhelm Teil
so entzückt werden? In Weimar hielt man es allgemein für Schillers fehler¬
haftestes Stück, trotz aller einzelnen höchst sublimen Schönheiten, Welches Auf¬
gebot von Theatercoups und Szenerei, um den Mangel innerer Wahrheit und
Planmäßigkeit zu überfirnissen! Wie so ganz verfehlt ist das Getümmel, da
wo auf dem Rutil getagt wird, wo nur die drei Männer allein den furcht¬
bar großen Bund ächt äschyleisch schließen sollten. Welche limguLur von dem
Augenblick an, wo Geßler erschossen ist? Doch ich will zusehen, wie Sie
Ihre Behauptung gut machen. Lris wini maZllus Apollo.
Sagen Sie mir ein paar Worte über Johannes v. Müller und Kotzebue,
wenn Sie mir schreiben, ob Sie zurück sind u. s. w. Mein gutes Weib dankt
Ihrem Andenken herzlich und erwidert Ihre Grüße. Leider war sie mit mir
um die Wette, seit wir hier ankamen, krank. Mit alter Treue und Liebe
Ihr Böttiger.
III. Falk an Merkel.
9.
Weimar, den 16. Februar 1799.
Wieland hat uns neulich wieder auf einige Tage zugesprochen. Herder,
Böttiger, die Schröter waren zum Abend bey uns, auch Nudel. Niemand
fehlte als Sie, mein lieber Merkel, um diesen schönen Zirkel vollzählig zu machen.
Wielands Humor bezauberte die ganze Gesellschaft. Selten noch habe ich ihn
sy heiter gesehen. Der alte Vater hat neulich einen argen Schreck gehabt.
Denken Sie, da ist sein kleiner Großsohn (Liebeskind), ein Junge wie ein
Tartar, der baarfuß und im Hemden oft schon früh Morgens die ganze
Gegend durchstreicht, dieser findet die geladene Flinte des Jägers im Hause,
zieht den Hahn und schießt im Hause die Gangthür durch und durch. Wieland,
der gerade über seinem Agathodcimon am Schreibepulte brütet, springt erschrocken
auf. Keiner wagt sich herunter zu gehen. Der kleine Nimrod hat sich unter-
deß glücklich aus dem Staube gemacht. Endlich fassen die Weiber ein Herz.
Sie gehen hinaus und finden das Loch in der Thür, die Flinte. Der Junge
fehlt. Wielands rege Phantasie setzt sich gleich das Fürchterlichste zusammen:
endlich wird das Kind aus einem Winkel herbcygezogen, Wieland ist außer sich-
— Der Junge sey kein Christenkind, er sey ein Talar, ein Batschkir, ein
Mameluck, Er Wieland wolle es noch erleben, daß er ihn eines Tages wie einen
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