Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

liebenswürdige Bernerin bei sich hat, die vielleicht seine Frau werden wird,
bald ins Wäldchen nach Tieffurt, wo uns keine Herzoginnen stören sollen, bald
nach Ettersvurg. Kurz, Freund, Sie müssen der unsere bleiben, und von hier aus
erst das Hanseatische Magazin abwarten, ehe Sie selbst zur großen Hansa über¬
treten. Schreiben Sie nur bald Ihren Entschluß, damit wir Sie Hausen und
betten können. Kommen Sie zur Ostermesse, wie sichs versteht, nach Leipzig:
so finden Sie auch Falk da, und wir können alle drei zusammen zurückreisen.
Falk, um gleich bei diesem stehn zu bleiben, hat ein erbärmliches Product mit
seinen Denkwürdigkeiten geliefert. Aber das hat er zur unrechten Stunde aus
dem Ermel geschüttelt. Dafür enthält sein satirischer Almanach auf 99 viel
gutes, und einiges wahrhaft classisches. Wie mag sich denn Hr. Rambach be¬
finden? Er ist an Licktensteins Stelle zum Rector beim Johanneum vorgeschlagen,
dürfte aber leicht durchfeilten, weil gerade in Hamburg dieser Almanach gewaltig
gelesen wird. Im Grunde hat Rambach nicht soviel Schuld, als die (Äöthische
Tendenz und Hr. Tieck. Aber es heißt auch hier, der Hehler ist so gut, als der
Stehler. -- Sie sollten nur unsern Scherer in seinen chemischen Vorlesungen
sehen und hören! Da sitzen alle geistreichen Weiber, und auch einige Körper
um ihn herum, und an 130 Zuhörer stehen und hören die Worte des chemischen
Evangeliums, das er mit Kraft und Nachdruck predigt. In der That haben diese
öffentlichen chemischen Vorlesungen, wozu unser braver Herzog alle Unkosten
trägt, und auch die Künstler und Handwerker daran Theil nehmen läßt, hier
schon viele gute Ideen in Umlauf gesetzt, und Scherer ist recht eigentlich ä,
l'vrärs an ^jour. Der Herzog hat ihm ein schönes Laboratorium in der Stadt
angewiesen, und er wohnt nun für beständig hier.

Jedes Wort in Ihrer Charakteristik Berlins ist ein treffendes Epigramm.
Wohl thut es mir. daß Sie den braven, redlichen Sander und sein Haus
so finden, wie ich es fand. Es beunruhigt mich, daß mir der liebe Mann jetzt
gar nicht schreibt. Aber er mag auch mehr, als je. mit Arbeit bepackt seyn.
Ueber Piccolomini sind denn die Sehenden auch hier sehend. Es ist aber leicht
möglich, daß Sie, Iffland ausgenommen, alle übrigen Rollen schlechter in Berlin
besetzt sehn, als hier, wenigstens können sie dort unserer Voss, und unserer
Jagemann nichts entgegensetzen. Schicken Sie mir doch einen Comödienzettel
mit der Rollenbesetzung und sollte etwa ein Flugblatt oder sonst etwas erscheinen,
was diese Staatsaction betrifft, auch dieß, so bald als möglich. Wie nahm
Jffland den ältern Piccolomini, als loyalen Kaisersdiener, oder als listigen
Buben? Darüber Freund müssen Sie mir noch ein Wörtchen sagen.


3.

Sobald ich die Laterne*) anblickte, schrie ich, das ist Jenisch l Auch hat



Vgl. Falcks Taschenbuch auf das I. 1800.

liebenswürdige Bernerin bei sich hat, die vielleicht seine Frau werden wird,
bald ins Wäldchen nach Tieffurt, wo uns keine Herzoginnen stören sollen, bald
nach Ettersvurg. Kurz, Freund, Sie müssen der unsere bleiben, und von hier aus
erst das Hanseatische Magazin abwarten, ehe Sie selbst zur großen Hansa über¬
treten. Schreiben Sie nur bald Ihren Entschluß, damit wir Sie Hausen und
betten können. Kommen Sie zur Ostermesse, wie sichs versteht, nach Leipzig:
so finden Sie auch Falk da, und wir können alle drei zusammen zurückreisen.
Falk, um gleich bei diesem stehn zu bleiben, hat ein erbärmliches Product mit
seinen Denkwürdigkeiten geliefert. Aber das hat er zur unrechten Stunde aus
dem Ermel geschüttelt. Dafür enthält sein satirischer Almanach auf 99 viel
gutes, und einiges wahrhaft classisches. Wie mag sich denn Hr. Rambach be¬
finden? Er ist an Licktensteins Stelle zum Rector beim Johanneum vorgeschlagen,
dürfte aber leicht durchfeilten, weil gerade in Hamburg dieser Almanach gewaltig
gelesen wird. Im Grunde hat Rambach nicht soviel Schuld, als die (Äöthische
Tendenz und Hr. Tieck. Aber es heißt auch hier, der Hehler ist so gut, als der
Stehler. — Sie sollten nur unsern Scherer in seinen chemischen Vorlesungen
sehen und hören! Da sitzen alle geistreichen Weiber, und auch einige Körper
um ihn herum, und an 130 Zuhörer stehen und hören die Worte des chemischen
Evangeliums, das er mit Kraft und Nachdruck predigt. In der That haben diese
öffentlichen chemischen Vorlesungen, wozu unser braver Herzog alle Unkosten
trägt, und auch die Künstler und Handwerker daran Theil nehmen läßt, hier
schon viele gute Ideen in Umlauf gesetzt, und Scherer ist recht eigentlich ä,
l'vrärs an ^jour. Der Herzog hat ihm ein schönes Laboratorium in der Stadt
angewiesen, und er wohnt nun für beständig hier.

Jedes Wort in Ihrer Charakteristik Berlins ist ein treffendes Epigramm.
Wohl thut es mir. daß Sie den braven, redlichen Sander und sein Haus
so finden, wie ich es fand. Es beunruhigt mich, daß mir der liebe Mann jetzt
gar nicht schreibt. Aber er mag auch mehr, als je. mit Arbeit bepackt seyn.
Ueber Piccolomini sind denn die Sehenden auch hier sehend. Es ist aber leicht
möglich, daß Sie, Iffland ausgenommen, alle übrigen Rollen schlechter in Berlin
besetzt sehn, als hier, wenigstens können sie dort unserer Voss, und unserer
Jagemann nichts entgegensetzen. Schicken Sie mir doch einen Comödienzettel
mit der Rollenbesetzung und sollte etwa ein Flugblatt oder sonst etwas erscheinen,
was diese Staatsaction betrifft, auch dieß, so bald als möglich. Wie nahm
Jffland den ältern Piccolomini, als loyalen Kaisersdiener, oder als listigen
Buben? Darüber Freund müssen Sie mir noch ein Wörtchen sagen.


3.

Sobald ich die Laterne*) anblickte, schrie ich, das ist Jenisch l Auch hat



Vgl. Falcks Taschenbuch auf das I. 1800.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <div n="3">
              <pb facs="#f0440" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/191670"/>
              <p xml:id="ID_1270" prev="#ID_1269"> liebenswürdige Bernerin bei sich hat, die vielleicht seine Frau werden wird,<lb/>
bald ins Wäldchen nach Tieffurt, wo uns keine Herzoginnen stören sollen, bald<lb/>
nach Ettersvurg. Kurz, Freund, Sie müssen der unsere bleiben, und von hier aus<lb/>
erst das Hanseatische Magazin abwarten, ehe Sie selbst zur großen Hansa über¬<lb/>
treten. Schreiben Sie nur bald Ihren Entschluß, damit wir Sie Hausen und<lb/>
betten können. Kommen Sie zur Ostermesse, wie sichs versteht, nach Leipzig:<lb/>
so finden Sie auch Falk da, und wir können alle drei zusammen zurückreisen.<lb/>
Falk, um gleich bei diesem stehn zu bleiben, hat ein erbärmliches Product mit<lb/>
seinen Denkwürdigkeiten geliefert. Aber das hat er zur unrechten Stunde aus<lb/>
dem Ermel geschüttelt. Dafür enthält sein satirischer Almanach auf 99 viel<lb/>
gutes, und einiges wahrhaft classisches. Wie mag sich denn Hr. Rambach be¬<lb/>
finden? Er ist an Licktensteins Stelle zum Rector beim Johanneum vorgeschlagen,<lb/>
dürfte aber leicht durchfeilten, weil gerade in Hamburg dieser Almanach gewaltig<lb/>
gelesen wird. Im Grunde hat Rambach nicht soviel Schuld, als die (Äöthische<lb/>
Tendenz und Hr. Tieck. Aber es heißt auch hier, der Hehler ist so gut, als der<lb/>
Stehler. &#x2014; Sie sollten nur unsern Scherer in seinen chemischen Vorlesungen<lb/>
sehen und hören! Da sitzen alle geistreichen Weiber, und auch einige Körper<lb/>
um ihn herum, und an 130 Zuhörer stehen und hören die Worte des chemischen<lb/>
Evangeliums, das er mit Kraft und Nachdruck predigt. In der That haben diese<lb/>
öffentlichen chemischen Vorlesungen, wozu unser braver Herzog alle Unkosten<lb/>
trägt, und auch die Künstler und Handwerker daran Theil nehmen läßt, hier<lb/>
schon viele gute Ideen in Umlauf gesetzt, und Scherer ist recht eigentlich ä,<lb/>
l'vrärs an ^jour. Der Herzog hat ihm ein schönes Laboratorium in der Stadt<lb/>
angewiesen, und er wohnt nun für beständig hier.</p><lb/>
              <p xml:id="ID_1271"> Jedes Wort in Ihrer Charakteristik Berlins ist ein treffendes Epigramm.<lb/>
Wohl thut es mir. daß Sie den braven, redlichen Sander und sein Haus<lb/>
so finden, wie ich es fand. Es beunruhigt mich, daß mir der liebe Mann jetzt<lb/>
gar nicht schreibt. Aber er mag auch mehr, als je. mit Arbeit bepackt seyn.<lb/>
Ueber Piccolomini sind denn die Sehenden auch hier sehend. Es ist aber leicht<lb/>
möglich, daß Sie, Iffland ausgenommen, alle übrigen Rollen schlechter in Berlin<lb/>
besetzt sehn, als hier, wenigstens können sie dort unserer Voss, und unserer<lb/>
Jagemann nichts entgegensetzen. Schicken Sie mir doch einen Comödienzettel<lb/>
mit der Rollenbesetzung und sollte etwa ein Flugblatt oder sonst etwas erscheinen,<lb/>
was diese Staatsaction betrifft, auch dieß, so bald als möglich. Wie nahm<lb/>
Jffland den ältern Piccolomini, als loyalen Kaisersdiener, oder als listigen<lb/>
Buben? Darüber Freund müssen Sie mir noch ein Wörtchen sagen.</p><lb/>
            </div>
            <div n="3">
              <head> 3.</head><lb/>
              <p xml:id="ID_1272" next="#ID_1273"> Sobald ich die Laterne*) anblickte, schrie ich, das ist Jenisch l Auch hat</p><lb/>
              <note xml:id="FID_54" place="foot"> Vgl. Falcks Taschenbuch auf das I. 1800.</note><lb/>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0440] liebenswürdige Bernerin bei sich hat, die vielleicht seine Frau werden wird, bald ins Wäldchen nach Tieffurt, wo uns keine Herzoginnen stören sollen, bald nach Ettersvurg. Kurz, Freund, Sie müssen der unsere bleiben, und von hier aus erst das Hanseatische Magazin abwarten, ehe Sie selbst zur großen Hansa über¬ treten. Schreiben Sie nur bald Ihren Entschluß, damit wir Sie Hausen und betten können. Kommen Sie zur Ostermesse, wie sichs versteht, nach Leipzig: so finden Sie auch Falk da, und wir können alle drei zusammen zurückreisen. Falk, um gleich bei diesem stehn zu bleiben, hat ein erbärmliches Product mit seinen Denkwürdigkeiten geliefert. Aber das hat er zur unrechten Stunde aus dem Ermel geschüttelt. Dafür enthält sein satirischer Almanach auf 99 viel gutes, und einiges wahrhaft classisches. Wie mag sich denn Hr. Rambach be¬ finden? Er ist an Licktensteins Stelle zum Rector beim Johanneum vorgeschlagen, dürfte aber leicht durchfeilten, weil gerade in Hamburg dieser Almanach gewaltig gelesen wird. Im Grunde hat Rambach nicht soviel Schuld, als die (Äöthische Tendenz und Hr. Tieck. Aber es heißt auch hier, der Hehler ist so gut, als der Stehler. — Sie sollten nur unsern Scherer in seinen chemischen Vorlesungen sehen und hören! Da sitzen alle geistreichen Weiber, und auch einige Körper um ihn herum, und an 130 Zuhörer stehen und hören die Worte des chemischen Evangeliums, das er mit Kraft und Nachdruck predigt. In der That haben diese öffentlichen chemischen Vorlesungen, wozu unser braver Herzog alle Unkosten trägt, und auch die Künstler und Handwerker daran Theil nehmen läßt, hier schon viele gute Ideen in Umlauf gesetzt, und Scherer ist recht eigentlich ä, l'vrärs an ^jour. Der Herzog hat ihm ein schönes Laboratorium in der Stadt angewiesen, und er wohnt nun für beständig hier. Jedes Wort in Ihrer Charakteristik Berlins ist ein treffendes Epigramm. Wohl thut es mir. daß Sie den braven, redlichen Sander und sein Haus so finden, wie ich es fand. Es beunruhigt mich, daß mir der liebe Mann jetzt gar nicht schreibt. Aber er mag auch mehr, als je. mit Arbeit bepackt seyn. Ueber Piccolomini sind denn die Sehenden auch hier sehend. Es ist aber leicht möglich, daß Sie, Iffland ausgenommen, alle übrigen Rollen schlechter in Berlin besetzt sehn, als hier, wenigstens können sie dort unserer Voss, und unserer Jagemann nichts entgegensetzen. Schicken Sie mir doch einen Comödienzettel mit der Rollenbesetzung und sollte etwa ein Flugblatt oder sonst etwas erscheinen, was diese Staatsaction betrifft, auch dieß, so bald als möglich. Wie nahm Jffland den ältern Piccolomini, als loyalen Kaisersdiener, oder als listigen Buben? Darüber Freund müssen Sie mir noch ein Wörtchen sagen. 3. Sobald ich die Laterne*) anblickte, schrie ich, das ist Jenisch l Auch hat Vgl. Falcks Taschenbuch auf das I. 1800.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_191229
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_191229/440
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_191229/440>, abgerufen am 15.01.2025.