Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. I. Band.beiden großen Freunde auch auf den stillen Beifall Wielands und aller derer Was zunächst Wieland anlangt, dessen liebenswürdige Persönlichkeit zwar Es ließen sich den vergilbten Blättern, welche diese höchst charakteristische beiden großen Freunde auch auf den stillen Beifall Wielands und aller derer Was zunächst Wieland anlangt, dessen liebenswürdige Persönlichkeit zwar Es ließen sich den vergilbten Blättern, welche diese höchst charakteristische <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0434" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/191664"/> <p xml:id="ID_1251" prev="#ID_1250"> beiden großen Freunde auch auf den stillen Beifall Wielands und aller derer<lb/> zählen konnten, welche zu den Führern der „alten Schule" überhaupt in näherer<lb/> Beziehung standen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1252"> Was zunächst Wieland anlangt, dessen liebenswürdige Persönlichkeit zwar<lb/> allen directen Conflicten mit Goethe und Schiller aus dem Wege zu gehen<lb/> suchte, der sich aber von der stillen Parteinahme für die Ve>kleimrer seiner<lb/> großen Gegner nicht frei halten konnte, so gehörte er zu Merkels genauesten<lb/> Freunden und der enthusiastische Brief, in welchem dieses Schriftstellers ziemlich<lb/> unbedeutender Roman „Die Rückkehr ins Vaterland" den bedeutendsten<lb/> Erscheinungen der Zeit zugezählt wird, ist sicher zum guten Theil auf Rechnung<lb/> dieser Freundschaft zu schreiben, welche Merkel sich durch treue literarische Schild¬<lb/> trägerdienste erworben hatte. — Merkels Hinterlassenschaften enthalten interessante<lb/> Mittheilungen über das Leben des Kreises, in welchem der alternde Dichter des<lb/> Oberon mit Borliebe sich bewegte und in welchem Böttiger und Fakel, zu Zeiten<lb/> auch Kotzebue, die erste Stelle einnahmen. Wir können es uns nicht versagen,<lb/> diesen Aufzeichnungen wenigstens die Schilderung des ersten Abends zu entnehmen,<lb/> un welchem Merkel seinen Lieblingsdichter kennen lernte. „Ich war im Weimarer<lb/> Theater.....Auf einer der Seitenbänke dicht hinter dem Orchester, so daß<lb/> die Rampe ihn beleuchtete, saß ein Greis, auf dessen Antlitz mein Blick unwill-<lb/> kührlich haften blieb. Er war nicht schön und die seinen geistvollen Züge<lb/> zeigten nur eine gemüthliche Abspannung, in welcher er mit seinem Nachbar<lb/> gleichgiltige Worte wechselte. Jetzt rollte der Vorhang auf und das Antlitz ging<lb/> in den Ausdruck ernster Aufmerksamkeit über, die, sowie die Intrigue anfing, zur<lb/> Theilnahme wurde, die sich immer lebendiger steigerte, je mehr die Verwicklung<lb/> wuchs. Jede frohe Wendung derselben begrüßte eine freudige Miene, jede<lb/> bedenkliche eine ängstliche — ja ich sah sein Auge vor Zorn funkeln, dann<lb/> wieder sich vor weichem Gefühl trüben. Bei glücklichen Worten des Dichters<lb/> nickte er freundlich, bei mißlungenen schüttelte er das Haupt. Zuweilen bewegte<lb/> er die Lippen wie sprechend.....Nach dem Schluß des Stücks fragte ich<lb/> seinen Nachbar, ob der Alte wirklich während des Stücks gesprochen. „Ja —<lb/> in einzelnen Emulationen." Bei den Streichen des jungen Buben im Stück<lb/> hatte er gesagt: „Du solltest mein Sohn sein", der allen Ränkemacherin halte<lb/> er „Vvtulg, pravissirriu," zugerufen, dem jungen Mädchen, das verführt werden<lb/> sollte „Kindchen. Kindchen, trau ihm nicht!" Ich war so glücklich den Abend<lb/> mit ihm zu essen. Das Gespräch kam auf das Stück: er erklärte es für sehr<lb/> mittelmäßig — und hatte es schon halb vergessen! Jener Greis war der,<lb/> meinem Urtheil nach, größte Dichter Deutschlands, es war Wieland!"</p><lb/> <p xml:id="ID_1253" next="#ID_1254"> Es ließen sich den vergilbten Blättern, welche diese höchst charakteristische<lb/> Schilderung des leicht beweglichen, sanguinischen Dichtergreises enthalten, noch<lb/> manche bemerkenswerthe Züge zur Geschichte des Weimarer Lebens, namentlich</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0434]
beiden großen Freunde auch auf den stillen Beifall Wielands und aller derer
zählen konnten, welche zu den Führern der „alten Schule" überhaupt in näherer
Beziehung standen.
Was zunächst Wieland anlangt, dessen liebenswürdige Persönlichkeit zwar
allen directen Conflicten mit Goethe und Schiller aus dem Wege zu gehen
suchte, der sich aber von der stillen Parteinahme für die Ve>kleimrer seiner
großen Gegner nicht frei halten konnte, so gehörte er zu Merkels genauesten
Freunden und der enthusiastische Brief, in welchem dieses Schriftstellers ziemlich
unbedeutender Roman „Die Rückkehr ins Vaterland" den bedeutendsten
Erscheinungen der Zeit zugezählt wird, ist sicher zum guten Theil auf Rechnung
dieser Freundschaft zu schreiben, welche Merkel sich durch treue literarische Schild¬
trägerdienste erworben hatte. — Merkels Hinterlassenschaften enthalten interessante
Mittheilungen über das Leben des Kreises, in welchem der alternde Dichter des
Oberon mit Borliebe sich bewegte und in welchem Böttiger und Fakel, zu Zeiten
auch Kotzebue, die erste Stelle einnahmen. Wir können es uns nicht versagen,
diesen Aufzeichnungen wenigstens die Schilderung des ersten Abends zu entnehmen,
un welchem Merkel seinen Lieblingsdichter kennen lernte. „Ich war im Weimarer
Theater.....Auf einer der Seitenbänke dicht hinter dem Orchester, so daß
die Rampe ihn beleuchtete, saß ein Greis, auf dessen Antlitz mein Blick unwill-
kührlich haften blieb. Er war nicht schön und die seinen geistvollen Züge
zeigten nur eine gemüthliche Abspannung, in welcher er mit seinem Nachbar
gleichgiltige Worte wechselte. Jetzt rollte der Vorhang auf und das Antlitz ging
in den Ausdruck ernster Aufmerksamkeit über, die, sowie die Intrigue anfing, zur
Theilnahme wurde, die sich immer lebendiger steigerte, je mehr die Verwicklung
wuchs. Jede frohe Wendung derselben begrüßte eine freudige Miene, jede
bedenkliche eine ängstliche — ja ich sah sein Auge vor Zorn funkeln, dann
wieder sich vor weichem Gefühl trüben. Bei glücklichen Worten des Dichters
nickte er freundlich, bei mißlungenen schüttelte er das Haupt. Zuweilen bewegte
er die Lippen wie sprechend.....Nach dem Schluß des Stücks fragte ich
seinen Nachbar, ob der Alte wirklich während des Stücks gesprochen. „Ja —
in einzelnen Emulationen." Bei den Streichen des jungen Buben im Stück
hatte er gesagt: „Du solltest mein Sohn sein", der allen Ränkemacherin halte
er „Vvtulg, pravissirriu," zugerufen, dem jungen Mädchen, das verführt werden
sollte „Kindchen. Kindchen, trau ihm nicht!" Ich war so glücklich den Abend
mit ihm zu essen. Das Gespräch kam auf das Stück: er erklärte es für sehr
mittelmäßig — und hatte es schon halb vergessen! Jener Greis war der,
meinem Urtheil nach, größte Dichter Deutschlands, es war Wieland!"
Es ließen sich den vergilbten Blättern, welche diese höchst charakteristische
Schilderung des leicht beweglichen, sanguinischen Dichtergreises enthalten, noch
manche bemerkenswerthe Züge zur Geschichte des Weimarer Lebens, namentlich
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