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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. I. Band.

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für Dänemark und das dänische Schleswig sich zuvor mit einigem Wörtervorrath
für die Reise in das fremde Land hätten ausrüstet haben sollten. In ihrer eige¬
nen Sprache also warf der eidcrdänische Parteiführer den Franzosen solche
Schmeicheleien an den Kops, wie daß die Dänen "eifrige Zöglinge der franzö¬
sischen Cultur" seien, daß man in Schleswig nur noch aus Frankreichs ruhm¬
bedeckte Banner rechne, und daß in Frankreichs großem Herzen jede gerechte
und edle Sache auf Sympathien stoße. Andere Redner gingen darin noch viel
weiter; der Candidat Brynjulfsson aus Island nannte die Franzosen gradezu
das revräsentirende, d. h. das leitende und voranstehende Volk, das durch seinen
universellen Geist am besten befähigt sei, große Ideen zu verwirklichen. Der
universelle Geist der Franzosen! Man hatte in der That recht würdige Trä¬
ger dieses Geistes vor sich, um in dessen Bewunderung zu ersterben!

Was wird die Folge dieses schreienden Mißverhältnisses sein? In Paris,
wo man die geistige und politische Bedeutung der Deputation einigermaßen zu
schätzen versteht, wird man seinen Respect vor dem Verstände und Selbstbewußt¬
sein der Dänen schwerlich wachsen fühlen, nachdem deren beste Männer jener
Gesellschaft von Nullen in solch' ausschweifender Weise den Hof gemacht. Man
wird die in ihr dem französischen Staate und Volke erwiesene Ehre gnädig
quittiren, aber kaum eifriger werden als bisher, ein so zwergenhaft erscheinendes
und fühlendes Völkchen mit dem eigenen Leibe zu decken. Denn welchen Bei¬
stand kann Frankreich seinerseits in kommenden Nöthen sich von einem Lande
versprechen, das sich von einem Ende bis zum andern in Fahnen hüllt, mit
Kränzen schmückt und in Extase geräth, weil ein Dutzend namenloser Fremd¬
linge ihm eine Augustwoche Aufenthalt gönnt? Neid und Eifersucht werden
thun, was gerechte Schätzung seiner selbst und anderer übrigläßt, um nicht zu
gestatten, daß die College" der in Dänemark gewesenen Deputirten und Jour¬
nalisten aus dieser Fahrt das von den Dänen gewünschte große Ereigniß
machen, das Fraternisirungsfest zweier "aufeinander angewiesenen" Nationen.

Wir wollen darum nicht behaupten, daß von dem Rausche der Festtage
gar nichts nachhaltiges und Werthvolles zurückbleiben werde. Den Franzosen
kann es stets nur heilsam sein, sich in einem leidlich freien fremden Lande durch
den Augenschein zu überzeugen, wieviel ihnen noch daheim zu einer menschen¬
würdigen Existenz mangelt. Ja schon eine Reise an sich mit dem Zwecke oder
der Wirkung politischer Reformation thut diesen nationalen Knownothings nö¬
thiger als irgendwem. Die Dänen haben sich voraussichtlich mehr Unkosten
gemacht, als der Erfolg rechtfertigen wird, aber ganz ohne Frucht kann
es doch auch für sie und ihre Licblingshoffnungen nicht bleiben, daß ein Du¬
tzend Federn und zwei Zungen sichs in Zukunft zur Ehrensache machen werden,
jede Gelegenheit zu ergreifen, um sich gegen Dänemark erkenntlich zu zeigen.
Aus unsrer eigenen nationalen Erfahrung ist uns gegenwärtig, daß die Wend-


für Dänemark und das dänische Schleswig sich zuvor mit einigem Wörtervorrath
für die Reise in das fremde Land hätten ausrüstet haben sollten. In ihrer eige¬
nen Sprache also warf der eidcrdänische Parteiführer den Franzosen solche
Schmeicheleien an den Kops, wie daß die Dänen „eifrige Zöglinge der franzö¬
sischen Cultur" seien, daß man in Schleswig nur noch aus Frankreichs ruhm¬
bedeckte Banner rechne, und daß in Frankreichs großem Herzen jede gerechte
und edle Sache auf Sympathien stoße. Andere Redner gingen darin noch viel
weiter; der Candidat Brynjulfsson aus Island nannte die Franzosen gradezu
das revräsentirende, d. h. das leitende und voranstehende Volk, das durch seinen
universellen Geist am besten befähigt sei, große Ideen zu verwirklichen. Der
universelle Geist der Franzosen! Man hatte in der That recht würdige Trä¬
ger dieses Geistes vor sich, um in dessen Bewunderung zu ersterben!

Was wird die Folge dieses schreienden Mißverhältnisses sein? In Paris,
wo man die geistige und politische Bedeutung der Deputation einigermaßen zu
schätzen versteht, wird man seinen Respect vor dem Verstände und Selbstbewußt¬
sein der Dänen schwerlich wachsen fühlen, nachdem deren beste Männer jener
Gesellschaft von Nullen in solch' ausschweifender Weise den Hof gemacht. Man
wird die in ihr dem französischen Staate und Volke erwiesene Ehre gnädig
quittiren, aber kaum eifriger werden als bisher, ein so zwergenhaft erscheinendes
und fühlendes Völkchen mit dem eigenen Leibe zu decken. Denn welchen Bei¬
stand kann Frankreich seinerseits in kommenden Nöthen sich von einem Lande
versprechen, das sich von einem Ende bis zum andern in Fahnen hüllt, mit
Kränzen schmückt und in Extase geräth, weil ein Dutzend namenloser Fremd¬
linge ihm eine Augustwoche Aufenthalt gönnt? Neid und Eifersucht werden
thun, was gerechte Schätzung seiner selbst und anderer übrigläßt, um nicht zu
gestatten, daß die College» der in Dänemark gewesenen Deputirten und Jour¬
nalisten aus dieser Fahrt das von den Dänen gewünschte große Ereigniß
machen, das Fraternisirungsfest zweier „aufeinander angewiesenen" Nationen.

Wir wollen darum nicht behaupten, daß von dem Rausche der Festtage
gar nichts nachhaltiges und Werthvolles zurückbleiben werde. Den Franzosen
kann es stets nur heilsam sein, sich in einem leidlich freien fremden Lande durch
den Augenschein zu überzeugen, wieviel ihnen noch daheim zu einer menschen¬
würdigen Existenz mangelt. Ja schon eine Reise an sich mit dem Zwecke oder
der Wirkung politischer Reformation thut diesen nationalen Knownothings nö¬
thiger als irgendwem. Die Dänen haben sich voraussichtlich mehr Unkosten
gemacht, als der Erfolg rechtfertigen wird, aber ganz ohne Frucht kann
es doch auch für sie und ihre Licblingshoffnungen nicht bleiben, daß ein Du¬
tzend Federn und zwei Zungen sichs in Zukunft zur Ehrensache machen werden,
jede Gelegenheit zu ergreifen, um sich gegen Dänemark erkenntlich zu zeigen.
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[0432] für Dänemark und das dänische Schleswig sich zuvor mit einigem Wörtervorrath für die Reise in das fremde Land hätten ausrüstet haben sollten. In ihrer eige¬ nen Sprache also warf der eidcrdänische Parteiführer den Franzosen solche Schmeicheleien an den Kops, wie daß die Dänen „eifrige Zöglinge der franzö¬ sischen Cultur" seien, daß man in Schleswig nur noch aus Frankreichs ruhm¬ bedeckte Banner rechne, und daß in Frankreichs großem Herzen jede gerechte und edle Sache auf Sympathien stoße. Andere Redner gingen darin noch viel weiter; der Candidat Brynjulfsson aus Island nannte die Franzosen gradezu das revräsentirende, d. h. das leitende und voranstehende Volk, das durch seinen universellen Geist am besten befähigt sei, große Ideen zu verwirklichen. Der universelle Geist der Franzosen! Man hatte in der That recht würdige Trä¬ ger dieses Geistes vor sich, um in dessen Bewunderung zu ersterben! Was wird die Folge dieses schreienden Mißverhältnisses sein? In Paris, wo man die geistige und politische Bedeutung der Deputation einigermaßen zu schätzen versteht, wird man seinen Respect vor dem Verstände und Selbstbewußt¬ sein der Dänen schwerlich wachsen fühlen, nachdem deren beste Männer jener Gesellschaft von Nullen in solch' ausschweifender Weise den Hof gemacht. Man wird die in ihr dem französischen Staate und Volke erwiesene Ehre gnädig quittiren, aber kaum eifriger werden als bisher, ein so zwergenhaft erscheinendes und fühlendes Völkchen mit dem eigenen Leibe zu decken. Denn welchen Bei¬ stand kann Frankreich seinerseits in kommenden Nöthen sich von einem Lande versprechen, das sich von einem Ende bis zum andern in Fahnen hüllt, mit Kränzen schmückt und in Extase geräth, weil ein Dutzend namenloser Fremd¬ linge ihm eine Augustwoche Aufenthalt gönnt? Neid und Eifersucht werden thun, was gerechte Schätzung seiner selbst und anderer übrigläßt, um nicht zu gestatten, daß die College» der in Dänemark gewesenen Deputirten und Jour¬ nalisten aus dieser Fahrt das von den Dänen gewünschte große Ereigniß machen, das Fraternisirungsfest zweier „aufeinander angewiesenen" Nationen. Wir wollen darum nicht behaupten, daß von dem Rausche der Festtage gar nichts nachhaltiges und Werthvolles zurückbleiben werde. Den Franzosen kann es stets nur heilsam sein, sich in einem leidlich freien fremden Lande durch den Augenschein zu überzeugen, wieviel ihnen noch daheim zu einer menschen¬ würdigen Existenz mangelt. Ja schon eine Reise an sich mit dem Zwecke oder der Wirkung politischer Reformation thut diesen nationalen Knownothings nö¬ thiger als irgendwem. Die Dänen haben sich voraussichtlich mehr Unkosten gemacht, als der Erfolg rechtfertigen wird, aber ganz ohne Frucht kann es doch auch für sie und ihre Licblingshoffnungen nicht bleiben, daß ein Du¬ tzend Federn und zwei Zungen sichs in Zukunft zur Ehrensache machen werden, jede Gelegenheit zu ergreifen, um sich gegen Dänemark erkenntlich zu zeigen. Aus unsrer eigenen nationalen Erfahrung ist uns gegenwärtig, daß die Wend-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_191229/432>, abgerufen am 15.01.2025.