Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. I. Band.Wem, wie es in Preußen besteht, verbessert natürlich dies Verhältniß nicht, Wir haben schwarz gemalt, aber es läßt sich auf die dunklen Schatten auch Wem, wie es in Preußen besteht, verbessert natürlich dies Verhältniß nicht, Wir haben schwarz gemalt, aber es läßt sich auf die dunklen Schatten auch <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0428" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/191658"/> <p xml:id="ID_1237" prev="#ID_1236"> Wem, wie es in Preußen besteht, verbessert natürlich dies Verhältniß nicht,<lb/> sondern trübt es womöglich noch mehr und es muß daher offen ausgesprochen<lb/> werden: in der preußischen Kammer, die aus intuentem Wahlen hervorgegangen<lb/> ist, verdankt mindestens der 5. Theil der Abgeordneten im Durchschnitt seinen<lb/> Sitz nicht der factischen Majorität, sondern der Minorität der Wähler seines<lb/> Wahlkreises. Nicht minder bedenklich für das indirecte Wählen ist es, daß die<lb/> Majorität nur sicher ist ihren Kandidaten durchzubringen, wenn sie über °/«<lb/> oder über fast V« sämmtlicher Wähler verfügt, daß sie dagegen nie mit Sicher¬<lb/> heit auf Sieg rechnen kann, sobald die factische Majorität kleiner ist, denn das<lb/> Klcinersein kommt bedeutend häusiger vor, als das Größersein. Es ist dies<lb/> Verhältniß bei 25 Personen schon wie 8:1 und bei höheren Zahlen wird es<lb/> immer ungünstiger. Ja die Zahl der Wahlkreise, in denen die Minderheit<lb/> durch eine für sie günstige Vertheilung in den Abtheilungen über die Majori¬<lb/> tät siegt, ist dort bei weitem größer als die. in welchen die Majorität eine so<lb/> imposante ist, daß ihr der Sieg auf keinerlei Weise entrissen werden könnte.<lb/> Und ist es nicht schlimm, wenn sich ein Einzelner, eine Partei sagen muß:<lb/> wir haben in 20 Wahlkreisen die Majorität, aber trotzdem sind wir nur in<lb/> einem sicher unsern Candidaten durchzubringen, während in den 19 übrigen<lb/> uns der Sieg durch Zufall oder durch ein unlegales Vorgehen der Wahlcom-<lb/> rmssare geraubt werden kann? Ein solcher Commissär braucht, um seiner Partei,<lb/> die vielleicht nur V» der Urwähler umfaßt, den Sieg zu verschaffen, weiter<lb/> nichts zu thun als dieselbe so zu vertheilen, daß sie in den Abtheilungen, in<lb/> welchen sie siegt, im Durchschnitt nur mit einer kleinen Majorität den Gegner<lb/> schlägt, während er zugleich dafür sorgt, daß die Gegenpartei von den Wahl¬<lb/> männern, die sie durchdringt, rühmen kann, sie seien meist einstimmig oder durch<lb/> eine geringe Minorität gewählt. Muß dieses unglückselige Verhältniß nicht zu<lb/> Verdächtigungen, Mißbräuchen, Verläumdungen, Zänkereien aller Art führen?<lb/> Wird nicht die factisch bei der Wahl untevliegende Partei, weil sie möglicher¬<lb/> weise die Majorität der Urwähler umfassen kann, sehr oft behaupten: Wir, die<lb/> Besiegten, sind eigentlich die Sieger!</p><lb/> <p xml:id="ID_1238" next="#ID_1239"> Wir haben schwarz gemalt, aber es läßt sich auf die dunklen Schatten auch<lb/> einiges Licht werfen, welches sie mildert und wir sind verpflichtet, dieses Licht nicht<lb/> fern zu halten. — Die Minorität kann, wenn sie den Sieg über die Majorität<lb/> erzielen soll, keine beliebige sein, sie muß mindestens ein Viertel sämmtlicher<lb/> Wähler umfassen ; besteht sie nur aus einem Viertel oder wenig mehr, so kann<lb/> sie nur in Ausnahmefällen den Gegner schlagen. Daß 12 Stimmen gegen 23<lb/> mit ihrem Candidaten durchdringen, kommt unter 40000 Fällen kaum einmal<lb/> vor; die bei weitem meisten Siege, welche die Minorität überhaupt ersieht,<lb/> werden von einer sehr bedeutenden Minorität erfochten, es kommt z. B. 2 bis<lb/> 3 mal öfter vor, daß 17 über 18, als daß 16 über 19 siegen und letzteres ist</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0428]
Wem, wie es in Preußen besteht, verbessert natürlich dies Verhältniß nicht,
sondern trübt es womöglich noch mehr und es muß daher offen ausgesprochen
werden: in der preußischen Kammer, die aus intuentem Wahlen hervorgegangen
ist, verdankt mindestens der 5. Theil der Abgeordneten im Durchschnitt seinen
Sitz nicht der factischen Majorität, sondern der Minorität der Wähler seines
Wahlkreises. Nicht minder bedenklich für das indirecte Wählen ist es, daß die
Majorität nur sicher ist ihren Kandidaten durchzubringen, wenn sie über °/«
oder über fast V« sämmtlicher Wähler verfügt, daß sie dagegen nie mit Sicher¬
heit auf Sieg rechnen kann, sobald die factische Majorität kleiner ist, denn das
Klcinersein kommt bedeutend häusiger vor, als das Größersein. Es ist dies
Verhältniß bei 25 Personen schon wie 8:1 und bei höheren Zahlen wird es
immer ungünstiger. Ja die Zahl der Wahlkreise, in denen die Minderheit
durch eine für sie günstige Vertheilung in den Abtheilungen über die Majori¬
tät siegt, ist dort bei weitem größer als die. in welchen die Majorität eine so
imposante ist, daß ihr der Sieg auf keinerlei Weise entrissen werden könnte.
Und ist es nicht schlimm, wenn sich ein Einzelner, eine Partei sagen muß:
wir haben in 20 Wahlkreisen die Majorität, aber trotzdem sind wir nur in
einem sicher unsern Candidaten durchzubringen, während in den 19 übrigen
uns der Sieg durch Zufall oder durch ein unlegales Vorgehen der Wahlcom-
rmssare geraubt werden kann? Ein solcher Commissär braucht, um seiner Partei,
die vielleicht nur V» der Urwähler umfaßt, den Sieg zu verschaffen, weiter
nichts zu thun als dieselbe so zu vertheilen, daß sie in den Abtheilungen, in
welchen sie siegt, im Durchschnitt nur mit einer kleinen Majorität den Gegner
schlägt, während er zugleich dafür sorgt, daß die Gegenpartei von den Wahl¬
männern, die sie durchdringt, rühmen kann, sie seien meist einstimmig oder durch
eine geringe Minorität gewählt. Muß dieses unglückselige Verhältniß nicht zu
Verdächtigungen, Mißbräuchen, Verläumdungen, Zänkereien aller Art führen?
Wird nicht die factisch bei der Wahl untevliegende Partei, weil sie möglicher¬
weise die Majorität der Urwähler umfassen kann, sehr oft behaupten: Wir, die
Besiegten, sind eigentlich die Sieger!
Wir haben schwarz gemalt, aber es läßt sich auf die dunklen Schatten auch
einiges Licht werfen, welches sie mildert und wir sind verpflichtet, dieses Licht nicht
fern zu halten. — Die Minorität kann, wenn sie den Sieg über die Majorität
erzielen soll, keine beliebige sein, sie muß mindestens ein Viertel sämmtlicher
Wähler umfassen ; besteht sie nur aus einem Viertel oder wenig mehr, so kann
sie nur in Ausnahmefällen den Gegner schlagen. Daß 12 Stimmen gegen 23
mit ihrem Candidaten durchdringen, kommt unter 40000 Fällen kaum einmal
vor; die bei weitem meisten Siege, welche die Minorität überhaupt ersieht,
werden von einer sehr bedeutenden Minorität erfochten, es kommt z. B. 2 bis
3 mal öfter vor, daß 17 über 18, als daß 16 über 19 siegen und letzteres ist
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