Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. I. Band.diätarisch beschäftigt worden. -- Herr Oberg war zum Richteramt in den alten Genug indeß der alten Klagen und zurück zu unserm Thema! Nach all' diätarisch beschäftigt worden. — Herr Oberg war zum Richteramt in den alten Genug indeß der alten Klagen und zurück zu unserm Thema! Nach all' <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0420" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/191650"/> <p xml:id="ID_1218" prev="#ID_1217"> diätarisch beschäftigt worden. — Herr Oberg war zum Richteramt in den alten<lb/> preußischen Provinzen nicht qualificirt; als ihn dennoch der Justizminister zum<lb/> Appellationsgerichts-Vicepräsidenten in Ratibor ernannte, da halte man nur hören<lb/> sollen, wie der Fall von den waldeckschen Heißspornen ausgebeutet wurde, um<lb/> die preußischen Zustände den heimischen gegenüber herabzusetzen. Der ganz<lb/> ähnliche Vorgang im eigenen Hause wurde weislich todtgeschwiegen; ebenso<lb/> wurde eine kürzlich (vor Thorschluß) dem ausdrücklichen Wortlaut des Gesetzes<lb/> zuwider erfolgte Ernennung zum Kreisrichter wohlwollend übersehen. Es<lb/> ließen sich noch zahlreiche ähnliche Beispiele dafür anführen, daß man sich hier<lb/> reckt viele Mühe giebt, den Splitter in des Bruders Auge zu entdecken,<lb/> während man den Balken im eigenen vergißt.</p><lb/> <p xml:id="ID_1219" next="#ID_1220"> Genug indeß der alten Klagen und zurück zu unserm Thema! Nach all'<lb/> dem Gesagten kann es nicht Wunder nehmen, wenn wir zu denen gehören, die<lb/> sich für diesen Accessionsvertrag durchaus nicht zu erwärmen vermögen. Man<lb/> wird uns entgegenhalten, daß es gelte, im Interesse des Ganzen Opfer zu<lb/> bringen. Ohne Zweifel, nur muß das Opfer auch Sinn haben. Wozu aber<lb/> dieser ungeheuerliche Zwitterzustand, während man die Regelung viel einfacher<lb/> haben kann? Und wozu diese Aufrechterhaltung eines selbständigen Staates<lb/> Waldeck, da es doch auf der Hand liegt, daß derselbe den Anforderungen der<lb/> Bundesverfassung, so lange wenigstens das System der Matricularbeiträge nicht<lb/> abgeschafft ist. auch bei äußerster Anstrengung nicht genügen kann? Sonderbare<lb/> Gerechtigkeit: auf der einen Seite verschließt man diesem Lande durch Über¬<lb/> tragung des Domaniums in Privatbesitz eine der Hauptquellen des bisherigen<lb/> Staatseinkommens, auf der anderen aber führt man es in Verhältnisse ein,<lb/> welche die schon so ausgesogene Steuerkraft seiner Bürger auch bei der weit¬<lb/> gehendsten Sckonung noch beträchtlich höher anzuspannen versuchen müssen.<lb/> Oder glaubt man wirklich etwas Reelles in Händen zu haben, wenn der Ver¬<lb/> trag, wie der Landtag es verlangt, Schutz vor „Steuerüberbürdung" verspräche?<lb/> Eine dehnbarere Bestimmung hätte in der That kaum gefunden werden können.<lb/> Soviel aber ist klar: eine exceptionell-bevorzugte Stellung wird Waldeck inner¬<lb/> halb des norddeutschen Bundes auf die Dauer nicht einnehmen können; es<lb/> wird seinen von der Verfassung vorgeschriebenen Pflichten genügen müssen.<lb/> Ist es dazu nicht aus eigenen Mitteln im Stande, so wird sich die Bundes¬<lb/> kasse an seinen Verwalter, an Preußen zu halten haben. Lediglich der Gnade<lb/> der norddeutschen Großmacht also ist es anheimgegeben, ob der Sohn dieses<lb/> Ländchens auch in Zukunft noch mit dem stolzen Bewußtsein, ein Waldecker<lb/> zu sein, über die Weltbühne schreiten darf. Nun, wie hoch wir von dem po¬<lb/> litischen Charakter des Kleinstaatlers denken, weiß man; soviel aber dürfen wir doch<lb/> mit Sicherheit behaupten: die ungeheure Mehrzahl des waldeckschen Volkes weist<lb/> das Ansinnen, auf diese Weise andern Leuten schmarotzend auf der Tasche zu</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0420]
diätarisch beschäftigt worden. — Herr Oberg war zum Richteramt in den alten
preußischen Provinzen nicht qualificirt; als ihn dennoch der Justizminister zum
Appellationsgerichts-Vicepräsidenten in Ratibor ernannte, da halte man nur hören
sollen, wie der Fall von den waldeckschen Heißspornen ausgebeutet wurde, um
die preußischen Zustände den heimischen gegenüber herabzusetzen. Der ganz
ähnliche Vorgang im eigenen Hause wurde weislich todtgeschwiegen; ebenso
wurde eine kürzlich (vor Thorschluß) dem ausdrücklichen Wortlaut des Gesetzes
zuwider erfolgte Ernennung zum Kreisrichter wohlwollend übersehen. Es
ließen sich noch zahlreiche ähnliche Beispiele dafür anführen, daß man sich hier
reckt viele Mühe giebt, den Splitter in des Bruders Auge zu entdecken,
während man den Balken im eigenen vergißt.
Genug indeß der alten Klagen und zurück zu unserm Thema! Nach all'
dem Gesagten kann es nicht Wunder nehmen, wenn wir zu denen gehören, die
sich für diesen Accessionsvertrag durchaus nicht zu erwärmen vermögen. Man
wird uns entgegenhalten, daß es gelte, im Interesse des Ganzen Opfer zu
bringen. Ohne Zweifel, nur muß das Opfer auch Sinn haben. Wozu aber
dieser ungeheuerliche Zwitterzustand, während man die Regelung viel einfacher
haben kann? Und wozu diese Aufrechterhaltung eines selbständigen Staates
Waldeck, da es doch auf der Hand liegt, daß derselbe den Anforderungen der
Bundesverfassung, so lange wenigstens das System der Matricularbeiträge nicht
abgeschafft ist. auch bei äußerster Anstrengung nicht genügen kann? Sonderbare
Gerechtigkeit: auf der einen Seite verschließt man diesem Lande durch Über¬
tragung des Domaniums in Privatbesitz eine der Hauptquellen des bisherigen
Staatseinkommens, auf der anderen aber führt man es in Verhältnisse ein,
welche die schon so ausgesogene Steuerkraft seiner Bürger auch bei der weit¬
gehendsten Sckonung noch beträchtlich höher anzuspannen versuchen müssen.
Oder glaubt man wirklich etwas Reelles in Händen zu haben, wenn der Ver¬
trag, wie der Landtag es verlangt, Schutz vor „Steuerüberbürdung" verspräche?
Eine dehnbarere Bestimmung hätte in der That kaum gefunden werden können.
Soviel aber ist klar: eine exceptionell-bevorzugte Stellung wird Waldeck inner¬
halb des norddeutschen Bundes auf die Dauer nicht einnehmen können; es
wird seinen von der Verfassung vorgeschriebenen Pflichten genügen müssen.
Ist es dazu nicht aus eigenen Mitteln im Stande, so wird sich die Bundes¬
kasse an seinen Verwalter, an Preußen zu halten haben. Lediglich der Gnade
der norddeutschen Großmacht also ist es anheimgegeben, ob der Sohn dieses
Ländchens auch in Zukunft noch mit dem stolzen Bewußtsein, ein Waldecker
zu sein, über die Weltbühne schreiten darf. Nun, wie hoch wir von dem po¬
litischen Charakter des Kleinstaatlers denken, weiß man; soviel aber dürfen wir doch
mit Sicherheit behaupten: die ungeheure Mehrzahl des waldeckschen Volkes weist
das Ansinnen, auf diese Weise andern Leuten schmarotzend auf der Tasche zu
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