Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. I. Band.grollen, zu kritteln und zu zweifeln. Während häufig genug versichert wurde, In Wien hat man aus diesem Verhalten auf eine gegen die östreichische grollen, zu kritteln und zu zweifeln. Während häufig genug versichert wurde, In Wien hat man aus diesem Verhalten auf eine gegen die östreichische <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0408" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/191638"/> <p xml:id="ID_1184" prev="#ID_1183"> grollen, zu kritteln und zu zweifeln. Während häufig genug versichert wurde,<lb/> die Zeit des Haders und der Eifersüchteleien sei vorüber, man erwarte von<lb/> Oestreich kein Bündniß mit Feinden und Gegnern Preußens, that man doch<lb/> nichts, um ein gutes Einvernehmen journalistisch zu fördern, die Initiative zu<lb/> steten kleinen Händeln wurde vielmehr im Norden ergriffen, namentlich bei<lb/> Gelegenheit des moskauer Slawencongrcfseö. Diese stete Betonung der Zweifel<lb/> an der Existenzfähigkeit Oestreichs scheint uns wenig opportun zu sein — zeugt<lb/> sie doch davon, daß man Oestreich gegenüber kein bestimmtes Programm hat.<lb/> Es sind doch nur zwei Möglichkeiten vorhanden: entweder man will in Frieden<lb/> mit Oestreich leben oder nicht — im ersteren Fall ist es überflüssig, ihm stets<lb/> wöineuto wori zuzurufen, im letzteren muß man die guten Beziehungen zu<lb/> ihm entbehrlich machen. Und doch ist weder das Eine noch das Andere ge¬<lb/> schehen, die Anhänger Preußens sind Oestreich gegenüber vollständig planlos ver¬<lb/> fahren und nur darin einig gewesen, daß sie von Zeit zu Zeit ihre Verwun¬<lb/> derung darüber aussprachen, daß dieser Staat überhaupt noch da war. Da¬<lb/> mit ist der Annahme Vorschub geleistet worden, als halte man das Nebenein¬<lb/> anderbestehen Oestreichs und eines unter preußischer Führung geeinigten Deutsch¬<lb/> lands, für unvereinbar. Die Zahl derer, die dieser Meinung sind, ist in Wien<lb/> sicher zahlreicher als in Berlin oder sonst wo im norddeutschen Bunde — es<lb/> hat darum keinen Sinn, wenn man den Glauben nährt, wir hielten dieselbe<lb/> für eine Bedingung unserer Existenz.</p><lb/> <p xml:id="ID_1185" next="#ID_1186"> In Wien hat man aus diesem Verhalten auf eine gegen die östreichische<lb/> Monarchie gerichtete russisch-preußische Alliance geschlossen und aus dieser das<lb/> Recht zu einem Zusammengehen Franz Josephs mit dem dritten Napoleon ab¬<lb/> geleitet. Ueber Grund oder Ungrund dieser Conjectur zu streiten, überlassen<lb/> wir Anderen — rathsam scheint uns aber, die Grundlagen, auf welchen eine<lb/> solche Alliance sich aufbauen würde, näher zu betrachten. Die Zeiten, in wel¬<lb/> chen auswärtige und innere Politik nichts mit einander zu thun hatten, Fürsten-<lb/> bündnifse dauernd bestehen konnten, ohne von Völtersvmpathien getragen zu<lb/> werden, sind vorüber; möglich bleibt es immer, daß Preußen Rußlands orien¬<lb/> talische Politik unterstützt, eine dauernde Unterstützung der deutschen Politik<lb/> Preußens durch den nordischen Kaiserstaat würde aber zu der Richtung, welche<lb/> das russische Staatsleben neueidings genommen hat, wenig passen und kaum<lb/> durchführbar sein. Das Organ der russischen Nationalpartei, die Moskausche<lb/> Zeitung, deren beinahe schrankenloser Einfluß in den maßgebenden Regierungs¬<lb/> kreisen besonders nachhaltig wirkt, hat sich über diesen Punkt noch neuerdings<lb/> ziemlich deutlich und unzweideutig auegesprochen. In einem Artikel, der die Lage<lb/> Deutschlands am Vorabend der salzburger Conferenz bespricht, entwirft sie ein<lb/> nichts weniger als schmeichelhaftes Bild der Schwierigkeiten, in denen Preußen<lb/> stecke. Indem die Resultate der „übermäßigen" Vergrößerung dieses Staats</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0408]
grollen, zu kritteln und zu zweifeln. Während häufig genug versichert wurde,
die Zeit des Haders und der Eifersüchteleien sei vorüber, man erwarte von
Oestreich kein Bündniß mit Feinden und Gegnern Preußens, that man doch
nichts, um ein gutes Einvernehmen journalistisch zu fördern, die Initiative zu
steten kleinen Händeln wurde vielmehr im Norden ergriffen, namentlich bei
Gelegenheit des moskauer Slawencongrcfseö. Diese stete Betonung der Zweifel
an der Existenzfähigkeit Oestreichs scheint uns wenig opportun zu sein — zeugt
sie doch davon, daß man Oestreich gegenüber kein bestimmtes Programm hat.
Es sind doch nur zwei Möglichkeiten vorhanden: entweder man will in Frieden
mit Oestreich leben oder nicht — im ersteren Fall ist es überflüssig, ihm stets
wöineuto wori zuzurufen, im letzteren muß man die guten Beziehungen zu
ihm entbehrlich machen. Und doch ist weder das Eine noch das Andere ge¬
schehen, die Anhänger Preußens sind Oestreich gegenüber vollständig planlos ver¬
fahren und nur darin einig gewesen, daß sie von Zeit zu Zeit ihre Verwun¬
derung darüber aussprachen, daß dieser Staat überhaupt noch da war. Da¬
mit ist der Annahme Vorschub geleistet worden, als halte man das Nebenein¬
anderbestehen Oestreichs und eines unter preußischer Führung geeinigten Deutsch¬
lands, für unvereinbar. Die Zahl derer, die dieser Meinung sind, ist in Wien
sicher zahlreicher als in Berlin oder sonst wo im norddeutschen Bunde — es
hat darum keinen Sinn, wenn man den Glauben nährt, wir hielten dieselbe
für eine Bedingung unserer Existenz.
In Wien hat man aus diesem Verhalten auf eine gegen die östreichische
Monarchie gerichtete russisch-preußische Alliance geschlossen und aus dieser das
Recht zu einem Zusammengehen Franz Josephs mit dem dritten Napoleon ab¬
geleitet. Ueber Grund oder Ungrund dieser Conjectur zu streiten, überlassen
wir Anderen — rathsam scheint uns aber, die Grundlagen, auf welchen eine
solche Alliance sich aufbauen würde, näher zu betrachten. Die Zeiten, in wel¬
chen auswärtige und innere Politik nichts mit einander zu thun hatten, Fürsten-
bündnifse dauernd bestehen konnten, ohne von Völtersvmpathien getragen zu
werden, sind vorüber; möglich bleibt es immer, daß Preußen Rußlands orien¬
talische Politik unterstützt, eine dauernde Unterstützung der deutschen Politik
Preußens durch den nordischen Kaiserstaat würde aber zu der Richtung, welche
das russische Staatsleben neueidings genommen hat, wenig passen und kaum
durchführbar sein. Das Organ der russischen Nationalpartei, die Moskausche
Zeitung, deren beinahe schrankenloser Einfluß in den maßgebenden Regierungs¬
kreisen besonders nachhaltig wirkt, hat sich über diesen Punkt noch neuerdings
ziemlich deutlich und unzweideutig auegesprochen. In einem Artikel, der die Lage
Deutschlands am Vorabend der salzburger Conferenz bespricht, entwirft sie ein
nichts weniger als schmeichelhaftes Bild der Schwierigkeiten, in denen Preußen
stecke. Indem die Resultate der „übermäßigen" Vergrößerung dieses Staats
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